Heim ist, wo dein Herz ist
„Raging Grace“ bewahrt sich trotz Wut im Bauch lange Zeit die Contenance. Wir folgen in diesem immigrant horror tale einer philippinischen Haushaltshilfe, die nicht legal im UK lebt und arbeitet, sogar eine Tochter hat und diese an ihre Arbeitsstellen mitschleppt. Sie spart für ein Visa und hat das Geld bald beisammen. Da kommt ihr der Job in einem riesigen Herrenhaus für die letzten paar Riesen ganz gelegen. Blöd nur, dass die herrische Dame des Hauses, der im Bett des Obergeschosses deponierte, komatöse Onkel und das alte Haus an sich schnell ein paar fiese Geheimnisse und Gefahren andeuten…
Haushälterinnenhilferufhorror
Man spürt die Aufregung und Anspannung im Bauch des Debütregisseurs (!) Paris Zarcilla in „Raging Grace“ durchaus deutlich. In einer Zeit, in der Vorurteile, Hass, Bevormundung und Ausnutzung für ihn und fast alle (asiatischen) Einwanderer zur Tagesordnung und leider Normalität geworden sind, holt er zu diesem Befreiungs- und Gegenschlag aus. Und das zum Glück nicht mit dem Holzhammer. Stark gespielt vom filmischen Mutter-Tochter-Gespann, aber auch von den britischen „Gastgebern“. Ein typischer Coronafilm, sehr beschränkt auf wenige Personen und diesen Haushalt. Von Jumpscares über nächtliche Schlafwandeleien bis zu bitterböse-humorvollen Wendungen und Streichen. In dieser wütenden Wundertüte steckt eine Menge - Süßes wie Saures. Mit einem der besten Mic Drop-Monologen aus der jüngeren Genrevergangenheit, wer hier in dieser Gesellschaft eigentlich von wem abhängig ist. Durchaus auch mal mit liebevollen Momenten der Auflockerung und Innekehrung. Dann wieder mit eingeschobenen Visionen, Halluzinationen und alptraumhaften Angriffen verwaister „Haushälter- und Einwandererseelen“. Komplex und mit Nachwirkung. Aber mit genug Stringenz, Klarheit und Vision, um nicht nur alle Teilchen zusammenzubringen, sondern sie auch für uns Zuschauer verständlich, haptisch und aufreibend anzuordnen. Eine meiner positiven Überraschungen im diesjährigen Festivalzirkus.
Fazit: erstaunlich kompetenter, kraftvoller Immigranten-Horrorthriller mit 'ner Menge zu sagen, sowohl in Sachen Schrecken als auch düsterem Humor. Für ein Regiedebüt mit Wut im Bauch nochmal packender und akuter.