Review
von Leimbacher-Mario
Texas Barbecue Genremash
„Vengeance“ hat sowohl im Original als auch in der lame verdeutschten Version vielleicht den generischsten, unkreativsten und lahmsten Titel des (zugegeben noch jungen) Kinojahres. Aber unter dieser austauschbaren Hülle erwartet uns eine der quirligeren filmischen Überraschungen der letzten Zeit und ein grundsympathischer Genremix. Fast ein wenig wie ein 1-Mann-Projekt wirkend hat sich B.J. Novak (u.a. bekannt aus „The Office“) eine zusätzlich vielleicht noch ein wenig autobiografisch oder zumindest sehr persönlich wirkende Geschichte ausgedacht, in der er auch noch die Hauptrolle spielt: ein eher egoistischer New Yorker Radiomoderator wird zur Beerdigung einer jungen Frau ins tiefste Texas gerufen, da deren Familie meint, die beiden wären ein verliebtes Paar gewesen, obwohl es im besten Fall nur eine kurze Affäre war. Doch schnell wird klar, dass hinter dem Mord mehr stecken könnte und die Vorurteile, Missverständnisse und Lügen auf beiden Seiten stapeln sich…
Ein Schuss der Coens, ein wenig Western, ein bisschen Thriller, fast Film Noir, aber auch viel (schwarze) Komödie und definitiv mit etlichen dicken Kommentaren zur aktuellen amerikanischen Spaltung der Gesellschaft. „Vengeance“ will eine Menge und mixt es gut durch, sodass einige Leute durch diesen Regenbogen an Ansätzen vielleicht enttäuscht sein könnten. Denn in keiner seiner Kategorien schießt er wirklich den Vogel ab oder zieht final durch. Wenn man jedoch wie ich mittlerweile etwas gelangweilt ist von den ewiggleichen und berechenbaren Wegen, Konturen, Handlungen Hollywoods, dem könnte ein solch frischer, klein gehaltener und unabhängiger Wind guttun. Erst recht weil ich sowas vom immer etwa vanilla wirkenden Novak nicht derart dreist und drastisch erwartet hatte. Kutcher spielt eine für ihn eher ungewöhnliche, undurchsichtige und klasse Rolle. Die texanischen Landschaften sind und bleiben Augenweiden. Vorurteile gegenüber beiden Seiten der Medaille werden gekonnt untergraben und ausgefüllt. Vom egoistisch-liberalen Stadtmensch bis zum etwas plumpen und auf der Stelle tretenden Texaner, „Vengeance“ wirkt unheimlich understatet und insgesamt dennoch versöhnlich. Krimi, Selbstfindung, mehr Gemeinsamkeiten als Gegensätze. Immer lachen MIT einer der beiden Seiten, nie ÜBER sie. Das hat eine gewisse Melancholie, Trägheit und Traurigkeit, das kann man kaum in eine Tüte oder Schublade packen, da muss man einfach mal mit auf Reise gehen. Für mich hat diese sich gelohnt.
Fazit: ich vermisse solche einfach gut, klassisch wie modern, kurvig und kompakt geschriebenen Überraschungstüten und Geschichten wie „Vengeance“ im heutigen Hollywood… B.J. Novak hat sich soeben für Größeres empfohlen!