Von Wärtern und Gefangenen – 09.12.2007
Es gab einmal ein Experiment, bei dem Versuchspersonen vermeintlich Elektroschocks verabreicht wurden. Das erstaunliche daran war, daß die Verabreichenden legitimiert waren, die Stromdosis zu vergrößern. Sie befolgten nur Anordnungen von beobachtenden Wissenschaftlern und drehten auf Kommando die Dosis auch bis zu tödlicher Höhe. Was sie nicht wußten, war, daß die unter Strom gesetzten Versuchspersonen nur Schauspieler waren und den Elektroschock nur mimten. Aber nichts hielt die Stromgeber davon ab, die andere Gruppe immer stärker elektrozuschocken – und so konnte man einen tiefen Einblick in die Psyche der Menschen erhalten. Ein sehr ähnlicher Versuch liegt der Geschichte dieses Films zugrunde, denn auch hier sehen wir Menschen ihre Macht über die Grenzen des Verträglichen ausspielen.
Vierzehn Tage sollen zwei Gruppen miteinander auskommen. Für 4.000 € nehmen zwanzig Männer an einem Versuch teil, acht davon als Wärter, zwölf als Gefangene, aber immer unter Beobachtung von Wissenschaftlern. Doch schon am dritten Tag beginnt die Situation zu eskalieren, denn einer der Häftlinge, Tarek, ist als verdeckter Reporter Teil des Experiments und versucht von Anfang an, die Probanden untereinander aufzuhetzen. Als Nebenhandlung sehen wir eine Liebesgeschichte zwischen Tarek und einer Dame, wobei die beiden sich kurz vor dem Experiment erst kennengelernt haben. Diese Nebenhandlung, wiewohl am Ende für den Film sinnvoll, hemmt den Fortgang der Handlung gewaltig und hätte auf andere Art gelöst werden können. Aber nur so kommt der Film auf eine Laufzeit von zwei Stunden, und da es Fördergelder gab, war diese Liebesgeschichte vielleicht notwendig, um an das Geld zu kommen. Die Wege der Fördergeber sind unergründlich…
Aber der Film ist in der Tat beeindruckend und von allen Darstellern wirklich gut gespielt. Sicher dient die Eskalation dem großen Publikum, und unter wirklichen Versuchsbedingungen wäre das Experiment sicher abgebrochen worden. Doch das Gezeigte erscheint jederzeit glaubwürdig, zumal alle Versuchteilnehmer Menschen wie Du und ich sind, Leute, die einfach nur schnell ein paar Taler verdienen wollten und dafür auch ganz leicht über gewisse Grenzen gehen. Leider bremst die Liebesgeschichte den Fortgang der Eskalation immer wider aus, und auch unnötige Traumsequenzen sind der Handlung eher abträglich. Dennoch ist es häßlich, mitansehen zu müssen, wie Menschen nach kurzer Zeit die Grenzen der Menschlichkeit vergessen, sich atavistisch verhalten, ihre Rollenmuster bis über das Erträgliche hinaus auskosten und so dafür sorgen, daß man auf gar keinen Fall irgendwelchen Wärtern ausgeliefert sein möchte. Insgesamt ein guter Beitrag zum Thema Gefängnisfilm, leider aber länglich und mit einem Nebenschauplatz zuviel – 7/10.