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Das Regiedebüt der französischen Regisseure Jean-Baptiste Andrea und Fabrice Canepa aus dem Jahre 2003, die französisch-US-amerikanische Koproduktion „Dead End“, ist ein Horrorfilm, der zunächst das volle Backwood-Horror-Klischeebrett aufzufahren scheint: Familie Harrington inkl. Freund der Tochter nimmt am 24.12. auf dem Weg zur Verwandtschaft eine unbekannte Abkürzung, hat einen Autounfall, muss feststellen, dass das Mobiltelefon keinen Empfang hat, trifft auf undurchsichtige Gestalten, trennt sich und läuft allein durch die Gegend. Doch dann kommt doch alles ganz anders...

„Dead End“ ist einer dieser mehr oder weniger originellen Filme, die auf einen finalen mehr oder weniger überraschenden Plottwist zusteuern. Der Weg dorthin zeigt das Porträt einer vierköpfigen Familie, deren Mitglieder angesichts der Extremsituation, in der sie sich befinden, eines nach dem anderen den Verstand verlieren – bevor sie nacheinander den Löffel abgeben. Ein familiärer, bisher unausgesprochen gebliebener Abgrund nach dem anderen tut sich auf, tief und unüberwindbar. Begleitet wird die Farce von einem wahrlich kohlrabenschwarzen Humor, wie ich ihn aus Frankreich so nicht unbedingt erwartet hätte. Das geht bis hin zu sparsam, aber sorgfältig eingesetzten blutigen Effekten, bei denen manch Zuschauer das Lachen auch schon einmal im Halse stecken bleiben dürfte.

Die US-amerikanischen Schauspieler Ray Wise („RoboCop“, „Katzenmenschen“) als Familienvater, Lin Shaye als diesem nicht sonderlich zugeneigte Mutter, („Nightmare – Mörderische Träume“, „Critters – Sie sind da“, „The Hidden – Das unsagbar Böse“), Alexandra Holden („Gnadenlos schön“) als aufgewecktes Töchterchen und Mick Cain („Mißbraucht – Eine Tochter schlägt zurück“) als wild pubertierende Supernervensäge von Sohn sowie Billy Asher als cooler, aber verliebter Freund der Tochter und Amber Smith („American Beauty“) als geheimnisvolle weißgewandete Lady, die ihr totes Baby mit sich herumschleppt, haben nicht nur zum Teil recht bekannte Namen vorzuweisen, sondern geben, insbesondere Wise und Shaye, alles und stellen eine ganze Bandbreite verschiedener Emotionen glaubwürdig dar. Die Waldkulissen sorgen für die passende Atmosphäre der Desorientierung und Düsterheit. Die Kamera tut gut daran, in einigen kruderen Momenten nicht voll draufzuhalten, sondern lediglich einzelne Körperteile einzufangen und somit die Phantasie des Zuschauers anzuregen und das ästhetische Empfinden Zartbesaiteterer zu schonen. Die knappe Spielzeit von nicht einmal 80 Minuten verhindert jegliche Länge, Timing und Dramaturgie funktionieren einwandfrei.

Vordergründig ein Stück schwer unterhaltsamer Mystery-Horror, ist „Dead End“ für mich eine Parabel auf wacklige Familiengefüge, die regelmäßig zu Weihnachten zerbersten und somit ein weiterer schöner Anti-Weihnachtsfilm. In jedem Falle ist er ein starkes Regiedebüt mit einem Plottwist, den zumindest ich nicht vorausgeahnt, es allerdings auch nicht darauf angelegt hatte. „Dead End“ lässt sich aufgrund seiner Qualitäten und ausgeprägten familienpsychologischen Ebene perfekt genießen, ohne in krimiartige Ratereien zu verfallen. Sehr guter Stoff!

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