Review

Das Gefühl auf eine Filmperle zu stoßen, die bis dahin kaum jemand zu Gesicht bekommen hat und der dementsprechend geringe Aufmerksamkeit zu Teil wurde, gehört bei einem Filmfreak wohl zu den wundervollsten Ereignissen seines Hobbys. Mit „Dark Woods“ durfte ich nach längerer Durststrecke („Darkness“ war wohl der letzte Film, der mich so überraschen konnte) endlich mal wieder einen Film miterleben, der sich nicht an Genrekonventionen und Klischees orientiert, sondern erfrischend individuell daherkommt.

„Villmark“, so der Originaltitel, stammt aus Norwegen, das, zumindest in filmischer Hinsicht ein kaum beschriebenes Blatt ist, mit dem Independent-Grusler (Kostenpunkt: ca. 750.000 Euro) unter Genrefans gewaltig für Aufruhr sorgen dürfte.

Regisseur Pål Øie (bitte fragt mich nicht, wie man das ausspricht), schickt seine fünf Protagonisten in ein Szenario, wie es ausgelutschter kaum sein könnte: Der Regisseur Gunnar (Bjørn Floberg) plant eine neue Sendung in der das Leben, ohne Hilfe des vermeintlichen Fortschritts, in der Wildnis dokumentiert werden soll und engagiert dafür eine junge Crew, die aus Lasse (Kristoffer Joner), Per (Marko Iversen Kanic), Elin (Eva Röse), und Sara (Sampda Sharma) besteht. Ohne Handy, Zigaretten, Alkohol und Nahrung sollen sie, zusammen mit dem Regisseur, eine Woche in einer spartanisch eingerichteten Waldhütte überleben und sich allein von der Natur ernähren.

Wirkt der Beginn noch recht idyllisch und die wenigen Schockeffekte noch harmlos, beginnt sich „Dark Woods“ schon bald in einen mysteriösen Alptraum zu steigern, der, nicht ungeschickt, auch gern in die Irre führt. Gunnar warnt davor, zu einem nahe gelegenen See zu gehen, in den im 2. Weltkrieg ein Flugzeug stürzte. Lasse und Per, sich den Anweisungen widersetzend, finden dort jedoch ein verlassenes Zelt vor und ziehen wenig später eine Leiche aus dem See, was Gunnar aber nicht veranlasst sein Experiment abzubrechen, sondern auszuharren, um später die Polizei zu verständigen, da diese paar Tage keinen Unterschied machen würden. Unabhängig von diesem grausamen Fund, glaubt die Crew anfangs noch an Streiche untereinander, als an eine mögliche Gefahr, die im tiefen Wald lauern könnte. Einer archaischen Falle wird genauso wenig weitere Beachtung geschenkt, wie dem einen oder anderen Tierkadaver.

Pål Øie weiß, wie man mit menschlichen Urängsten spielt, die von den Protagonisten direkt in die Köpfe der Zuschauer transferiert werden und lässt den undurchdringlichen, nebeligen Wald bedrohliche Ausmaße annehmen, bei denen sich jeder Urlauber, nach diesem Film, wohl zweimal überlegen wird, ob er seinen Wochenendtrip in eine einsame Hütte nicht doch noch mal überdenken sollte. Mit Hilfe der sehr effektiven Soundkulisse und Kameraperspektiven, die einen unsichtbaren Beobachter suggerieren, vermittelt er ständig, drückende Bedrohlichkeit, die nachts noch an Effektivität zulegt, wenn die Charaktere, nur mit Taschenlampen bewaffnet, durch den unheimlichen Wald laufen. Verfolgermotiv wechselt mit der Egoperspektive der verängstigten Crew, welche dem dünnen Strahl der Taschenlampen folgt und die Soundkulisse bietet knackende Äste wie andere unheimliche Geräusche. Ruhe wird nur zu Beginn geboten, wenn Strippoker gespielt wird, oder sich in der Nahe gelegenen Holzbaracke an die Wäsche gegangen wird. Natürlich ebenfalls nicht frei von einem unheimlichen Ereignis.

Das Grauen steigert sich von Minute zu Minute. Die Gruppe macht plötzlich seltsame Entdeckungen im Wald, die an übersinnliche Kreaturen glauben lassen. Veränderte Orte, werden plötzlich wieder in ihrem Ursprung vorgefunden und Tierkadaver säumen den Wald. Gunnar entwickelt sich augenscheinlich immer mehr zu einem Psychopathen, der mitten in der Nacht Bäume fällt und die Jugendlichen, sofern sie heimlich rauchen oder trinken, mit drakonischen Strafen belegt.

Kontinuierlich und genüsslich spannt Øie das Publikum auf die Folter, lässt mit einer intelligenten und agilen Kameraführung und ein Gefühl der Ausweglosigkeit und Klaustrophobie entstehen, ohne dabei auf gängige Klischees zurückzugreifen. So viel sei verraten: Den Taschenlampen geht nicht in den unmöglichsten Momenten der Saft aus und weder Bigfoot noch Aliens oder Serienkiller hausen zwischen den Bäumen.

Die unheimlichen Erlebnisse häufen sich und nehmen lebensbedrohende Ausmaße an, so das klar wird, das „etwas“ in diesem Wald lebt, aber bis zum überraschenden, temporeichen Ende unklar bleibt, was es/er oder sie ;-) nun ist/sind. Mulder und Scully hätten an diesem Fall jedenfalls ihre wahre Freude gehabt, da final noch genug Raum für Interpretationen und die eigene Phantasie vorhanden ist.

Fazit:
Pål Øies Low-Budget-Streifen „Dark Woods“ gleicht einem Geniestreich, an dem wohl besonders „Blair Witch Project“- Fans (ich selbst hasse den Film) ihren Spaß haben werden. Seit Ewigkeiten waren Wälder nicht mehr so bedrohlich und mit einer drückenden, unheilschwangeren Atmosphäre belegt, die den Zuschauernerven, vorausgesetzt das Zimmer ist abgedunkelt und die Anlage aufgedreht, alles abverlangt. Nicht zuletzt auch durch die unbekannten, aber effektiv aufspielenden Darsteller, die keine Figuren vom Reißbrett abgeben, ist „Dark Woods“ ein Ereignis, mit enormen Spannungsbogen, wie es nur im Independentbereich, für das es ein klares Aushängeschild darstellt, zu finden ist. Jedoch sollte man hier weder Gore noch irgendwelche Monster erwarten, da Øie sich, bis zum Ende, darauf konzentriert mit den Sinnen, Instinkten und Ängsten des menschlichen Wesens zu spielen. Über kleinere Ungereimtheiten sehe ich bei diesem gelungenem Grusel-Horror-Export hinweg. Gerade bei so einem Film will man doch nicht alles ins kleinste Detail erklärt haben. Daher: Ganz großes Lob!

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