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Mit Tod Brownings „Dracula“ aus dem Jahr 1931 wurde Vampirgraf in die Riege der klassischen Universal-Monster aufgenommen und seitdem gehört das Studio zu den filmischen Hauptverwaltern des Erbes von Bram Stokers berühmtester Kreation. Mit „Renfield“ wagt sich Universal nun an einen etwas anderen Ansatz.
Wie der Titel schon sagt, geht es weniger um den Vampirfürsten an sich, sondern um seinen Helfer. Im Stil des besagten Browning-Klassikers werden sowohl Renfield (Nicholas Hoult) als auch Dracula (Nicolas Cage) in Schwarz-Weiß-Rückblenden eingeführt, während Renfield seinen Werdegang kurz umreißt. Als Diener des Grafen muss er diesem Opfer beschaffen, damit dieser zu Kräften kommt. Wenn es soweit ist, geht Dracula auf Tötungstour und macht damit Vampirjäger auf das Duo aufmerksam, das danach stiften gehen muss, wonach an einem neuen Ort die ganze Nummer von vorne beginnt. Ein Teufelskreis, aus dem Renfield gern entkommen möchte. Wie sein literarisches Vorbild fängt und verspeist auch er Insekten, jedoch auf nicht ganz so erbärmliche Weise wie Bram Stokers ursprüngliche Kreation: Durch den Verzehr der Tierchen bekommt er kurzzeitig übernatürliche Kräfte, die an seinen Herren erinnern.
In New Orleans, wo sich das Duo aktuell niedergelassen hat, regiert das organisierte Verbrechen. Patin Bellafrancesca Lobo (Shoreh Aghdashloo) führt das Zepter, ihr trotteliger Sohn Tedward (Ben Schwartz) fungiert als ihre rechte Hand. Knatsch mit Renfield ist vorprogrammiert, denn der schlachtet vor allem Verbrecher und andere Leute ab, um die es nicht so schade ist, um seinen Meister zu versorgen und dennoch sein Gewissen möglichst rein zu halten. Auch die Polizistin Rebecca (Awkwafina) hat die Lobos im Visier, gehört aber dummerweise zu den wenigen Cops, die nicht auf der Gehaltsliste des Syndikats stehen. Damit kommt auch eine Portion Polizeifilm in „Renfield“, wenn sich Rebecca über das korrupte System mokiert, allein den Kampf für Gerechtigkeit und gegen Windmühlen führt.

So kreuzen sich auch Renfields und Rebeccas Wege: Der Dracula-Diener ist zugegen, als Lobo-Henchmen die Polizistin ermorden wollen und macht dank seiner Kräfte kurzen Prozess mit ihnen. Er wird als Held gefeiert und fasst den Entschluss sich von seinem Meister zu lösen. Der hat allerdings etwas gegen die Abnabelung seines wichtigsten Helfers…
„Renfield“ ist einerseits eine humorvolle, augenzwinkernde, ironische, etwas andere Interpretation des „Dracula“-Mythos, andrerseits aber auch keine reine Parodie. Wo Renfield bei Stoker eine relativ bemitleidenswerte Gestalt war, die Fliegen fing, um damit eine Spinne zu fangen, um damit eine Ratte zu fangen, um damit eine Katze zu fangen, auf der Suche nach immer größeren Beutetieren, und dafür ins Sanatorium wanderte, ist er hier ein zweigesichtiger Charakter. Einerseits kann er kurzzeitig zu einer Art Superheld mit übermenschlichen Kräften, schnellen Reflexen und Selbstheilung mutieren, andrerseits ist er gegängelter Untergebener in einer toxischen Beziehung. Mittels einer Selbsthilfegruppe, in der Renfield anfangs nur nach möglichen Opfern sucht, macht „Renfield“ diesen Subtext kann schnell zum Teil des Haupttextes. Immer wieder sieht Renfield Parallelen zwischen seiner Situation und jener anderer Betroffener, nur dass manche seiner Ängste deutlich wörtlicher zu nehmen ist – etwa dass sein Peiniger ihn mit einem Fingerschnippen auslöschen könnte. Gespiegelt wird dies durch das Verhältnis von Tedward zu seiner dominanten Mutter, während Rebecca eine Zwischenposition einnimmt: Einerseits will sie unabhängig sein und hilft Renfield dabei aus seiner Hülle auszubrechen, steht andrerseits aber im Schatten ihres ermordeten Vaters.

Aber mit doppelten Böden und komplexen Ebenen hat „Renfield“ weniger am Hut, will eigentlich eher ein Funfilm sein. Als solcher macht er auch ziemlichen Spaß mit seinem schwarzen Humor, der auch mit den Regeln von Vampirmythen spielt. So hat Renfield seinen Herrn und Meister unerwartet in der neuen Wohnung stehen, weil er unbedacht eine Fußmatte mit dem Aufdruck „Come in“ gekauft hat. Die Trefferquote der Gags ist ziemlich gut, schwankt zwischen Wortspielen, splattrigem Slapstick und knackigen Sprüchen, von denen die meisten ins Ziel gehen. Daneben wird auch eine kleine Liebesgeschichte zwischen Renfield und Rebecca angedeutet, die aber nie allzu großen Raum einnimmt, sodass Renfield seinen Stiefel zwischen Horrorkomödie, Abnabelungsgeschichte und Cop-Action in knackigen rund 90 Minuten durchzieht.
So sind die Konfrontationen des Films auch als splattrige Fun-Action angelegt, stark choreographiert von Dan Styles. Renfield hat zwar nur über begrenzte Strecken Superkräfte, dann haut er mit einer Kraft und Bewegungsfreiheit irgendwo zwischen „John Wick“ und einem Superhelden zu, allerdings mit wesentlich krasseren Auswirkungen. Da reißt er einem Gegner die Arme aus, schlägt ein paar Knilche damit tot und benutzt die Gliedmaßen schließlich als Wurfgeschosse, um zwei weitere Widersacher aufzuspießen. Auch die Stunt Coordinators Eric Linden und Chris Brewster bekommen bei der einen Verfolgungsjagd oder dem anderen Autostunt etwas zu tun, Chris McKay inszeniert das Ganze ansprechend und gut über den Film verteilt sind die Schauwerte auch.

Ein großer Schauwert anderer Natur ist Nicolas Cage. Nach seinem Abstieg in den Direct-to-Video-Sumpf und Steuerschulden wurde sein exaltiertes Spiel gern verspottet, ehe er sich mit Werken wie „Mandy“ und „Die Farbe aus dem All“ neue Anerkennung verschaffte, bis zur filmischen Huldigung mit „Massive Talent“. Nun erweist sich als Idealbesetzung für diesen Dracula, den er vom zermatschen schwächlichen Stadium (inkl. Groteskem Make-Up) bis hin zum übernatürlichen Raubtier im gewohnten Cage-Style verkörpert und damit für ordentlich Spaß und Leben in der Bude sorgt. Mit dem facettenreichen Nicholas Hoult hat er einen hervorragenden Anspielpartner: Hoult kann Renfield zwischen unscheinbar und heroisch anlegen, die Hauptrolle mit Präsenz verkörpern, aber seinen Mitspielern genügend Raum lassen, den vor allem Cage gern einnimmt, wenn er auf der Leinwand zu sehen ist. Awkwafina verkörpert ihre gewohnte Rolle, liefert in dieser aber Brauchbares als weibliche Hauptfigur ab und ergänzt sich gut mit Hoult. Auch Ben Schwartz muss seinen Standardpart als überheblicher Chaot kaum variieren, macht das aber gewohnt gut, während der Rest vom Cast zu besseren Stichwortgebern verkommt.
So bleibt die Mafia-Matriarchin eine vollkommen sekundäre Schurkenfigur, trotz all der ihr zugeschriebenen Macht, so bleiben Rebeccas Mitpolizisten kaum unterscheidbare Stereotypen. Entpuppt sich einer davon als korrupt, dann ist das dem Publikum egal, zumal eh so gut wie alle die Hand aufhalten. So ist „Renfield“ dann auch ein flotter Funfilm, aber ohne großen Nährwert, mit relativ einfacher Geschichte und wenig Konsequenz. Meist werden egale Figuren dahingemetzelt und im Abgang kann man durch einen Taschenspielertrick auch noch ein, zwei ansatzweise dramatische Geschehnisse rückgängig machen. Ebenfalls etwas unschön: Viele Highlightszenen verpulvert „Renfield“ bereits im Trailer, auch wenn das Endergebnis immer noch ein flotter Spaß ist.

Insofern bekommt man von „Renfield“ dann auch das, was der Trailer verspricht, aber nicht mehr: Eine flotte, schwarzhumorige Action-Horror-Comedy-Sause mit einem grandiosen Nicolas Cage, einem gut aufgelegten Nicholas Hoult und einigen splattrigen Kampfszenen, aber auch relativ sekundärem Plot. Dafür in angenehmen 93 Minuten serviert und mit einem Release auf Kinoleinwand, das ist doch mehr als nett.

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