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15 Jahre nach dem wenig geliebten, oft über Gebühr niedergemachten „Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels“, nach Reboot-Ideen mit Chris Pratt in der Titelrolle, sollte der Held doch noch ein weiteres Sequel in Originalbesetzung mit „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ bekommen.
Der Auftakt ist in mehrerlei Hinsicht eine Leistungsschau, vor allem in Sachen De-Aging. Harrison Ford spielt Indy in digital verjüngter Version und trotz kleinerer Patzer sieht es fast durchweg überzeugend aus, wenn man den Helden gegen Ende des Zweiten Weltkriegs in Action sieht. Gemeinsam mit seinem Kumpel Basil Shaw (Toby Jones) sucht er im besetzten Polen nach einem Artefakt, stößt dort auf den Nazi-Wissenschaftler Dr. Jürgen Voller (Mads Mikkelsen) und ein anderes Artefakt, nämlich eine Hälfte des Rades der Zeit von Archimedes. Das gute Stück hält Indy am Ende des Prologs auch in Händen, muss aber rasante 20 Minuten mit Nazi-Verkloppen und waghalsigen Stunts überstehen, die richtig Laune machen, auch wenn kleine Unschönheiten wie Indys Nicht-Plan beim drohenden Erhängungstod oder der anscheinend vorhandene Cheat Code von Nazi-Oberst Weber (Thomas Kretschmann) bei der Fortbewegung auf dem Zug auffallen.
Sprung in die Filmgegenwart von 1969, in der vom heroischen Abenteurer nicht viel geblieben ist. Indy ist von seiner Frau Marion Ravenwood (Karen Allen) getrennt, hält wenig enthusiastisch Vorlesungen an einem New Yorker College und geht in den Ruhestand. Ein unerwarteter Besuch seiner Patentochter Helena Shaw (Phoebe Waller-Bridge) bringt das Leben des grummeligen Senioren, der sich morgens von der Musik seiner Hippie-Nachbarn gestört fühlt, gehörig durcheinander, sucht sie doch das halbe Rad des Schicksals, angeblich für ihre Doktorarbeit. Doch kaum hält sie es in Händen, so büxt das neue Sidekick-Material schon damit aus.

Zeitgleich tauchen auch Voller, der im Wernher-von-Braun-Stil nach Kriegsende zum gefragten Wissenschaftler in US-Diensten wurde, und seine Schergen auf, die ebenfalls das Rad des Schicksals finden wollen. Voller glaubt daran, dass man damit durch die Zeit reisen kann und will die Niederlage Nazi-Deutschlands verhindern. Also muss sich auch Indy noch einmal als Schatzjäger versuchen…
Zuerst die große Überraschung: Harrison Ford, der eigentlich schon im vierten Teil zu alt für die Rolle war und aktuell eh nur seinen bekanntesten Figuren ein letztes Hurra verpasst, funktioniert immer noch überraschend brauchbar. Nach einer Solala-Anfangsphase als semi-depressiver Grummelbart macht er doch Laune als alter Abenteurer, das eigene Altern ironisch kommentiert, zumal das Drehbuch ihm auch keine Super-Renter-Fähigkeiten an die Backe schreibt. Es ist vielleicht keine grandiose, aber eine recht gelungene Abschiedsvorstellung, selbst wenn es sie eigentlich nicht gebraucht hätte. Phoebe Waller-Bridge macht einen guten Job in der Rolle des selbstsüchtigen Schlitzohrs, das natürlich irgendwann geläutert wird. Ein Standardpart, über den sich vermutlich niemand so negativ das Maul zerrissen hätte, wenn er wie schon gefühlte 347 Mal zuvor von einem Mann gespielt worden wäre. Antonio Banderas hat eine wenig einprägsame Nebenrolle als alter Kumpel Indys, während die Schurken richtig glänzen können. Mads Mikkelsen als von Ehrgeiz und Bosheit zerfressener Oberschurke nimmt die Schauspielkrone für diesen Film nach Hause mit, während Thomas Kretschmann zwar nur in der Auftaktszene zu sehen ist, dort aber Akzente setzt. Boyd Holbrook als mordlustige rechte Hand Vollers und Olivier Richters als massiver Schlagetot bleiben ebenfalls in Erinnerung, während Indy-Jones-Veteranen wie Karen Allen und John Rhys-Davies Gastrollen haben.
Ja, „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ will wirklich alles noch mal zusammentauen, weshalb es nur so von Anspielungen und Zitaten Richtung der früheren Filme wimmelt. Beim Tauchgang muss sich Indy natürlich schlangenartigen Aalen auseinandersetzen, der junge Teddy (Ethann Isidore) lässt Erinnerungen an Short Round hochkommen, aus Teil zwei übernimmt man auch den Marsch durch eine Kammer voller Krabbelvieh. Manches frühere Abenteuer im Dialog erwähnt und auch sonst kopiert Regisseur James Mangold den patentierten Spielberg-Stil reichlich stimmig und lässt die weltbekannte Erkennungsmelodie von John Williams erklingen. Teilweise findet er auch richtig starke Bilder, etwa bei den Unterwasseraufnahmen während eines Tauchgangs.

Handlungstechnisch ist das gewohnte Kost, in welcher das Artefakt ein besserer MacGuffin ist, hinter dem mehrere Parteien über diverse Kontinente herjagen. Dabei werden manche Indy-Trademarks leider vernachlässigt: Fallen muss der Held dieses Mal gar nicht überwinden und auch das Rätseln beschränkt sich in erster Linie auf das Entschlüsseln einer Wachstafel und das Deuten von Hinweisen in einer Höhle. Meist klauen sich die Parteien gegenseitig nur die Hälfte vom Rad des Schicksals, mit unterschiedlichen Motiven. Voller will den nachträglichen Endsieg, Indy will dies verhindern und Helena will in erster Linie Kohle. Sie und ihr Patenonkel käbbeln sich dann auch mit etwas okayer Buddy-Komik, während die Schlitzohrigkeit der angehenden Schatzjägerin sie mal aus Schwierigkeiten herausholt, sie manchmal erst recht hineinbringt, etwa wenn ein gelinkter Verlobter auftaucht, der leider der Sohn eines Gangsterbosses ist.
Die Bilderbuchschurken sind reichlich fies und gehen derart freudig über Leichen, dass man sich manchmal weniger an die früheren Indiana-Jones-Filme und eher die Terroristen aus Actionfilmen wie „Sudden Death“, „Alarmstufe: Rot“ oder „Olympus Has Fallen“ erinnert fühlt. Einen irritierend kaltblütigen Moment hat aber auch Teddy, wenn er einen Schergen unter Wasser mit einer Handschelle an ein Gitter kettet. Der Goon ist sicherlich ein Killer und hat wenig Mitleid verdient, aber ein Kind, das einen Menschen in den Tod durch Ertrinken schickt, das ist schon etwas krass.

Insgesamt betrachtet ist die erste Hälfte von „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ sicherlich die bessere. Auf den tempo- und actionreichen Prolog folgen noch zwei weitere tolle Set Pieces: Erst eine Hatz durch New York, später eine Verfolgungsjagd durch Tanger, bei der vor allem Tuk-Tuks eine wichtige Rolle spielen. Vieles davon ist handgemacht, die CGI-Nachhilfen merkt man allerdings auch, etwa beim Fliegerangriff auf den Zug oder manchem Sprung von Tuk-Tuk zu Tuk-Tuk, hin und wieder kaschiert man auch durch wackelige Nahaufnahmen, dass dort kein großer Stunt stattgefunden hat. Doch das hat alles schon reichlich Verve und Tempo, lässt Erinnerungen an die ursprüngliche Trilogie aufleben, ohne dass man freilich deren Niveau erreicht.
In Hälfte zwei lässt die Action dann zunehmend nach. Der Tauchgang ist zwar toll bebildert, könnte aber spektakulärer sein, eine Höhlen-Expedition ist nicht mehr als brauchbarer Standard. So richtig düster wird es dann im Finale. Hatte schon Teil 4 damit zu kämpfen, dass man sich über das Maß an Phantastik hinausbewegte, den ein Großteil des Publikums im Jones-Kontext zu akzeptieren vermag, so setzt „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ nochmal einen drauf. Immerhin ist man hier besser darauf vorbereitet, da ja regelmäßig über die Kräfte des Artefakts gesprochen. Vor allem aber ist das Finale, das größtenteils an Bord eines Flugzeugs spielt, schlicht und einfach sacklangweilig, ja fast schon unspektakulär anzusehen. Einer seltsamen Charakterentwicklung Indys wird glücklicherweise mittels Faustschlag in die Fresse ein Riegel vorgeschoben, anschließend gibt es noch einen Epilog, der zwar etwas bemüht wirkt, aber doch ganz putzig ist und die Reihe hoffentlich in den verdienten Ruhestand schickt.

So mag man sich vor dem Film gefragt haben, ob das Rad des Schicksals an Harrison Fords Rollator sitzt bzw. der Dial of Destiny an seinem Hausnotruf, aber er schultert den Film überraschend gut, wenn auch nicht fehlerfrei. In Hälfte eins ist „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ dann auch eine launige Action-Adventure-Nummer, die nicht ganz den Charme der Vorgänger besitzt, aber doch mit guten Set Pieces überzeugt. Das lässt in Hälfte zwei bis zum furchtbar öden Showdown nach, sodass „Indiana Jones und das Rad des Schicksals“ einen durchwachsenen Eindruck hinterlässt. Jetzt darf aber auch wirklich Schluss sein. 5,5 Punkte.

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