Tár (2022)

Cate Blanchett hört als titelgebende (fiktive!) Stardirigentin seltsame Geräusche, kämpft mit der Cancelculture und kommt in diesem elegant-fesselnden Psychodrama in Berlin trotz ihrer musikalischen Meisterschaft an ihre menschlichen wie beruflichen Grenzen. Und Todd Field liefert in der hochtrabenden wie intellektuell-anspruchsvollen Tradition von Coppola, Polanski und Antonioni, zwischen „Black Swan“, „Whiplash“ und einem eiskalten Vortrag über klassische Musik, nicht weniger als einen positiv-anstrengenden Klassiker des Arthouse-, Musik-, Charakter- und Kunstkinos! 

„Tár“ ist ein äußerst sensibles und unterbewusstes Drama, das sich auch gerne mal in weitaus bösere und düsterere Genregegenden ausweitet. Fast schon Richtung Horror, mindestens aber Psychothriller. Ohne dabei seinen charakterbezogenen, psychologischen und realistischen Kern aus den Augen zu verlieren. Mit einer der besten und mysteriösesten Schauspielerinnen aller Zeiten, mit unterschwelligem Wumms und einer bockstarken Soundkulisse, die sich gemein-gut in unsere Nacken bohrt. Die Berliner Kulisse ist dreckig und symmetrisch-sauber zugleich, das nerdige, ellenlange und erbarmungslose Gerede über tiefe Facetten der klassischen Musik ist schon mehr als mutig, für die meisten (mich inkludiert) eher überfordernd und zwei Nummern zu groß. An der Faszination der Gesamtkomposition, mit all seinen ineinandergreifenden Zahnrädchen, ändert das jedoch nichts. Seine thematische Aktualität, seine zentrale und alles überschattende Performance (die dieses Wochenende nur eine Oscargewinnerin zulässt), die Leidenschaft in jedem Ton, jeder Note, jeder Nuance. Man merkt, dass das Projekt von Beginn an auf Blanchett zugeschnitten wurde und dass hier einer kein winzigstes Blatt vor den Mund und seine Expertise nimmt. All das macht „Tár“ zu einem radikalen Ausnahmefilm - der jedoch eine äußerst strenge Tür besitzt! 

Fazit: „Tár“ fordert und kitzelt famos alle Sinne. Mal theoretische-trocken, mal verschnörkelt-verspielt, mal realistisch-rau, mal gruselig-garstig - aber immer mit enorm viel Stil, Selbstbewusstsein und einer legendären Cate Blanchett!