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Als "Io ho paura" 1977 von Damiano Damiani in die italienischen Kinos kam, befand sich das Land in einem Ausnahmezustand. Die terroristischen Akte der "Roten Brigaden" wurden immer gewalttätiger, seit dem sie 1976 den Staatsanwalt Francesco Coco gezielt ermordet hatten. Der Beginn der blutigen Aktionen der ursprünglich aus der 68er Studentenbewegung entstandenen Gruppe, geht auf das Jahr 1969 zurück, als in Mailand auf der Piazza Fontana eine Bombe explodierte, die 16 Menschen tötete. Die "Roten Brigaden" empfanden den Anschlag als "eine Kriegserklärung an die linke Bewegung" (Renato Curcio, Gründungsmitglied). Erst viel später wurde von offizieller Seite her festgestellt, dass die Hintermänner des Anschlags aus dem faschistischen Milieu stammten.

Wie nah Damiani mit seinem Film den Nerv der Zeit traf, sieht man auch an den kommenden Ereignissen - die Entführung und Ermordung Aldo Moros durch die "Roten Brigaden" 1978 und besonders 1980 der Bombenanschlag auf den Hauptbahnhof von Bologna durch die rechtsradikale "Nuclei Armati Rivoluzionari", bei dem 85 Menschen starben. Diese Terrororganisation hatte schon seit den frühen 70er Jahren begonnen, Attentate auszuüben, die aber jedesmal den Linksradikalen zugeordnet wurden. Selbst nach dem verheerenden Attentat in Bologna verbat sich der kommunistische Bürgermeister "die Krokodilstränen" der führenden Politiker, weil er ahnte, dass die eigentlichen Hintermänner geschützt würden. Diese hatten offensichtlich Kontakte zu den höchsten Kreisen, die an einer "Strategie der Spannung" interessiert waren. Dabei hatten sich die Grenzen zur organisierten Kriminalität längst verwischt.

Damiano Damiani konnte 1977 diese Hintergründe noch nicht kennen, die erst in den 90er Jahren aufgeklärt wurden, weshalb er in seinem Film auf konkrete Verweise verzichtete. Trotzdem entsprechen die hier gezeigten Verflechtungen zwischen Drogenkriminalität, Geheimdiensten und rechtsgerichteten politischen Kreisen in geradezu frappierender Weise einer Realität, die bis in die Gegenwart reicht. Auch der Bombenanschlag auf einen Zug, auf den Damiani im Film verweist, ähnelt dem Anschlag auf den Zug Rom-Messina aus dem Jahr 1970, bei dem 6 Menschen ums Leben kamen, und von dem inzwischen bekannt ist, dass er durch die faschistische Terrorgruppe ausgeführt wurde.

Das "Io ho paura" so zeitlos ist, liegt nicht alleine an seiner politischen Relevanz, sondern an Damianis eigentlichem Thema - die "Angst" ,ein Gefühl, dass in den 70er Jahren in Italien, angesichts der vielen zivilen Opfer, allgegenwärtig war. Es ist diese Emotion, die der Film in unmittelbarster Weise auch heute noch seinem Betrachter vermittelt, die ihn weit über ähnliche Werke des Genres hinausführt. Damianis nüchterner, fast pragmatischer Stil, verbunden mit einer so eindringlichen wie zurückhaltenden Filmmusik von Riz Ortolani, transportiert dieses Lebensgefühl deutlicher, als es jeder übertriebenen Dramatik möglich wäre. Es ist das Alltägliche, welches fast nebenbei geschieht, dass so furchteinflössend ist.

Schon die Eingangssequenz ist in ihrer genialen Klarheit kaum beeindruckender zu gestalten. Zwei Männer gehen zu einem Kiosk, um die "Gazzetto dello Sport" zu erwerben. Nach kurzem Höflichkeitsgeplänkel überlässt der eigentlich zuerst Anwesende dem Anderen die Zeitung und nimmt eine andere. Beide gehen zu ihrem Fahrzeug zurück. Derjenige mit der "Gazzetto dello Sport" legt eine Waffe auf seinen Beifahrersitz und beginnt zu lesen, während der andere in einen Transporter steigt, in dessen Fonds sich zwei Männer befinden. Als er eine Frau auf einem Balkon erblickt, gibt er den zwei Männern ein Zeichen, worauf diese sich mit einem Maschinengewehr bewaffnen, aus dem Wagen treten, und in aller Ruhe ihren Job machen. Der Eine erschiesst den Mann mit der "Gazzetto dello Sport", der Andere den Mann, der gerade aus dem Hausflur tritt - einen Staatsanwalt, wie sich später herausstellt, und den Polizisten, der ihn beschützen sollte.

Ludovico Graziano (Gian Maria Volontè), der mit seinem Partner gerade in der Nähe war, versucht die Attentäter aufzuhalten, aber sie sind chancenlos gegen deren schwere Bewaffnung. Wie üblich gibt es in Damianis Filmen nur wenige Action-Sequenzen, die aber gleichzeitig so beeindruckend gestaltet sind, dass ihre Wirkung um so stärker nachhallt. Gerade in ihrer Kürze liegt die eigentliche Qualität, denn diese vermittelt keinen Kampf oder Gegenwehr, sondern ein rigoroses Hinrichten ohne Vorwarnung und Gnade. Der Tod kann jederzeit eintreten.

Nicht erstaunlich, dass diese Ereignisse Proteste bei den Polizisten hervorrufen, die sich nicht abschlachten lassen wollen. Der Beamte Graziano hat dazu auch keine Lust, wenn er sich auch nicht an den lautstarken Protesten beteiligt. Gian Maria Volontè spielt den Polizisten, der die Aufgabe erhält, den älteren Untersuchungsrichter Cancedda (Erland Josephson) zu beschützen, ohne heldenhafte Attitüde. Dabei fällt seine leicht gebückte Haltung auf, sein langsamer Gang und die ruhige Stimme. Mit wenigen Strichen zeichnet Damiani hier einen Charakter, der seine Ruhe haben will und unfreiwillig in den Komplott hineingezogen wird. Auch die private Seite mit seiner Freundin Gloria (Angelica Ippolito) und der Tochter aus einer früheren Beziehung, die er nur sehr selten sieht, runden das Bild eines einfachen Menschen ab, der eher unpolitisch denkt.

Seht viel Zeit lässt sich Damiani für die Entwicklung der Beziehung zwischen dem Untersuchungsrichter und dem ihn beschützenden Polizisten. Zuerst will Cancedda nichts von seinem Bewacher wissen, der sich nicht abschütteln lässt, aber mit der Zeit werden ihre Gespräche intensiver. Damit erhebt Damiani den Film auf eine zweite Ebene - die des Vertrauens. Ebenso, wie der Tod an jeder Ecke lauern kann, wird es immer schwieriger, einschätzen zu können, wem man vertrauen kann. Jedes Klingeln an der Tür, unvorhergesehene Geräusche oder auch nur unbekannte Personen, die sich zufällig am selben Ort aufhalten, lassen sofort "Ängste" entstehen, und um so mehr die beiden Protagonisten gemeinsam die Spuren einer rechtsgerichteten Verschwörung verfolgen, um so mehr sind sie aufeinander angewiesen. Sie trennen sich kaum noch, weil sie sich nur gegenseitig vertrauen können, besonders, nachdem ein Zeuge nach dem anderen stirbt. Doch Cancedda benötigt weitere Personen, um seine Erkenntnisse auch in rechtliche Konsequenzen umsetzen zu können...

Damiani unterteilt seinen fast zweistündigen Film in zwei Teile - den passiven und den aktiven Teil. Während in der ersten Phase Graziano nur wenig bewusst wird, worauf er sich einlässt, und sich das Gefühl des Ausgeliefertseins steigert, beginnt er im zweiten Teil zu handeln. Das hat nichts von heroischer Actionhaftigkeit, sondern bedeutet ein vorsichtiges Herantasten an die Täter, besonders nachdem der junge Untersuchungsrichter Moser (Mario Adorf) sein Misstrauen geweckt hat.

Auch in dieser Phase kann sich Graziano nie wirklich sicher sein, plötzlich von unbekannter Seite erwischt zu werden. Wie nah ihm die Mörder kommen, streut Damiani fast nebenbei ein - besonders erschreckend in der Szene mit einem befreundeten Journalisten. Dieser hatte ihm mit einer fingierten Nachricht geholfen, aber nachdem er plötzlich einen merkwürdigen Anruf von ihm erhielt, eilt er in dessen Büro. Der Betrachter ahnt schon, dass etwas passiert sein muss, aber man sieht nur, wie Graziano den Vorhang aufzieht und seine Freundin, die ihm nachgekommen ist, auf ihn zugeht. Er nimmt sie ganz ruhig und führt sie aus den Räumlichkeiten wieder heraus. Erst bei dem Schwenk der Kamera zum Ausgang, wirft diese einen sekundenlangen Blick auf das Innere des Raumes, wo zwei Leichen liegen.

Es ist diese Mischung aus konkreter Gefahr und der Beiläufigkeit der Bilder, die den Stil von "Io ho paura" ausmachen. Damiani gelingt eine angsterfüllte Atmosphäre, die kaum an Erlösung glauben lässt, auch wenn Grazianos Aktivitäten noch einen Rest von Hoffnung aufrecht erhalten. In diesem Zwiespalt gefangen, leidet der Betrachter mit seinem Protagonisten, aber Damiano Damiani behielt ein gutes Gespür für die tatsächlichen Realitäten und zog daraus die richtigen Schlüsse (9,5/10).

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