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Der legendäre WM-Sieg von 1954 eignet sich geradezu perfekt für ein emotionsgeladenes Nationalepos: Eine Underdog-Geschichte, die einen magischen Moment in der deutschen Nachkriegsgeschichte darstellt und vor dessen Hintergrund es sich beinahe aufdrängt, die Befindlichkeiten des deutschen Volkes abzubilden, schließlich bedeutete der Sieg für die vom Krieg zerrüttete Generation erstmals wieder so etwas wie Nationalbewusstsein und auch so etwas wie Stolz auf die Heimat – beim Fußball immerhin eine ganz selbstverständlich akzeptierte Einstellung. Sönke Wortmann hat diesen Stoff (der für ihn angeblich die Erfüllung eines persönlichen Traums bedeutet) mit entsprechenden Ambitionen umgesetzt und versucht sowohl den Generationskonflikt zu illustrieren, die bekannten Mythen ein wenig zu erklären und gleichzeitig ein glaubwürdiges Gesellschaftsporträt zu inszenieren. Dabei scheitert er schon an einer simplen Tatsache: „Das Wunder von Bern“ ist wie kaum ein anderer Film vollkommen am eigentlichen Gegenstand vorbei inszeniert, das es schon fast an Dreistigkeit grenzt. Da wird einem jedes Spiel bis zum Finale vorenthalten, auch wenn man den Spielern bis in die Umkleidekabine folgt. Wenn diese Aussparung jeglicher Sport-Szenen (im gesamten Film gibt es nur wenige Minuten schlecht choreographierten Fußball zu sehen) Spannung aufbauen sollte, dann ist dieses Unternehmen gründlich in die Hose gegangen.

Beispielsweise zeigt uns der Film den WM-Held Helmut Rahn bei der Abfahrt, beim illegalen Kneipenbesuch, beim Frust-Abbau weil er nicht aufgestellt wird. Seine ersten Erfolgserlebnisse, Einsatz und Torerfolg, wird dem Zuschauer ebenso vorenthalten wie jeder andere Blick auf das eigentliche Geschehen, die Weltmeisterschaft. Das am Ende auf erbärmliche Weise die Computer-Unterstützung jeden Anflug von Kino-Zauber zerstört, deklassiert Wortmanns Machwerk als bestenfalls überdurchschnittlichen Fernsehfilm, aufgeblasen für die große Leinwand, kann deren Anforderungen aber kaum gerecht werden. Das Sönke Wortmann, dessen beste Filme („St. Pauli Nacht“, „Kleine Haie“) tragikomischer Natur und eher „klein“ sind, kein Bilderstürmer ist, war abzusehen – das ihm aber jeglicher Sinn für die Magie des Augenblicks zu fehlen scheint, ist in fataler Weise verblüffend und so ähnelt der an allen Fronten scheiternde Film dem sprichwörtlichen Autounfall. Obwohl den Bildern jegliche Größe fehlt, müssen Zugeständnisse an die hervorragende Ausstattung gemacht werden, die sich wirklich sehen lassen kann und in keinem Vergleich steht zur extrem schwachen Tricktechnik. Darstellerisch solide, kann vor allem Newcomer Sascha Göpel als Helmut Rahn überzeugen, dessen Charakterzeichnung nichtsdestotrotz jegliche Schärfe fehlt. Dieses Los teilt er allerdings mit jeder anderen Figur, die entweder zur bloßen Staffage ohne jegliche dramaturgische Funktion verkommen (wie der trotzdem tolle Lukas Gregorowicz als Reporter) oder aber oberflächlich gezeichnete Klischeebilder verkörpern (Mirko Lang als älterer Sohn und überzeugter Kommunist).

Überhaupt mutet sich Wortmann nach einem stimmungsvollen Beginn zu viel zu: Er versucht dem Generationskonflikt, der schwierigen und hier übertrieben schwülstigen Heimkehrer-Thematik, einer dazugehörigen Vater-Sohn-Schmonzette und natürlich dem WM-Geschehen gerecht zu werden, vergisst aber dabei vor allem letzteres. Hätte der Film ganz die Perspektive des Zuschauers gewählt, der das Event nur aus der Ferne am Radio und Fernseher verfolgen kann, eingenommen, so wäre mehr Platz für die Einzelschicksale gewesen und hätte auch die Vorenthaltung jeglicher Szenen der WM gerechtfertigt. Nur in wenigen Szenen schafft es Wortmann, diese Stimmung zu vermitteln, wenn etwa leer gefegte Straßen gezeigt werden, wenn es wirklich zur Sache geht. Doch warum führt Wortmann Persönlichkeiten wie Helmuth Rahn und Sepp Herberger ein, wenn er an ihrer Entwicklung offensichtlich nicht interessiert ist? Die legendären Floskeln von Herberger werden hier schelmisch vorgeführt und als kalkulierte Sprichwörter in Szene gesetzt, was angesichts der oberflächlichen Erzählung nur noch unfreiwillig komisch wirkt.

Ein Sport-Epos ohne Sport also, das sich obendrein als rührseliger Familienfilm versteht und das Kriegsversehrten-Trauma ungeheuer kitschig in Wohlgefallen auflöst. Wohl auch aufgrund der dürftigen Psychologisierung kann Peter Lohmeyer in der schwierigsten Rolle kaum überzeugen. Auch dem neu erwachten Patriotismus wird keine Aufmerksamkeit geschenkt und hier vergibt der Film seine letzte Chance, zumindest auf politischer Ebene zu überzeugen und die gezeigten Problematiken in moderne Fragen umzuformulieren. All diese frappierenden Unzulänglichkeiten, die für einen enorm lieblosen Anstrich sorgen, können auch nicht durch historisch akkurate Details vergessen gemacht werden.

03/10

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