Dances with predators
Die Jagd ist ein uraltes, ein archaisches Ritual. Ohne sie ist die Menschheitsgeschichte nicht denkbar und auch in der Tierwelt spielt sie eine ganz zentrale Rolle. In der heutigen modernen Konsumgesellschaft ist sie dagegen längst ein blasser Randaspekt, im günstigsten Fall eine spleenige Freizeitbeschäftigung für verschrobene Waldschrate, im Normalfall aber eher eine Zwangsstörung waffenverliebter und gewaltaffiner Nerds. Im Kino wird höchstens noch die Menschenjagd ab und an mal gezeigt, aber auch die vornehmlich für ein ebenfalls nicht allzu gut beleumundetes Nerdpublikum zur Befriedigung niederer Unterhaltungsgelüste. Und tatsächlich hat die Jagd auch etwas Brutales, etwas Abstoßendes, etwas Beängstigendes, schließlich geht es dabei um einen gewaltsamen Tod.
So gesehen traut sich der amerikanische Filmemacher Dan Trachtenberg so einiges in seinem zweiten Langfilm. Denn in „Prey“ - abgeleitet vom lateinischen „preda“, das sowohl Beute, wie Fang oder Opfer heißen kann - ist der Titel zu einhundert Prozent Programm. Die indianische Kultur, hier am Beispiel der Comanche, eignet sich dafür bestens, war die Jagd bei den Ureinwohnern Nordamerikas eine heilige, weil lebenswichtige Tätigkeit, fast schon ein Ritus. Man jagte nicht zum Vergnügen, sondern zur Nahrungssicherung und auch um sich im Stammesverbund zu beweisen. Allein unter diesem Aspekt ist Trachtenbergs Film ein unbedingter Gewinn, weil er die Jagd in all ihrer Anmut und Schönheit, aber auch in ihrer Grausamkeit und Brutalität zeigt. Aber „Prey“ ist kein elegisches Indianerepos wie Kevin Costner „Dances with Wolfes“ und auch kein archaisches Western-Abenteuer wie „The Revenant“. Zwar atmet „Prey“ die Authentizität des Erstgenannten und kann mit der Bildgewalt des Zweiten konkurrieren, aber beworben wird er in erster Linie als Horror-Actionfilm. Und das völlig zu Recht.
Im Jahr 1987 bekam es ein muskelbepackter Söldnertrupp, angeführt von der Dekaden-Ikone Arnold Schwarzenegger, mit einem außerirdischen Gegner zu tun, für den die Jagd zur ureigenen DNA zählt. Zunächst als weiteres tumbes Starvehikel für den österreichischen Actionstar belächelt, entwickelte sich die gewitzte Vietnam-Allegorie zu einem absoluten Kultfilm, der ein ganzes Universum aus Sequels, Cossovers, Comics und Büchern nach sich zog. Der extraterrestrische Jäger durfte sogar mit dem einzig anderen Kultmonster der filmischen Neuzeit die Klingen kreuzen, dem „Alien“. Allerdings wurde die finstere Wucht und beklemmende Atmosphäre des Originals nie mehr erreicht, da sorgte die Idee eine jugendliche Indianerin gegen den außerirdischen Super-Krieger antreten zu lassen, verständlicherweise nicht gerade für ekstatische Vorfreude im nerdigen Fanlager. Denn „Prey“, das dürfte inzwischen klar geworden sein, ist in allererster Linie und vor allem ein Prequel zu John McTiernans „Predator“.
So abstrus die Idee auch klingen mag „Dances with Wolfes“ mit „Predator“ zu kreuzen, so stimmig ist das Ergebnis. In der ersten Hälfte wähnt man sich beinahe in einem „Wolves“-Sequel, wenn Trachtenberg uns in aller Ruhe Leben, Mitmenschen und Träume der jungen Comanche-Indianerin Naru (Amber Midthunder) näher bringt. Wir erfahren, dass sie ihrem Bruder Taabe nacheifert und eine große Jägerin werden will. Wir erfahren, dass ihr das kaum jemand zutraut und sie nur noch verbissener trainiert. Das ist zu keiner Sekunde langweilig, sondern packend und intensiv, was zum einen an den wunderbar eingefangenen Landschaftspanoramen und der hypnotischen Musik liegt, zum anderen an den latent eingestreuten Hinweisen auf die Ankunft und Anwesenheit einer fremdartigen Macht.
Trachtenberg kopiert hier geschickt den Spannungskniff des Originals, das den Predator lange Zeit gar nicht, dann lediglich getarnt und mit geringer Schlagzahl beginnend zeigt. Im weiteren Verlauf schlägt er dann häufiger, brutaler und auch mit zunehmenden Waffenarsenal zu, so das sich Gewalt- und Spannungskurve gegenseitig hoch schrauben. Naru wittert als einzige die existentiell Bedrohung und entkommt dem Predator nur mit einer guten Mischung aus Glück und Geschick. Dennoch müssen erst eine ordentliche Anzahl an Tieren, Indianern und französischen Kolonisten sterben, bis ihre Warnungen es mit etwas noch nie Dagewesene zu tun zu haben, gehört werden. Aber dann ist es beinahe schon zu spät.
„Prey“, und das ist die größte Überraschung, ist nicht nur der beste Predator-Film seit dem Original, sondern auch das einzige Prequel bzw. Sequel, das seiner Essenz wirklich nahe kommt. Wenn Arnold am Ende des Films Schlamm verschmiert und nur noch mit dem Messer bewaffnet allerlei Fallen aufstellt, dann mutiert der aufmunitionierte Söldnerfilm zur archaischen Barbaren-Schlachtplatte. Hier wird der Gejagte zum Jäger und umgekehrt. Der Feind wurde studiert und das Gelernte gegen ihn gewandt. Hier geht es nur noch um das nackte Überleben in einem gnadenlosen Zweikampf. Aber auch der allegorische Traumata-Unterbau (Vietnamkrieg auf der einen, gnadenlose Kolonisation auf der anderen Seite) verbindet beide Filme. Und schließlich ist die Ausgestaltung Heldenfigur in beiden Fällen ein klar erkennbares Zeitgeistphänomen.
„Naru“ ist damit die legitime Nachfahrin, oder besser Vorfahrin Dutch Schäfers, mit dem sie überdies Schicksal, Mentalität und Strategie teilt. Beide besinnen sich auf ihre Urinstinkte, wobei Narus Weg dahin naturgemäß der kürzere ist. Und in beiden Fällen wird die Jagd als das präsentiert, was sie im Kern ist, ein gnadenloser Kampf um Leben und Tod. Das ist weder gut, noch schlecht, weder beruhigend, noch verstörend, weder heroisch, noch abstoßend. Es ist schlicht eine Tatsache. „Prey“ hat das verstanden. Nicht aus anbiederndem Fanservice und schon gar nicht aus Zufall rezipiert Taabe Dutch Schäfers filmhistorische Worte: „Wenn es blutet , können wir es töten.“ Enough said.