iHaveCNit: Tár (2023) – Todd Field – Universal
Deutscher Kinostart: 02.03.2023
gesehen am 04.03.2023
Arthouse-Kinos Frankfurt – Cinema - Lumiere – Reihe 5, Platz 12 – 17:15 Uhr
Die Vorbereitung auf die anstehende Oscarverleihung steht mit dem in dieser Woche veröffentlichten und für 6 Oscars nominierte „Tár“ von Todd Field auch für mich auf der Liste, in der ich nun 9 der 10 Nominieren Filme in der Hauptkategorie gesehen habe. Vor allem in der Kategorie für die „Beste weibliche Hauptrolle“ wird dieser Film eine essentielle Rolle spielen können. Denn vor allem für die Darstellung von Cate Blanchett ist dieser Film sehenswert – selbst für mich, der bei der Verleihung es eher Michelle Yeoh wünscht und sich auch weniger für Cate Blanchett als Schauspielerin begeistern kann. Und natürlich ist auch die Thematik des Films durchaus interessant.
Lydia Tár ist als Musikerin auf dem Höhepunkt ihrer Karriere angelangt. Nicht nur, dass sie in der Musiksparte alle wichtigen Musikpreise abräumen könnte, sie leitet die Berliner Philharmonie, ist Chefdirigentin und auch als Professorin tätig. Ihr nächster Meilenstein wird eine neue Partitur von Mahlers 5. Symphonie werden. Inmitten ihrer Perfektion und Obsession wird sie jedoch mit dem eigenen Fehlverhalten und falschen Entscheidungen der Vergangenheit konfrontiert.
„Tár“ ist in seiner audiovisuellen Umsetzung – von der Kamera über den Schnitt und auch sowohl Sound und Filmmusik ein absoluter Genuss – selbst wenn die Optik des Films größtenteils eher kalt, distanziert, trist und grau wirkt. Hier kommt dem Film auf jeden Fall zu Gute, dass man sich im Milieu der klassischen Musik wiederfindet und da ein audieller Genuss vorprogrammiert ist – und man sich natürlich auch einem überaus intelektuell versierten Publikum des Arthouse-Films und der Klassik anbiedern kann. Und so ist das Milieu des Films nicht einfach nur austauschbarer Selbstzweck, weil die letztendliche Thematik des Films durchaus auch in vielen anderen Milieus hätte spielen können. Die im Film sehr umfassend und vielschichtig dargestellte Thematik behandelt eine Frau in einem bisher von Männer üblicherweise dominierten Bereich, die dort in der Machtposition eben auch von manipulativen bis hin zu boshaftem Machtmissbrauch Gebrauch macht und dabei sehr rücksichtslos vorgeht. Darüber hinaus setzt sich der Film mit den Themen „metoo“ und „Cancel Culture“ auseinander, ohne diese Worte jemals auszusprechen. Neben einem großartigen Ensemble um Nina Hoss, Noémie Merlant und der hier im Schauspiel debütierenden Cellistin Sophie Kauer ist „Tár“ ein direkt auf Cate Blanchett zugeschnittener und geschriebener Film. Cate Blanchett schafft es der doch eigentlich sehr unsympathischen Figur der Lydia Tár eine starke Vielschichtigkeit und Ambivalenz zu geben und dieses Streben nach Perfektion und die eigene Obsession mit einer Wucht zu verkörpern, die ihresgleichen sucht und durchaus auch Sympathien für ihren Charakter weckt, so dass der eigenen moralische Kompass und ein durchaus internalisiertes Verständnis von weiblicher Unterverantwortlichkeit erst im Laufe des Films aufgebrochen und hinterfragt wird. So wird aus dem Film auch eine Charakterstudie und Psychogramm dieser Lydia Tár, bei dem durchaus einige inszenatorische Einfälle sogar einen leichten Hauch von Psychohorror-Elementen bieten können. Insgesamt hat der Film durchaus einen doch leicht interessanten und faszinierenden Sog entwickeln können, der über die doch lange Laufzeit von 158 Minuten durchaus gehalten hat, auch wenn ich nicht ein Nerd der klassischen Musik und des filmischen Schaffens einer Cate Blanchett bin und mir rückblickend aufgefallen ist, dass doch einige Schnittbilder aus den Trailern letztendlich nicht im Film gelandet sind.
„Tár“ - My First Look – 8/10 Punkte.