Immer wieder werden westliche Filmemacher angeheuert, um chinesische Actionware mit Hollywood-Know-How zu inszenieren. Nach Renny Harlin („Bodies at Rest“) und Simon West („Skyfire“) war es an Scott Waugh, der erst unter Titeln wie „SNAFU“ Jackie Chan und Sylvester Stallone gemeinsam dirigieren sollte. Stallone sprang irgendwann ab, John Cena übernahm, verscherzte es sich dann aber mit der chinesischen Obrigkeit, als er Taiwan während eines Interviews zu „Fast & Furious 9“ als Land bezeichnete. Dann wanderte „Project X-Traction“, wie der Film mittlerweile hieß, erstmal für ein paar Jahre in den Giftschrank, ehe er an Netflix verkauft wurde. Die benannten ihn dann in „Hidden Strike“ um, wahrscheinlich wegen der Namensähnlichkeit zur hauseigenen „Extraction“-Franchise um Tyler Rake.
„Hidden Strike“ spielt in einer nahen Zukunft nach ominösen Ölkriegen, ist aber ansonsten ein Gegenwartsactionfilm. Eine chinesische Raffinerie wird belagert, weshalb eine chinesische Spezialeinheit unter der Führung von Dragon Lou (Jackie Chan) das örtliche Personal evakuieren soll, darunter seine entfremdete Tochter Mei (Ma Chunrui). Der US-Söldner Chris Van Horne (John Cena) lebt derweil in der Wüste und will dem Geschäft den Rücken kehren, um sich um ein Dorf voller Waisenkinder zu kümmern. Dummerweise ist die Wasserpumpe hinüber und die ist kostspielig zu reparieren. Somit sind beide Hauptfiguren eigentlich herzensgute Kerle, mit Fehlern, aber von der Sorte, dass eher die Umstände als ihr Wesen sie gegeneinander aufbringen.
Genau das passiert, als sich Chris von seinem Bruder Henry (Amadeus Serafini) dazu überreden lässt bei einem Coup mitzumachen, bei dem die Söldnertruppe der Van Hornes den chinesischen Konvoi überfällt und die Projektleiterin des Ölkonzerns sowie einige Mitarbeiter entführt. Der Überfall findet auf dem Highway of Death statt, den es in ähnlicher Form auch in der Realität gab, nämlich auf Straßen zwischen Kuwait und Basra während des Zweiten Golfkriegs. Hier ist es eine Straße voller Autowracks, die ein leichtes Endzeitfeeling rüberbringt, wie auch der erfolgreiche Zugriff der westlichen Söldner an „Mad Max: Fury Road“ erinnert.
Nach dem Coup muss Chris jedoch feststellen, dass der skrupellose Paddock (Pilou Asbæk) hinter der Sache steckt und jede Menge Öl klauen will. Er zieht von dannen, will nur noch seinen Lohn, aber nichts mehr mit der Sache zu tun haben, wird jedoch von Dragon Lou gefunden, der nach den entführten Geiseln sucht. Nach anfänglichem Streit arbeiten die beiden Elitekämpfer zusammen, um Paddock das Handwerk zu legen…
Von der Konzeption her ist „Hidden Strike“ eigentlich ein typisches Auf-Nummer-sicher-Projekt. Man paart Jackie Chan als Star fürs einheimische Publikum mit einem Buddy für den westlichen Markt sowie einem versierten westlichen Action-Regisseur, das war ja auch schon bei „Skiptrace“ das Rezept. Chan gibt mal wieder den porentief reinen Idealisten, der es sich in erster Linie mit der Familie verscherzt hat, weil er zu pflichtbewusst war. Ein paar der üblichen Clownereien brechen das Image des unfehlbaren Helden leicht und wecken Erinnerungen an frühere Tage, während seine körperlichen Einsätze altersgerechter ablaufen. John Cena gibt erneut den Muskelmann mit Hang zur Selbstironie, das aber nur so semi-gelungen. Pilou Asbæk als Schurke ist zwar eindimensional, hat aber ordentlich Charisma. Ma Chunrui macht einen soliden Eindruck als weibliche Hauptfigur, während Stunt- und Fight-Profi Tim Man als Handlanger Knox eher durch Ganzkörpertattoos und Martial-Arts-Einsatz als durch wirkliches Schauspiel glänzt.
So ist „Hidden Strike“ dann am ehesten bei sich, wenn die Buddys reichlich Watschen verteilen dürfen. Eine kurze Keilerei zwischen Muskelberg Chris und dem flinken Dragon lässt die Streithähne mal gegeneinander antreten, sonst kloppt und schießt man sich im Doppelpack durch die Schergen. So wirklich wird das erst im Finale ausgespielt, wenn man sich gegenseitig Magazine zuschanzt oder Chris mit einem langen Stahlrohr Prügelunterstützung gibt, während Dragon ein Stockwerk höher rumturnt. Der Kampf Dragon vs. Knox mit Drahtseil- und Schaumeinsatz lässt zumindest kurzfristig an die Choreo-Einfälle früherer Chan-Filme denken. Ganz schmissig sind auch ein Schurken-Überfall auf Chris‘ Heimatdorf sowie der anfängliche Coup mit dem Bus-Kidnapping inszeniert, andere Actionszenen sind eher solides Durchschnittshandwerk.
Nur im letzten Teil des Finales gehen die CGI-Pferde dann mit „Hidden Strike“ durch. Da schnallt man eine Jet-Turbine auf einen LKW, der sich dank Kufenkonstruktion nun mit Rekordgeschwindigkeit durch die Wüste bewegt, während sich Chris selbstverständlich bei schätzungsweise 300 kmh/h an der Seite festhält, ohne vom LKW zu fallen. Dass man die Tanker mit dem gemopsten Öl in Schutt und Asche legt, anstatt die Beute wieder zu sichern, kann man als vertretbares Actionklischee verbuchen, die albern-übertriebenen CGI-Crashes der Tanklastzüge dagegen weniger. Auch die schlussendliche Hängepartie an der Schlucht ist eher mäßig spannendes, weil computerspielartiges CGI-Gehampel. Insgesamt sind die Tricksereien aus dem PC Mittelklasse, trotz des Budgets von 80 Millionen Dollar, was „Hidden Strike“ bisweilen etwas künstlich wirken lässt.
Andrerseits passt das irgendwo zu dem leicht apokalyptischen, futuristischen Touch des Ganzen. Weniger passend dagegen ist der unebene Tonfall. Einerseits ist „Hidden Strike“ nicht zimperlich, wenn Geiseln oder andere Nebenfiguren ohne viel Federlesen exekutiert werden. Außerdem müssen beide Helden mit persönlichen Verlusten und Fehlleistungen umgehen. Andrerseits ist der Humor dann nicht zurückgenommen und passend zu diesen ernsteren Passagen, sondern teilweise ziemlich albern. Negativer Höhepunkt ist jene Kasperei, wenn Dragon und Chris der Horde Waisenkinder „Old McDonald Had a Farm“ vorsingen und sich mit Tierimitationen überbieten. Ähnlich schlimm sind allerdings auch die Kommentare, die Chris über Mei reißt, auf die er ein Auge geworfen hat – der übelste Kalauer ist wenigsten nur in den Outtakes während des Abspanns zu sehen, lässt aber nicht nur Dragon Lou peinlich berührt zurück. Apropos Outtakes: Hier handelt es sich größtenteils um Versprecher, woran man schon erkennt, dass Chans Zeiten voller irrwitziger Stunts und gebrochener Knochen altersbedingt inzwischen vorbei sind.
Sonderlich originell ist „Hidden Strike“ bei alledem nicht. Neben mehrfachen Erinnerungen an den bereits genannten „Mad Max: Fury Road“ wirkt manche Szene zwischen Dragon und Chris wie aus den „Rush Hour“-Filmen abgepaust und nur leicht abgewandelt – gerade der müde Running Gag um falsch verstandene Handzeichen hat etwas von einer bestimmten „Rush Hour 2“-Passage. Die Handlung ist Standard: Pack schlägt sich, Pack verträgt sich und haut anschließend den Schurken in einem Wechsel aus Verteidigungs- und Angriffssituationen die Hucke voll. Die Nebenfiguren sind ebenso egal wie die Subplots um Mei oder die Waisenkinder. Gegen Ende wird es nochmal extrakitschig, weshalb man sich wünscht, dass der Film ein paar Minuten früher vorbei gewesen wäre. Der Showdown endet nämlich mit einem witzigen, nicht ganz erwarteten Gag.
Letzten Endes ist „Hidden Strike“ ein typischer Vertreter des Chan-Spätwerks: Während die Hongkong-Ikone zeigt, was sie auch in fortgeschrittenem Alter noch draufhat, sind die Stunts weniger irrwitzig, der Schusswaffengebrauch etwas mehr und der Einsatz mehr oder weniger doller CGI-Effekte merklich massiver. Humortechnisch ist „Hidden Strike“ mit seinen teilweise peinlichen Blödeleien wenig berauschend, doch dafür liefert Regisseur Scott Waugh immerhin genug Tempo und versierte Actionszenen, um das Endergebnis trotz 08/15-Geschichte und egaler Standardfiguren im Mittelfeld anzusiedeln.