Review
von todaystomorrow
Schlachtplatte voraus!
Man sollte ja immer vorsichtig sein mit Superlativen und Hype-Behauptungen, denn die führen leicht zu überhöhten Erwartungen, und diese wiederum sorgen schnell für Enttäuschungen. Allerdings habe ich keine Idee, was das für Erwartungen sein sollten, damit sie von PROJECT WOLF HUNTING allen Ernstes enttäuscht werden könnten – oder, ganz kurz gesagt: Dieser Film sprengt so dermaßen konsequent jedes übliche Maß an physischer Gewalt, dass man sich nur wenig vorstellen kann, das dies noch toppen könnte.
Wobei ich natürlich einschränken muss, dass viele Leute Torture-Zeug wie die GUINEA PIG-Reihe, RED ROOM & Co. oder auch SLAUGHTERED VOMIT DOLLS und Artverwandtes als durchaus brutaler empfinden mögen, von Sachen wie A SERBIAN FILM ganz zu schweigen. Allerdings sind das Filme, bei denen es (auch) um Ekel und Grenzverletzungen geht. In mancher Hinsicht ist das genauso bei THE SADNESS der Fall, der in der von ihm abgebildeten und ausgestrahlten moralischen Verrohung Teilen des Publikums tatsächlich als „der härteste Film des Jahres/Jahrzehnts“ erscheinen konnte – worüber sich rein effektorientierte Gorehounds weltweit wiederum in höhnischem (oder letztendlich doch enttäuschtem?) Tonfall lustig machten.
PROJECT WOLF HUNTING nun, diese koreanische Blut-Dampfwalze zu hoher See, dieses hochgerüstete Splatter-Schlachtschiff, sollte insbesondere die letztgenannte Zielgruppe ohne Einschränkungen zufriedenstellen. Sprich: Hier gibt es eine wahre Sturmflut an Gemetzel der gnadenlosesten Art zu bewundern – nicht jedoch Ekel-Exzesse oder Szenen, die man gemeinhin als „sick“ im Sinne von verkommen bezeichnen würde. Weshalb ich Capelight übrigens gute Chancen zuschreibe, den Film (genau wie THE SADNESS, bei dem ich das allerdings überraschend fand) verlustfrei durch die FSK zu bringen, aber das nur am Rande.
Die Gewalt beschränkt sich hier also auf ein strikt körperliches Level, was sie aus meiner Sicht in mancher Hinsicht eindeutig leichter erträglich macht als die beschriebenen, ggf. auch psychisch belastenden Genrebeiträge. Innerhalb seines Segments des simplen Super-Splatters jedoch erreicht das Ganze fraglos ungewohnte, wenn nicht gar völlig neue Höhen – die den Durchschnittskinogänger mit einiger Wahrscheinlichkeit schwer überfordern dürften. Falls eine Referenz weiterhilft: Denkt STORY OF RICKY, aber in ernsthaft, ohne Trash und 20-mal so brutal.
Dass die Handlung dabei komplett nebensächlich ist und auf den vielzitierten Bierdeckel passt, sollte nicht überraschen. Irgendwann in der nahen Zukunft hat Südkorea endlich ein Abkommen über die Auslieferung gesuchter Schwerverbrecher mit den Philippinen abschließen können. Die erste entsprechende Transaktion geht jedoch gewaltig in die Hose: Ein Verwandter eines Menschen, der einst von einem der Straftäter getötet wurde, zündet rachedurstig eine Bombe und jagt den halben Flughafen in die Luft, an dem die Kriminellenlieferung per Linienflug gelandet ist. Für die nächste Extraktion überlegt sich die Regierung deshalb etwas anderes: Sie wird mithilfe eines Frachtschiffs durchgeführt, das die Strafgefangenen ohne vorherige öffentliche Bekanntgabe nach Korea transportiert. Natürlich begleitet und bewacht von Spezialkräften. Aber da es sich um besonders bösartige Bösewichte handelt, haben sie einen eigenen Plan in Bewegung gesetzt – der darauf hinausläuft, sich von korrumpierten Crew-Mitgliedern befreien zu lassen und dann die Kontrolle über den Frachter zu übernehmen. So weit, so ungut für unsere Ordnungshüter. Allerdings lauert da außerdem etwas Monströses tief in den Eingeweiden des Schiffs, mit dem keine der beteiligten Parteien gerechnet hat … und es droht zu erwachen.
Nach der Eröffnungsexplosion legt das PROJECT erst mal eine kurze Verschnaufpause ein, bis ca. 15–20 Minuten später die bewaffnete Konfrontation zwischen Gangstern und Bewachern beginnt und binnen kürzester Zeit zu einem Full-on-Blutbad eskaliert, bei dem buchstäblich keine Gefangenen gemacht werden. Schon hier bleibt einem ob der Wucht und Gnadenlosigkeit des Geschehens ein ums andere Mal die Spucke weg – aber sehr bald soll sich zeigen, dass es sich bei den ausufernden, kompromisslosen Gefechten bloß um sanftes Vorgeplänkel handelt. Was diesem folgt, ist jenseits von Vergleichen. Es sei denn, man stellt sich etwa einen RIKI-OH als blutrünstiges Monster ohne Bewusstsein und Gewissen vor und die weitgehend handgemachten Effekte als Liebeserklärung an Hämoglobinsüchtige.
Hier wird eine Form von Vollgas vorgegeben, die aus Non-Spoiler-Gründen nicht weiter erläutert werden soll, die einem jedoch zwischenzeitlich durchaus den Atem rauben kann. Vollkommen ohne Rücksicht auf Verluste. Allerdings ist klar, dass dieses Tempo nicht bis zum Ende durchgehalten werden kann, und tatsächlich liegt hier, im leicht verkrüppelten Spannungsaufbau des Films, auch sein größtes Problem. Irgendwann ist das Gemetzel dann nämlich doch durch, und das letzte Viertel seiner Laufzeit verbringt das PROJECT überflüssigerweise damit, seiner Story einen pseudo-relevanten Hintergrund zu verleihen, Rückblenden und ähnliche Tempokiller inklusive. Dadurch wird das Erzählte nicht intelligenter, interessanter oder gar spannender – im Gegenteil wird es seines Momentums zu einem gewissen Teil beraubt und endet antiklimaktisch.
Da das Vorherige allerdings derart beeindruckend war, gibt es von mir nur Abzüge in der B-Note. PROJECT WOLF HUNTING ist zusammengefasst zwar storyseitig strunzdoof, aber ein echtes kinematografisches Ereignis, das man nicht verpassen darf. Hat in Sitges übrigens den Special Jury Award gewonnen sowie eine Special Mention für seine Effekte erhalten. Dicke 7,5 Punkte.