„Plötzlich wird hier alles anders!“
Anlässlich der Halloween-Feierlichkeiten sendete die ARD am 30. Oktober 2022 die Mystery-Krimi-Episode „Hexen brennen“, die unter der Regie Ute Wielands entstand. Die Verfilmung eines Drehbuchs Wolfgang Stauchs ist nach „Hetzjagd“ und Black Box“ ihr dritter Beitrag zur öffentlich-rechtlichen „Polizeiruf 110“-Krimireihe. Angesiedelt wurde er im Magdeburger Umland, sodass Claudia Michelsen in ihrer Rolle als Kriminalhauptkommissarin Doreen Brasch ermittelt.
„Ihr Schädel wurde mit einem Folterwerkzeug zerquetscht!“
Kurz nach Halloween werden am Brocken nahe des Dorfs Thalrode die verbrannten Überreste der 32-jährigen Tanja Edler gefunden, die zuvor offenbar grausam zu Tode gefoltert worden war. Vor ungefähr einem Jahr war sie zurück ins Dorf gekommen, um das Hotelrestaurant ihrer Familie zu übernehmen. In Thalrode freundete sie sich mit der ansässigen Ärztin Peggy Sasse (Yvonne Johna, „Deckname Luna“) an, die einen spirituellen Frauenheilkreis leitet, deren Mitglieder von den Männern des Dorfs kritisch beäugt, mitunter gar für Hexen gehalten werden. Hatte man versucht, Tanja der Hexerei zu überführen? Oder sollte es lediglich so aussehen, das Motiv aber war ein anderes? Besonders negativ tut sich der sehr weltliche, tendenziell reaktionäre Allgemeinmediziner Hans Petersen (Michael Schweighöfer, „Otto – Der Katastrofenfilm“) hervor, der in Sasse eine Konkurrentin sieht. Aber auch der daueraggressive Reiko (Pit Bukowski, „Als wir träumten“) – Tanjas Bruder – und ihr Ex-Freund Paul Kopp (Helgi Schmid, „Polizeiruf 110: Der Tag wird kommen“), verschroben wirkender Inhaber des örtlichen „Hexenladens“, machen sich verdächtig. Als auch Sasses verkohlter Leichnam aufgefunden wird, kristallisieren sich vor den Häusern der Opfer abgelegte tote Hunde als Unglücksboten oder Warnungen heraus. Mithilfe des hinzustoßenden Kriminalrats Uwe Lemp (Felix Vörtler) ist nun Eile geboten, um ein nächstes Opfer zu verhindern…
„Gott ist ein Waschlappen!“
Deutschland verfügt über mehrere mystische Orte, der Brocken im Harz ist einer davon und wird gern mit Hexenspuk in Verbindung gebracht. Warum also nicht einmal dieses Gebirgsgestein aufgreifen, um einen Mystery-Krimi drumherum zu spinnen? Aus diesem Ansatz machen Autor Stauch und Regisseurin Wieland eine Episode mit einerseits klassischer Täter- und Motivsuche, die sie andererseits mit Mystery-Elementen anreichern: Sowohl durch die Nähe zum Brocken als auch die Kleingeistigkeit manch Dorfbewohners ist die Hexenthematik in Thalrode allgegenwärtig, hier einmal mehr als Metapher sowohl für starke, unabhängige Frauen als auch für Naturverbundenheit und Spiritualität. Ein wenig befremdlich, wenn nicht gar unfreiwillig komisch wirken die Rituale der Damen dann aber schon.
„Der Hund ist nicht der Hexen Freund…“
Den offenbar tatsächlich übersinnlichen Mystery-Aspekt liefern aber zwei sich nicht unbedingt ähnlich sehende, jedoch stets identisch gekleidete Mädchen, denen Kommissarin Brasch immer wieder begegnet und die letztlich helfen werden, die Mordserie zu beenden. Hinzu kommen eine Klangkulisse mit (mehr oder weniger) unheimlich flüsternden Stimmen, die durch die Dorfgassen wabern, und „Wir machen unser Dorf schöner“-Maßnahmen wie Pentagramm-Graffiti an den Häuserwänden. Die Figuren sind indes recht stereotyp und schon bald kann man den Eindruck gewinnen, es lebten ausschließlich Bekloppte in Thalrode. Spätestens, als die leider etwas blass bleibende und sicherlich mehr könnende Michelsen in ihrer Rolle als bemüht selbstbewusst auftretende, dennoch von kaum jemandem ernstgenommene Kommissarin auf der Stelle zu treten beginnt, wird deutlich, dass ihr ein(e) Partner(in) an ihrer Seite fehlt. Zur Hälfte der Laufzeit stößt dann glücklicherweise tatsächlich Krimimalrat Lemp hinzu, der zumindest ein wenig mehr Dynamik einbringt.
„Der Ort hat ‘ne merkwürdige Energie…“
„Hexen brennen“ ist sichtbar um Atmosphäre bemüht, tut sich damit jedoch schwer. Zu lichtdurchflutet sind die meist am Tage spielenden Szenen, gruselige Schauwerte sucht man vergeblich. Der Handlung fehlt es etwas an Tempo, dafür wird viel geredet. Der Spannungsgehalt pendelt sich, wenn überhaupt, im Mittelfeld ein, enttäuscht jedoch mit einem hanebüchenen Finale und einer ebensolchen Auflösung. Wie man es als deutsche Sonntagskrimiinstitution zu Halloween deutlich besser macht, haben die Kolleginnen und Kollegen vom hessischen „Tatort“ mit „Fürchte dich“ einst eindrucksvoll bewiesen – wenngleich der Vergleich etwas hinkt, da die Frankfurter(innen) statt in den Mystery-Bereich zu gehen sich mit Anlauf und Gebrüll ins Horrorgenre stürzten. Dennoch hätte ich mir aus Magdeburg einen packenderen Beitrag gewünscht.