Review
von Leimbacher-Mario
Hand der Teufel
„Talk To Me“ von den Zwillingsbrüdern Phillippou wird schon völlig zurecht in Genrekreisen als Kandidaten für den „besten Horror des Jahres“ gelistet. Und solche turmhohen Erwartungen erfüllt das Projekt der beiden Horrorfans und YouTuber sogar… Wow! Handlung: als eine Art perfider Partygag erlangt eine mysteriöse Keramikhand im Netz Berühmtheit, durch die man scheinbar einen Geist in seinen Körper für eine kurze Zeit einladen kann. Doch was sich lesen kann wie die nächste austauschbare Blumhouse-Ware a la „Truth or Dare“, ist in Wahrheit ein unfassbarer Schocker, Gänsehautgarant und ein ziemliches Höllengemälde gleichermaßen. Ein kommender Hit!
Check… nicht Mate!
Wenn YouTuber als Horror- und Genrefans meinen, plötzlich selbst Filme drehen und ihren Traum erfüllen zu müssen, kommt da nicht selten suboptimaler Found Footage-Schnarch bei raus, der kaum Lust auf mehr macht. Bei Danny und Michael Philippou und ihrem „Talk To Me“ ist das nicht im Geringsten so. Das garstige Brett von einem Grusler ist alles andere als dahingerotzt oder untalentiert. Ganz im Gegenteil, für mich ist das Teil jetzt schon einer der besten Horrorfilme des Jahres, wahrscheinlich des Jahrzehnts. Hype und Vorschusslorbeeren gehen klar, sind gar zwingend notwendig. Was sich auf dem Papier wie generischer Blumhouse-Horror lesen lässt, ist in der Tat ein ganz unangenehmer und schmerzhafter Höllentrip. Die Generation Instagram kann auch hier anfangs nerven, das Ende kommt etwas plötzlich, ein großes Finale fehlt und der Soundtrack hätte ruhig noch aufdrehen und sich dem restlichen Niveau anpassen können. Doch ansonsten ist das nahezu fehlerfrei. Ein maximal gruseliger Wurf. Die Darsteller spielen intensiv, das Make-Up hat positives Alptraumpotenzial, selbst Jumpscares sitzen. Die Atmosphäre spaßt nicht und der Einfluss von „It Follows“ ist spürbar. Für mich immer ein Plus. Sofort merkt man, dass hier spätestens ab einem gewissen Punkt keine Witze mehr gemacht werden. Aber auch das Intro ist schon düster, atemraubend und hart genug. Das tut richtig weh und ist definitiv kein „Gore zum Lachen“. Sicher ein Werk, vor dem auch neuere Horrortalente wie Eggers oder Aster den Hut ziehen. Ich als Fan gleich mit. Nicht nur ein Festivalbanger, sondern etwas Bleibendes. Und auch etwas, dass ohne Frage die dargestellte Generation abholen wird - und somit in den kommenden Monaten sicher Wellen schlagen wird, weit über eingefleischtere Genrefans wie uns. Wundert euch also nicht, wenn eure 16-jährige Cousine bald ebenfalls über diese filmische „Mutprobe“ euphorisch bis verstört berichtet. „Talk To Me“ ist meisterklassig und voll am Zeitgeist. Allein manch ein Kameratrick, Flurstück oder der kurze Einblick in die Welt der Toten bietet mehr „Holy Shit!“ als die letzten sechs Hellraiser zusammen. Als ob man die fehlende Alptraumsequenz aus „Event Horizon“ doch endlich wiedergefunden hätte. Krass!
Fazit: das gruseligste, kompetenteste und effektivste Horrorregiedebüt seit „Hereditary“. Schweißtreibend, erbarmungslos und soooo gut! Instant Classic-Alarm blinkt nervös. Meine Hände haben geschwitzt. Das hat man selten!