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„Dieses sinnlose Töten, das keinem nutzt, macht mich verrückt!“

Der italienische Regisseur Duccio Tessari, der im Western-Genre mit seinen beiden „Ringo“-Filmen auffiel und mit Gialli wie „Blutspur im Park“ und „Der Mann ohne Gedächtnis“ den meisten Italophilen ein Begriff ist, war genauso im Poliziesco- bzw. Gangster-Film zuhause, wie er u.a. mit der italienisch-französischen Koproduktion „Tödlicher Hass“ aus dem Jahre 1973 bewies.

Mafia-Auftragskiller Tony Arzenta (Alain Delon, „Eiskalter Engel“) möchte aus seinem blutigen Geschäft zugunsten eines harmonischen Familienlebens mit seiner Frau und seinem Sohn aussteigen, erledigt noch einen letzten Job und eröffnet seinen Auftraggebern sein Anliegen. Diese reagieren jedoch wenig verständnisvoll und möchten ihn mittels einer Autobombe um die Ecke bringen. Diese trifft jedoch versehentlich seine junge Familie. Arzento, der nun alles verloren hat, sinnt auf Rache und begibt sich auf eine gnadenlose Jagd auf seine ehemaligen Verbündeten durch halb Europa…

„Sie bringen die Leute dahin, wo sie hingehören: Unter die Erde!“

Für „Tödlicher Hass“ verpflichtete man den aus ähnlich gelagerten französischen Produktionen bekannten Alain Delon für seine Paraderolle als emotionsarmen Killer. Vergleiche anzustellen verbietet sich mir, da ich mich erst langsam durch den Polizei-, Mafia- und Gangsterfilm arbeite und mein Hauptaugenmerk auf die Italiener lege, weshalb dies mein erster Film mit Delon in der Hauptrolle ist. Typisch italienisch ist – Delon hin oder her – jedoch die grimmig-nihilistische Stimmung Tessaris Films, die einmal mehr beweist, dass viele Produktionen dieser Art eine Quasi-Weiterführung des Italo-Westerns sind. Tessari zeichnet ein von beinahe todessehnsüchtiger Trostlosigkeit erfülltes Bild einer Welt, in der ein Menschenleben einen feuchten Kehricht wert ist und in der sich staatlicher Eingriffe weitestgehend entziehende Parallelgesellschaften alle drei Gewalten in sich vereinen, ihre eigenen Gesetze aufstellen und vollstrecken und generell den Ton angeben, um sich Reichtum und Einfluss nachhaltig durch ein Klima der Autorität und Angst zu sichern. Doch dass auch die hohen Mafiosi sich durchaus überschätzen können, macht ihnen unmissverständlich ihr „verlorener Sohn“ Arzenta klar, der seinen Rachefeldzug ähnlich stoisch und kalt berechnend vollzieht, wie er zuvor seine Aufträge ausgeführt hat – bis selbst die Führungskriege weiche Knie bekommt und sich ihrer Lage bewusst wird, dass das Monster, das sie erschaffen haben, sich gegen sie wendet.

Bei all dem schwingt stets eine Art abgeklärter Melancholie mit, unterstützt von der traurigen Musik Gianni Ferrios, die jedoch, wenn es die Bilder erfordern, auch in zeitgenössisch funkige Töne umschlagen kann. Das passend zur Charakterisierung der Hauptrolle „in sich ruhende“ Erzähltempo der Handlung steht im spannenden Kontrast zu ausgiebigen, wilden, rasant gefilmten Verfolgungsjagden und verschwenderischen Autocrashs und blutigen, originell fotografierten Erschießungen, die häufig mit Sicht auf den Rücken des von vorn gerichteten Opfers gezeigt werden. Meist geht der Schuss durch den Körper hindurch und noch etwas anderes zu Bruch, z.B. ein Fenster oder ein Aquarium. Die Brutalität des Films äußert sich nicht nur in seinen Shoot-Outs, sondern setzt beispielsweise bei Szenen in einer Autopresse noch einen drauf, zeigt eindrucksvoll bis verstörend die Skrupellosigkeit, mit der beide Seiten vorgehen. Auf der anderen Seite schwelgt Tessari in wahnsinnig ästhetischen Bildern des Europas der 1970er, die neben Italien auch Kopenhagen, Paris und Deutschland (bzw. eine Zugfahrt nach Hamburg) zeigen. Und eine Autofahrt durch nächtliche Straßen voller Leuchtreklamen wird schon einmal von einem schönen Chanson unterlegt. Das Kontrastprogramm wird durch die kreative Kameraarbeit auf ein Podest gehoben, woraus sich eine subtile morbid-zynische Ästhetik ergibt. Trotz seiner wechselnden Schauplätze gibt es, vermutlich zum Zwecke der Vereinfachung, keinerlei Sprachbarrieren, aber das nur als wertfreie Randnotiz.

Seine dramaturgische Spannung bezieht „Tödlicher Hass“ allein schon aus der Frage, wie weit er in seinem eingangs beschriebenen Nihilismus wirklich gehen wird, da man ihm grundsätzlich alles zutraut. Folgerichtig und dennoch überraschend entpuppt sich – Achtung, Spoiler! – das „Happy End“ als ein vermeintliches und holt noch einmal zu einem echten Magenschwinger aus. „Tödlicher Hass“ ist ein deftiges Brett, das neben seinen optischen Schauwerten mit einem hörenswerten Soundtrack aufwartet und vor allem mit einer konsequenten, bösartigen Handlung ein Klima der Hoffnungslosigkeit heraufbeschwört, den Zuschauer zum Komplizen eines nicht geläuterten, sondern seines Jobs aufgrund verschobener Prioritäten überdrüssigen kalten Killers macht, dessen Geisteshaltung vom kompromisslosen Ende zur einzigen Überlebensmöglichkeit erklärt wird – denn „Schwächen“ wie Menschlichkeit werden mit dem Tode bestraft. Ein Film, der einen trotz seiner Schönheit frösteln lässt – tadellos gespielt von Delon, Richard Conte („Der Pate“), Anton Diffring („Plutonium“) und Konsorten und in Nebenrollen besetzt mit großkalibrigen Damen wie Erika Blanc („Die toten Augen des Dr. Dracula“) und Rosalba Neri („Sklaven ihrer Triebe“).

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