"Come and get your love" - die Guardians auf Abschiedstournee
Trilogie-Abschlüsse sind eine verzwickte Angelegenheit. Es gilt alle losen Handlungsfäden zusammen zu führen, allen Helden noch einmal einen ganz persönlichen Schaulaufmoment zu verschaffen und alle Zuschauer mit einem wohligen Gefühl zu entlassen. Vielleicht muten dritte Teile auch deshalb oft ein wenig nach Baukastenprinzip und Risikominimierung an. Während der Auftakt die brennende Lunte legt, der zweite daraufhin ein knalliges Feuerwerk zündet, bleibt dem Finale häufig nur das brave Abklatschen und Zuprosten am kuscheligen Lagerfeuer. Da werden dann die altbekannten Kriegsgeschichten und Anekdoten noch einmal hervorgekramt, der ein oder andere Zwist noch einmal verhandelt, bis man sich endlich bierselig in den Armen liegt.
Dieser Reiseverlauf macht auch vor den glorreichsten Abenteurern nicht halt, ob sie nun Marty und Doc, Han, Luke und Leia, oder einfach nur Indiana heißen. Warum sollten da die popkulturell nicht ganz heran reichenden Galaxis-Schutztruppe rund um den selbstverliebten Walkman-Enthusiasten Peter Quill alias Star-Lord eine Ausnahme bilden? Eben, tun sie nicht, was aber kein Schiffbruch sein muss - und hier auch nicht ist.
Die schräge Truppe - neben Star-Lord bestehend aus einem Badass-Waschbären mit Spitzen IQ (Rocket), zwei Cyborg-Killer Schwestern (Gamorra und Nebula) mit Galaxisvernichter-Vater, einem Baumstamm mit Krippenkinderwortschatz (Groot), einer sanftmütige Empathin mit Manipulations-Fühlern (Mantis) sowie einem wilder Krieger mit unverblümter Offenheit (Drax) - bekommt es auch in ihrem letzten Abenteuer noch einmal mit einem die Galaxis bedrohenden Superschurken zu tun, aber im Kern geht es um innerfamiliäre Statik und große Gefühle. Guardians-Mastermind James Gunn durfte dabei nach seiner zwischenzeitlichen Entlassung wieder das Zepter schwingen und das macht er gewohnt souverän und gewohnt eigenwillig.
Souverän vor allem in seiner Fähigkeit albernen bis grenzwertigen Humor mit traurigen bis tragischen Momenten zu verknüpfen, ohne dass die insgesamte Tonalität ins Trudeln gerät. Sein Kollege Taika Waititi hat unlängst mit "Thor 4" eher unfreiwillig bewiesen, dass dieser Spagat durchaus Finesse erfordert. Also darf Star-Lord nicht nur Kalauer reißen, sondern auch seiner alten Liebe Gamorra nachtrauern und damit vor allem eine Alternativversion der von Avengers-Nemesis Thanos getöteten Assassine (und vielleicht zudem den ein oder anderen Zuschauer) nerven. Also werden im Verlauf der Handlung auch die Tränendrüsen seiner Mitstreiter malträtiert, was ihre üblichen Frotzeleien und Zankereien aber keineswegs ausschließt. Und schließlich ist da noch Rocket. Der so intelligente wie schießfreudige Waschbär ist längst zum unumstrittenen Fanliebling aufgestiegen und daher konsequenterweise nun auch das emotionale Zentrum des Abschlussfilms. Und somit besteht die letzte Mission der Guardians in erster Linie darin, ihren gleich zu Beginn schwer verwundeten Freund vor dem sicheren Tod zu retten.
"Guardians of the Galaxy 3" folgt damit einem klassischen Search-and-rescue-Format, was nicht gerade eine komplexe Handlung impliziert. In solch simplen Szenarien gilt es den Zuschauer ständig bei Laune zu halten, zumal die schon obligatorische Marvel-Schwäche eines austauschbaren und blassen Widersachers zusätzlich ins Kontor schlägt. Glücklicherweise verfügt Gunn über einen prall gefüllten Baukasten, aus dem er sich wieder gewohnt beherzt bedient. Dazu zählen knallbunte und schrille Setdesigns, druckvolle und großflächige Action-Sequenzen sowie ein sorgsam ausgesuchter Score aus 70er-90er-Jahre Popsongs, die die jeweiligen Stimmungen und Bilder perfekt ausmalen.
So weit, so gut. Bleibt nur noch der Stolperstein eines bis zum Finale zur Untätigkeit verdammten Rocket. Jetzt mag man den Kniff ihn in diversen Rückblenden auftreten zu lassen als handelsüblichen Taschenspielertrick abkanzeln, aber es muss nicht immer Houdini sein, manchmal tut es auch der Magier aus dem Wanderzirkus. Jedenfalls geht der Trick, sofern man die Idee als einen solchen sehen will, bestens auf. Nicht nur wird die eigentliche Filmhandlung um den größenwahnsinnigen Weltenerschaffer High Evolutionary mit Rockets Vergangenheit verknüpft, sondern auch die Motivation der Guardians sich diesmal mehr um sich selbst zu kümmern, mit einem emotionalen Punch in die Magengrube untermauert. Die tieftraurige Geschichte um Rockets Lebens- und Leidensweg schrammt sicher an der Rührseligeiskante entlang, verschafft einem ansonsten aber recht inhaltsleeren Film den dringend benötigten Fokus, um sein Publikum mitzunehmen.
Und das gelingt. Je nach Veranlagung gibt es reichlich Stoff für Lachmuskeln, Tränendrüsen oder beides. Der Mix aus Tempo, Bilderrausch und Emotions-Triggern ist ein launiges Blockbuster-Bonbon. Der finale "Guardians of the Galaxy" stellt damit nicht nur die Stärken Gunns, sondern auch noch einmal die des MCU ins Schaufenster und erklärt den enormen Erfolg der Marke über gut zwei Dekaden und gut zwei Dutzend Filme. Trotz seiner inhaltlichen Schwächen und der zur unschönen Gewohnheit gewordenen Überlänge fesselt das letzte Abenteuer der bunten Chaostruppe und beschert dem geneigten Fan eine emotionale Achterbahnfahrt mit Happy End. Das Geheimnis liegt dabei in über viele Jahre und Filme entwickelten Figuren, die einem ans Herz gewachsen sind und irgendwie zur Familie gehören. Mit "Avengers: Endgame" war diese Reise zu Ende, was das ziel- und orientierungslose Mäandern des aktuellen MCU schmerzlich beweist. Die Guardians waren das letzte Überbleibsel dieser goldenen Ära und es bleibt zu hoffen, dass man sie in ihrem wohl verdienten Ruhestand auch in Ruhe lässt.
Wie dem auch sein, James Gunn wird dafür nicht mehr zur Verfügung stehen, schließlich hat er sich nun die Herkulesaufgabe aufgehalst, die gebeutelte DC-Konkurrenz aus dem Tal der Tränen zu führen. Was auch immer die Zukunft in dieser weit, weit entfernten Galaxis bringen mag, dem Marvel Cinematic Universe hat er jedenfalls seinen ganz persönlichen Skurrilitäts-Stempel aufgedrückt. Wahrscheinlich hören sie dort bereits den Score zu "Guardians 3" in Dauerschleife und trällern wehmütig den Rainbow-Klassiker: "Since you been gone".