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Man stelle sich vor, es ist Weihnachten, aber der Weihnachtsmann fehlt. Weil er z.B. gerade ein Kaufhaus ausraubt, Kinder verprügelt oder sich in einer Kneipe zulaufen lässt, was in „Bad Santa“ dem typischen Tagesablauf des Kaufhausweihnachtsmanns Willie (Billy Bob Thornton) entspricht. Der ist ein geborener Verlierer und hat längst keinen Bock mehr aufs Fest der Familie und Geschenke, sodass er mit Kumpel Marcus (Tony Cox) lieber nächtliche Einbrüche verübt, mit denen er sich seinen Suff bis zum nächsten Jahr finanziert.

Terry Zwigoff inszenierte einen politisch völlig inkorrekten Film über die Kehrseite des Weihnachtsfests, der all denjenigen aus dem Herzen sprechen wird, die damit längst nicht mehr den geschmückten Baum, das Truthahnessen in gepflegter familiärer Atmosphäre und Geschenke in Verbindung bringen. „Bad Santa“ zielt voll unter die Gürtellinie und hat damit Erfolg wie keine andere Weihnachtssatire vorher.

Schon die Taktik, mit der Willie und Marcus verhindern, dass ihnen trotz ihres Benehmens nicht gekündigt wird, ist herrlich bösartig und trifft den Zeitgeist voll und ganz. Denn welcher Chef möchte schon ein Bild von sich in der Zeitung abgebildet haben, unter der Überschrift „Rassistischer Boss entlässt kleinwüchsigen Mitarbeiter unter billigen Vorwänden“? In dem Tenor spielt sich der komplette Film ab, auf Minderheiten wird keinesfalls Rücksicht genommen, doch wer genauer hinschaut, hat keinen Grund, sich darüber aufzuregen, denn „Bad Santa“ verarscht keine Behinderten, Dicke, Schwarze etc., sondern nur den Umgang der Gesellschaft mit eben diesen und das alles in einer vortrefflich zynischen Art und Weise.

Und mittendrin als Anti-Weihnachtsmann Billy Bob Thornton, der hier wieder einmal einen völlig verschrobenen Loser derart überzeugend spielt, dass man meinen könnte, er hätte sein Leben nichts anderes getan. Als gebeutelter Alkoholiker kann er unmöglich Komplimente verteilen, geschweige denn mit kleinen Kindern umgehen, was seinen Gelegenheitsjob umso ironischer macht. Die humoristischen Leckerbissen sind demzufolge diejenigen Szenen, in denen die verwöhnten Bälger auf seinem Schoß sitzen und ihre Wünsche erläutern, worauf Willie jedes Mal mit einer Mine antwortet, bei der es einem vom Kinosessel haut. Highlights gibt es zu viele, um sie alle aufzuzählen, dennoch ragen staubtrockene Sprüche wie „Ach ja? Bei mir sind’s die Möpse...“ heraus, die für die Zukunft zitatwürdig bleiben.

Da der Film auf alle Normen pfeift, wurde auch der Kinderstar mal gegen den Strich besetzt und uns wird ein dicker, sabbernder Verlierertyp in spe präsentiert, dessen Mutter tot ist und dessen Vater im Gefängnis sitzt. Von allen Gleichaltrigen verarscht und unglaublich naiv, glaubt er, in Willie einen Freund zu finden, der das natürlich als Egozentriker zu seinen Gunsten ausnutzt (die Szene, in der er mit Sturmmaske im Hausflur steht, ist der Brüller schlechthin!), später jedoch tatsächlich von der kleinen Nervensäge, die ständig Fragen stellt, zu einem besseren Menschen bekehrt wird, was aber ganz untraditionell vonstatten geht. Wer Kitsch befürchtet, braucht keine Angst zu haben, denn die letzten Minuten enthalten zwar einen Funken Menschlichkeit und grenzen sich vom Gesamtbild deswegen klar ab, sind aber deutlich sichtbar mit einem Augenzwinkern inszeniert.

Obwohl sich hier nur verlogene und für gewöhnlich unsympathische Gestalten vorfinden, wachsen einem die meisten Figuren komischerweise doch ans Herz. Allen voran Willie, den man eigentlich hassen muss, der aber seit seiner Kindheit so was von gestraft ist, dass man ihm seine im Grunde nicht tolerierbaren Aktionen verzeiht, vor allem, als sich sein Partner als verräterischer Egoist entpuppt. Das Kind ist ganz ohne Knopfaugen und aufgesetzten Dackelblick so was von knuddelig, dass man am liebsten heulen möchte, wenn es zu Willie sagt: „Aber ich dachte doch nur, weil wir Freunde sind...“.

„Bad Santa“ musste früher oder später einmal kommen und man kann froh sein, dass die Idee von einem Anti-Weihnachtsfilm derart kompromisslos umgesetzt wurde, gerade in einer Zeit, in der die Gesellschaft solche Filme spätestens seit den Farrelly-Komödien hinnehmen sollte, ohne gleich von einem Skandal zu sprechen. Ich bin sicher, dass jeder irgendwo eine zynische Ader besitzt, je ausgeprägter, desto lustiger wird er diesen Film finden, den ich persönlich trotz der verhunzten Synchronisation („Mach’s mir Weini“, grauenhaft!) sofort in mein Herz geschlossen habe.
Der Weihnachtsmann ist unrasiert, säuft, flucht, pisst sich voll, hasst kleine Kinder, klaut und hat Analsex in der Damenabteilung für Übergrößen. Na und? Ist doch mal wohltuend anders und wer darüber nicht lachen will, verpasst die konsequenteste und witzigste Satire seit langem!

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