Jede Filmreihe hat ihre obskuren Momente; besonders in den Bereichen Horror/Thriller scheint es unumgänglich zu sein, ein schwarzes Schaf zu beherbergen. Die Psycho-Serie um den Serienkiller Norman Bates bzw. der dunklen Gestalt seiner Mutter hatte mit Psycho II damals das Kunststück geschafft, dem Original in einigen Aspekt mehr als gerecht zu werden und seinen eigenen Mythos zu schaffen. Der Nachteil an der ganzen Sache: damit waren Hemmschwellen im Angesicht des großen Klassikers plötzlich wie vom Wind weggeblasen. Psycho III pfiff bereits auf sämtliche psychologischen Aspekte seines Vorgängers und transportiere die Reihe in die Slasher-Gefilde. Und dann kam Bates Motel.
Der kleine Fernsehfilm, der 1987 im amerikanischen TV Premiere feierte, sah sich hier einerseits als Pilotfolge für eine mögliche Serie und andererseits als Reboot der Psycho-Fortsetzungen. Die Ereignisse aus den beiden Sequels sind nie passiert, stattdessen knüpft der Film an Bates' Einweisung in die geschlossene Anstalt an, unmittelbar nach seiner Festnahme in Hitchcocks Meilenstein der Filmgeschichte. Hier lernt Bates den misshandelten Jungen Alex West kennen und baut eine Freundschaft auf. Nachdem Norman unter unbekannten Umständen gestorben ist, vermacht er Alex sein Motel, damit dieser ein neues Leben starten kann. Alex, mental äußerst unsicher, fast weinerlich, stimmt dem Plan seines verstorbenen Mentors widerwillig zu.
Nun begleiten wir also Alex West auf seiner nicht ganz stressfreien Odysee durch die große Stadt, auf der Suche nach dem vermachten Motel. Eine sonderlich ausgeprägte Bindung zum Charakter Alex, dargestellt von Bud Cort, kann man als Zuschauer kaum aufbauen. Im Charisma-Bereich sortiert Cort seine Hauptrolle irgendwo zwischen Topfpflanze und Schaukelstuhl ein; der Schauspieler gibt sich dabei redlich Mühe, die Figur als verwirrtes Kind im Körper eines Erwachsenen anzulegen, ohne dann aber zu wissen, wann seine Darstellung zum bloßen Overacting mutiert. Alles wird mit den aufgerissenen Augen eines 6-Jährigen im Zoo betrachtet, jedes Stichwort eines Gesprächspartners mit einem großen Fragezeichen am Ende wiederholt.
"Dieser Ort schreit nach mehr Wonne in der Sonne!"
"Wonne in der Sonne?"
"Reißen Sie das Haus ab und bauen einen Swimming-Pool!"
"Swimming-Pool?"
"Ja, einen beleuchteten!"
"Beleuchteten?"
Cort's Filmpartnerin Lori Petty setzt das humorige Schauspiel leider fort, muss sich zugegebenermaßen aber auch an ein Drehbuch halten, dass ihre Willie als totalen Kontrast des schüchternen Alex' entwirft. Als äußerst rabiate Verteidigerin eines Mannes, den sie erst vor ein paar Stunden kennengelernt hat, meckert und argumentiert sich Petty durch den Film und muss dann auch noch ein paar unglaubwürdig emotionale Sätze abliefern, die sich mit ihrer eigentlichen Rolle beißen. Ganz schlimm dabei der absurde Humor, der mit ihr Einzug hält: ihren ersten Auftritt hat Petty als Huhn kostümiert, als sie Alex in "ihrem" Haus zur Rede stellt und ihn mit einem Treppengeländer-Pfosten bedroht. Heiter unterlegt mit der Musik eines Mannes, der endlich die Zirkus-Melodien auf seinem Keyboard ausprobieren konnte.
Die erste Hälfte des Films befasst sich dann mit der Finanzierung und dem damit einhergehenden Wiederaufbau des Motels. Alex rekrutiert hierfür Henry Watson, dargestellt von Moses Gunn, der mit einer Waffe auf dem Schoß verhindern will, dass sein Familienhaus von großen Baumaschinen eingerissen wird und einen kompletten Sinneswandel innerhalb von zehn Sekunden durchlebt, nachdem Alex ihm die Verteidigung seines Eigenheims abschwatzt und stattdessen Arbeit und Unterkunft in seinem Motel anbietet. Nachdem das geklärt ist, geschehen auf der Baustelle allerhand unheimliche Dinge. Höhepunkte sind dabei das Ausgraben von Normans berühmt-berüchtigter Mutter (hier eine Gloria Bates statt einer Norma) und seines Vaters Jack. Bei der nachträglichen Beerdigung sieht Alex eine schwarz gekleidete Frau auf dem Friedhof, was eine ungewöhnliche Erscheinung zu sein scheint.
"Hast du die Frau nicht gesehen? Sie war komplett in schwarz!"
"Schwarz?"
Während Alex nun also in unregelmäßigen Abständen die vermeintlich tote Mutter von Norman Bates sieht oder zumindest erahnt, effektvoll dargestellt von einem leeren, wild schaukelnden Stuhl, kann das Motel schließlich fertiggestellt werden. Werbepause und Start einer völlig neuen Nebenhandlung: die Schriftstellerin Barbara wird zum ersten Gast im ansonsten flauen Motel-Gewerbe, sucht allerdings weniger Inspiration als viel mehr den Selbstmord in ruhiger Umgebung. Der wird just unterbrochen, als eine Bande wilder Jugendlicher am Motel ankommt und Barbara, zunächst gegen ihren Willen, auf die Tanzfläche und in Gesellschaft drängeln. Der Clou: die Jugendlichen sind ebenfalls Selbstmörder, allerdings schon längst tot und nun in dem Auftrag unterwegs, Barbara von ihren finsteren Absichten abzulenken und schließlich auch abzuhalten.
Während man den ersten vierzig bis fünfzig Minuten des Films noch einen gewissen Trash-Gehalt attestieren kann, schnarcht sich die Handlung ab dieser zweiten Episode durch das letzte Drittel des Machwerks; Alex ist nicht mehr der Fokus der Geschichte, der Humor - ob nun notwendig oder nicht - wird eingestampft. Alles in allem erscheint die Barbara-Episode wie eine Blaupause für weitere Teilstücke der ehemals geplanten Serie, kommt dabei aber kaum über das Niveau einer weinerlichen Folge X-Faktor hinaus. Man wartet tatsächlich nur auf den harten Schnitt zu Jonathan Frakes: "Ist diese Geschichte wahr, oder haben wir Ihnen ein Zimmer der Lügen vermietet?"
Immerhin, auf seinen letzten zehn Minuten nimmt die Handlung um Normans Mutter nochmals rasant Fahrt auf, als Alex wie von der Tarantel gestochen zum Bates-Haus eilt und von einer schwarzen Gestalt mit Totenkopfmaske begrüßt wird, schrill kreischend und mit einem Messer in der Hand. Hier konnte sich der Cutter dann frivol austoben und zeigt die gleichen Aufnahmen in verschiedenen, körnigen Zoom-Stufen und bremsender Zeitlupe. Zum Glück kann die vermeintliche Mutter aber aufgehalten werden, die Maske wird vom Kopf gerissen und es kommt der dubiose Bank-Manager Tom Fuller zum Vorschein, der Alex mit seinem Kinderheater vom Grundstück verscheuchen und sein Einkaufszentrum bauen wollte. Als Fuller sich zuversichtlich zeigt, dass man ihn ja kaum wegen des Tragens einer Maske anzeigen könne, kommt Willie daher, ebenfalls im Bates-Kostüm, und nimmt dem flehenden Übeltäter ein Geständnis ab, sorgsam aufgenommen mit dem Aufnahmegerät.
"Und es hätte alles klappen können, wenn ihr verdammten Kinder nicht gewesen wärt!"
Das war dann also Bates Motel, dieser gruselig-lustige Pilotfilm einer Serie, die aufgrund niedriger Einschaltquoten nie realisiert werden konnte. Man kann sich streiten, ob die Serie, wäre sie in die Produktion gegangen, nicht sogar besser geworden wäre als ihr unfreiwillig komische Appetit-Anreger. Wieviele Pilotfolgen kennt man schon, die sofort sämtliche Qualitäten der Serie im Ganzen präsentieren konnten?
Nichtsdestotrotz muss Bates Motel nun einzeln bewertet werden, und da kommt der Film kaum über den schwachen Durchschnitt hinaus. Die Darsteller können sich genau wie das Drehbuch nicht zwischen Komödie und einer überlangen Folge Scooby-Doo entscheiden, tatsächliche Schockmomente sind kaum bis gar nicht gesät und die Geschichte um Selbstmörderin Barbara könnte ebenso gut als Einschlafhilfe dienen. Ledliglich einige nette Aufnahmen des Anwesens und der zugegeben hohe Unterhaltungsfaktor der ersten Hälfe, ausgelöst durch unglaublich launige Drehbuch-Passagen, bewahren Bates Motel davor, ein kompletter Totalausfall zu sein. Und im Gegensatz zum späteren Psycho IV sind die Aufregermomente in Regie, Schauspiel und Text zumindest unfreiwillig spaßiger Natur.
3/10