Die Hausfrau rupft penibel das Unkraut aus dem gepflegten Garten, das Personal räumt geflissentlich die schmutzigen Stiefel des Hausherrn beiseite, die Kinder spielen, wie Kinder eben so spielen, mit Soldaten – und mit Zähnen.
Die Familie Höß wohnt direkt angrenzend an das größte deutsche Konzentrationslager im NS-Staat, Frau Höß wird von ihrem Gatten „die Königin von Auschwitz“ genannt, wie sie mit einer Mischung aus Stolz und Verlegenheit beiläufig beim Kaffeeklatsch erzählt.
Jonathan Glazer zeigt in THE ZONE OF INTEREST nicht einfach nur die Banalität des Bösen. Er zeigt uns ganz normale Menschen, die mit großem Engagement und höchster Professionalität ihrer Arbeit nachgehen. Für Hedwig Höß ist das, die Vision des Führers von einem vorbildlichen Familienleben zu verwirklichen. Für Rudolf Höß ist das die systematische Vernichtung von Menschen innerhalb eines Systems, das diese Menschen als nicht lebenswert eingestuft hat. Eine Bewertung, die im Übrigen von kaum einer handelnden Person des Films in Frage gestellt wird.
Sandra Hüller spielt Hedwig geschäftig und leicht trampelig, eine Frau der Unterschicht, die durch die Heirat und den Nationalsozialismus den Aufstieg geschafft hat. Christian Friedel spielt den Lagerkommandanten freundlich und fokussiert, ein kinder- und tierliebender Familienmensch, der ganz in seiner Arbeit aufgeht, immer an neuen technischen Innovationen interessiert ist und dessen „Aktion Höß“ traurige Geschichte schrieb. Sein Verkaufsgespräch mit den Herstellern eines neuartigen, besonders effizienten Krematoriums („Dauerbetrieb möglich!“) gehört zu den zynischen Höhepunkten des Films, der an beiläufig geäußerten und im Hintergrund angedeuteten Grausamkeiten nicht arm ist. Die Tonspur ist die eines Horrorfilms, während die Kamera uns einen deutschen Heimatfilm in semidokumentarischem Stil präsentiert.
Das Perfideste an Glazers Film ist jedoch, dass er uns mit Hedwig, Rudolf und ihrer Familie mitfühlen lässt. In Ermangelung anderer Identifikationsfiguren ertappt man sich dabei, tatsächlich so etwas wie Empathie zu empfinden für Hedwig, die befürchtet, ihr Paradies zu verlieren und für Rudolf, der aufgrund seiner Beförderung von Frau und Kindern getrennt wird – so wie man bei einem Suspensethriller hitchcock’scher Manier hofft, der Täter möge nicht erwischt werden.
Vielleicht ist Glazers Film an mancher Stelle etwas zu gezielt künstlerisch geraten, die Kakophonie der Ouvertüre, die Farbblenden, der dokumentarische Einschub am Ende – all das wäre gar nicht unbedingt nötig gewesen, das Geschehen und die Machart entfalten für sich schon eine ausreichend starke soghafte Wirkung. Ein Kunstwerk ist THE ZONE OF INTEREST in jedem Fall. Eines, das noch lange nachwirkt.