Es sieht nicht sonderlich anheimelnd aus, das neue Zuhause, in das Miu (Angela Bundalovic) nun einzieht: vor allem daß ihre neue Besitzerin Rosella (Dragana Milutinović) sie wie eine Trophäe herumzeigt, kommt dem schweigsamen, schlanken Teenager mit den kurzen dunklen Haaren merkwürdig vor, doch zeigt sie keinerlei Emotionen. Als Glücksbringer ihrer Mutter um einige tausend Kronen abgekauft, muß sie sich nun bei Rosella beweisen, einer Endvierzigerin, die unbedingt noch schwanger werden will.
Deren Bruder Andre allerdings, der im selben Haus unweit von Kopenhagen ein Bordell führt, glaubt nicht an solchen Hokus-Pokus und würde den Neuzugang gerne als Jungfrau für zahlungskräftige Kunden vermarkten, respektiert aber vorerst noch die Eigentümerschaft seiner abergläubischen Schwester. Die läßt sich in Anwesenheit Mius von ihrem abgestumpften Ehemann Sven - den sie nur der Papiere wegen geheiratet hat - besteigen, doch als sich keine Schwangerschaft einstellen will und Rosella stattdessen stark zu bluten beginnt, wandelt sich deren anfängliche Euphorie ins Gegenteil: sie verdächtigt Miu, das Böse in sich zu tragen und flugs ist Letztere in den Keller umquartiert.
Dort wird die weiterhin seltsam unbeteiligt wirkende Miu von den vier anwesenden jungen Sexarbeiterinnen, die hier dank einbehaltener Papiere ein trauriges Dasein fristen, nicht gerade freudig empfangen; immerhin eine von ihnen, Cimona, hilft dem Neuling, offenbart diesem jedoch auch, daß sie bald fliehen will. Miu schließt sich diesem Vorhaben an, doch in der bewußten Nacht verpassen sich beide knapp, und Cimona steigt zu einem Freier ins Auto, in der Hoffnung, schnell wegzukommen. Der Freier Nicklas (Andreas Lykke Jørgensen) jedoch, Sproß einer reichen Dynastie, erwürgt die junge Frau im elterlichen Schweinemastbetrieb. Miu dagegen kommt vorerst in einem nahegelegenen China-Restaurant unter, doch auch deren Besitzerin Mor Hulda (Li Ii Zhang) ist nicht das, was sie vorgibt zu sein, denn hinter der Gastro-Kulisse arbeitet sie mit dem mächtigen chinesischen Mafia-Boss Chiang (Jason Hendil-Forssell) zusammen...
Auch wenn diese kurze Einleitung, die sich hauptsächlich auf die erste von 6 Episoden bezieht, genügend Stoff für einen Milieu-Thiller zu bieten scheint, ist es äußerst schwierig, Copenhagen Cowboy, das neue Werk des dänischen Regisseurs Nicolas Winding Refn (Drive, 2011) inhaltlich zu umreißen - denn zum einen entwickelt sich die Mini-Serie in eine ganz andere Richtung als vermutet, zum anderen tritt der Plot ohnehin in den Hintergrund, da von Anfang an bewußt artifizielle, meist in Neon-Pink und -Blau ausgeleuchtete Szenerien im Vordergrund stehen, in denen der Regisseur exzessiv langsame Kamerafahrten und 360-Grad-Schwenks aneinanderreiht. Kein einziges Mal reden die Darsteller durcheinander, jeder Satz wird langsam und betont zu Ende gesprochen und die meist nachfolgenden Pausen verleihen dem Gesagten teilweise eine besondere Betonung. Untermalt werden diese oftmals nachts spielenden Szenen mit Synthesizerklängen, was die ganze Geschichte überhaupt eher wie eine Traumsequenz erscheinen läßt.
Inhaltlich flacht die Story dann jedoch immer weiter ab: Miu, deren Herkunft bzw. Mission bestenfalls angedeutet, jedoch nie geklärt wird, passiert noch einige Stationen der Kopenhagener Unterwelt, u.a. bekommt sie es mit einem Anwalt vom Balkan zu tun, den sie von früher her zu kennen scheint, später ist sie als Drogenkurier unterwegs und auch dem chinesischen Mafiosi Chiang läuft sie noch einmal über den Weg - dabei agiert das schmale, androgyne Mädchen zunehmend als unbezwingbare Heldin. Lächerlich wirkt dies vor allem dann, wenn sie zwischendurch böse Jungs mit dem mehrfachen ihres eigenen Körpergewichts spielend leicht herumwirbelt, aber zu diesem Zeitpunkt (etwa in den letzten 3 der zwischen jeweils 45 bis 50 Minuten laufenden 6 Episoden) interessiert sich der geneigte Zuschauer (sofern er bis dahin durchgehalten hat) ohnehin weniger für den Plot als nur noch für Form und Präsentation der seltsamen Geschichte, deren surreale Darreichung die Regie bis zum Ende durchzieht.
Und in der Tat macht dann die Präsentation einiger der seltsamen Filmcharaktäre (wie der ungewöhnlich tätowierte Schweinemäster-Filius und Serienkiller Nicklas, sein schwanzfixierter philantropischer Vater oder auch der buddhagleich auftretende Mafiosi Chiang) den Hauptreiz dieser sehr eigenwilligen Serie aus, deren emotionslose Hauptrolle seiner Darstellerin außer stoisch dreinschauen allerdings so gut wie nichts abverlangt. Dennoch darf diese nach einem wenig spektakulären Finale in eine (un?)gewisse Zukunft fortschreiten, womit sich Regisseur Refn ein Hintertürchen für eine weitere Staffel offenhält.
Dem interessierten Publikum spendiert Netflix im Anschluß an die 6 Folgen noch ein fast halbstündiges Making-Of, das der exzentrische Regisseur übrigens - warum auch immer - nicht als Making-Of verstanden wissen will und in dem er bekennt, daß der Titel Copenhagen Cowboy einfach cool klang/klingt, mit dem Inhalt aber eher nichts zu tun hat. Ah ja...
Wer sich auf diese optisch-akustische Spezialität mit seinen betont langsamen Passagen einlassen will, der wird das neonfärbige Mystery-Märchen trotz inhaltlich zunehmenden Leerlaufs zu schätzen wissen - alle anderen lassen besser die Finger davon. Meinerseits 7 Punkte ausdrücklich nur für die beeindruckende Inszenierung & Kameraarbeit.