Review

Die JOHN WICK Reihe ist ein echtes Phänomen: Was 2014 als simples, aber kompetent inszeniertes Altstar-Vehikel à la TAKEN begann, hat sich über die Jahre zur Messlatte des modernen Actionfilms entwickelt. Selten wurde ein vierter Teil in diesem Genre so gehypt und gelobt, einzig MAD MAX: FURY ROAD kommt einem als Referenz in den Sinn.

Der neue JOHN WICK ist allerdings, der „pun“ sei gestattet, ein zweischneidiges Schwert. Überzeugten die Vorgänger noch durch eine sehr straighte, wenn auch rudimentäre Story, von der das abstruse Worldbuilding („High Table“!, „Tickets“!, „Crests“!) nur gelegentlich ablenkte, so spielt in „Kapitel 4“ eben diese Fantasiewelt der ominösen Hierarchien und Rituale eine deutlich einschneidendere Rolle, was den Film leider unnötig aufbläht (Laufzeit: 169 Minuten!) und bisweilen etwas ins Lächerliche zieht. Meetings unter dem Eiffelturm, ein Duell vor Sacre Coeur, ein Galgen in der russischen Kirche und ein nobler Reitstall voller fechtender Models auf Pferden – das ist schon alles sehr infantil und pathetisch und wäre selbst James Bond in seiner MOONRAKER-Phase zu albern gewesen. Und obwohl der Film in den Babelsberger Studios gedreht wurde, hat den Machern wohl niemand gesagt, dass „Himmel Hölle“ vielleicht nicht der geeignetste Name für einen coolen Szeneclub à la Berghain ist.

Sieht man über all diese Details hinweg (was nicht immer leicht ist), hat man ja zumindest noch die Actionszenen – das Herz des JW-Franchises. Und natürlich sehen diese wie immer fantastisch aus – fast jede Szene ist ausgeleuchtet wie ein Coldplay-Konzert – und sind rasant inszeniert, doch wird der Standard hier eher gehalten als gehoben. Die harten Gun-Fu-Fights kennt man mittlerweile, dass hier im ersten Kampf noch Pfeil und Bogen dazukommen, ist eine nette Ergänzung, aber eher Evolution als Revolution. Zudem trägt hier so gut wie jeder Gegner entweder eine Ganzkörperrüstung oder einen Kevlar-Anzug, um es Herrn Wick ja nicht zu leicht zu machen. So spart man auch Stuntpersonal, denn jeder Baddie muss hier mindestens dreimal gekillt werden, bis er sich nicht mehr rührt. Einzige Standout-Sequenz ist eine ausgedehnte Kampfszene in den nächtlichen Straßen von Paris, inklusive Boxauto-Runde um den Arc de Triomphe (in Gegenrichtung, versteht sich) und einem Häuserkampf in Vogelperspektive mit explosiven Shotgun-Geschossen.

Dass der Verkehr um den Triumpfbogen einfach weiterfließt, obwohl mittendrin mehrere Karambolagen und eine wilde Schießerei im Gange sind und dass die Partygänger in der Berliner Disco unbeeindruckt weitertanzen, während sich neben ihnen Menschen mit Äxten abschlachten, kann man wahlweise als oberflächliche Inszenierung oder gekonnte Künstlichkeit interpretieren.

Geteilter Meinung kann man auch über ein paar wohl humoristisch gemeinte Einlagen sein. Etwa, wenn sich Donnie Yen in seinem ersten Fight an einer Hommage an Jackie Chan versucht. Oder wenn ein bis zur Unkenntlichkeit maskierter Scott Adkins – ein Stuntcasting in mehrfacher Hinsicht – im Fatsuit gegen Wick antritt und sich beim Kampf aber leider so gar nicht übergewichtig bewegt.

Dennoch sind Altmeister Yen als blinder (!) Superkiller und Newcomer Shamier Anderson als unberechenbarer „Tracker“, dessen Begleiter offensichtlich in der selben Hundeschule war wie Halle Berrys Vierbeiner aus Teil 3, eine willkommene Bereicherung, die dem Film zumindest ein wenig emotionale Tiefe verleihen.

Letztlich muss man jedoch konstatieren, dass die Reihe mit JOHN WICK 3 – PARABELLUM ihren Zenith bereits erreicht hatte. Sollten weitere Teile folgen, wäre eine Besinnung auf die reduzierte Formel des Originals empfehlenswert.

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