Mexiko, 2004: Kurz bevor die Qualifikationen für die Olympischen Spiele in Athen anstehen, zieht sich die Partnerin der Synchron-Turmspringerin Mariel beim Training eine schwere Verletzung zu und scheidet langfristig aus. Mariel, die vor fast fünfzehn Jahren mal Bronze geholt hat, nun stramm auf die 30 zugeht und für die die nächste Olympiade die letzte Chance auf 'ne Gold-Medaille überhaupt darstellt, ist wenig begeistert, dass ihr nun das 14jährige Wunderkind Nadia als Sprung-Partnerin zur Seite gestellt wird. Im Laufe der Vorbereitungen auf Athen kommt es fast zu einem Eklat, als Nadias Mutter Irene den angesehenen Trainer Braulio bezichtigt, ihrer Tochter gegenüber sexuell übergriffig geworden zu sein. Zwar zerschlägt sich der Verdacht schnell wieder, doch während einer Team-Reise erlangt Mariel die Gewissheit, dass Braulio es versteht, seine Schützlinge nach eigenem Gusto zu manipulieren und er sich nicht nur an Nadia rangemacht hat, sondern auch von ihr selbst nicht die Finger lassen konnte, als sie im selben Alter gewesen ist. Nun steht Mariel vor der schwierigen Entscheidung, was schwerer wiegt: Ihre sportlichen Ambitionen oder die Wahrheit ans Licht der Öffentlichkeit zu bringen... Bei "Dive" handelt es sich um einen der besten Filme von 2022, der momentan in der spanischsprachigen Original-Fassung mit deutschen Untertiteln ein ungerechtfertigtes Schattendasein auf Amazon Prime fristet, es allerdings unbedingt verdient hat, ein wenig Aufmerksamkeit zu erhalten und ein breiteres Publikum zu finden, denn immerhin entpuppt sich das Ganze doch als formal brillant gestaltetes und inhaltlich superiores Drama im Sportfilm-Gewand, das sowohl seinen Stoff als auch die Figuren vollumfänglich auslotet. Regisseurin Lucía Puenzo erlaubt sich dabei keinen erzählerischen Durchhänger sondern durchleuchtet ihre Protagonistin Mariel zur Gänze... und vermittelt dem Zuschauer dadurch eine Ahnung sowohl von ihrer athletischen Getriebenheit als auch ihrer inneren Zerrissenheit und erzeugt dadurch eine Mehrdimensionalität, die sich angenehm von den vielen, vielen Abziehbild-Charakteren abhebt, die man sonst in schnöder Hollywood-Ware so vorgesetzt bekommt. Dabei gerät "Dive" mit all seinen atemberaubenden Bild-Kompositionen nicht nur zur inszenatorischen, sondern dank seiner Hauptdarstellerin Karla Souza auch zur schauspielerischen Tour de Force, hinter deren Performance auch die präsentierte Turmsprung-Akrobatik verblasst und der man eigentlich jeden Film-Preis hätte nachschmeißen müssen, den es nur gibt. Also, abschließend nochmal: Bitte nicht von den Untertiteln abschrecken lassen und unbedingt mal 'nen Blick riskieren...!
9/10