„Der Krieg ist nicht vorbei!“
Tonino Valeriis nach „Lanky Fellow“ zweiter Italo-Western entstand im Jahre 1969 und vermengt die realen Hintergründe des Attentats auf den 20. US-Präsidenten James A. Garfield mit den zeitgenössischen Ereignissen der Ermordung John F. Kennedys.
Dallas nach dem Bürgerkrieg: Verschwörer planen ein Attentat auf James A. Garfield (Van Johnson, „Das Concorde Inferno“), den amtierenden Präsidenten der USA, der zu einem Besuch nach Dallas kommen möchte. Einen „Verräter“ (Antonio Casas, „The Good, the Bad and the Ugly“) in den eigenen Reihen liquidieren sie kurzerhand und präparieren eine Brücke mit Sprengstoff, die der Präsident passieren muss. Doch Bill (Giuliano Gemma, „Der Tod ritt dienstags“), der wegen Hochverrats steckbrieflich gesuchte Sohn des Ermordeten, kann den Anschlag in letzter Minute vereiteln. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Verschwörer zur Verantwortung gezogen werden können, im Gegenteil: Sie hecken einen neuen Plan zur Ermordung des Staatsoberhaupts aus…
„Ich würde keine Fragen stellen, die einen das Leben kosten können!“
„Blutiges Blei“ erzählt die Ereignisse um den Tod James A. Garfields neu und orientiert sich dabei weniger an der historisch verbrieften Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts, sondern am wesentlich jüngeren tödlichen Anschlag auf John F. Kennedy. Damit agiert auch dieser relativ komplexe Polit-Western in starkem Maße als Metapher auf aktuelle politische Ereignisse und ganz und gar nicht als Romantisierung des Wilden Westens. Während der Präsident noch idealisiert, aber auch als naiv und sich der tödlichen Gefahr nicht bewusst dargestellt wird, thematisiert man – einmal mehr insbesondere in den der deutschen Zensur zum Opfer gefallenen Szenen – den Rassismus der Südstaaten, den mörderischen und korrupten Klüngel verschiedener Interessengruppen und den schädlichen Einfluss vermögender Besitzer von Medien (hier anhand des Beispiels eines Zeitungsverlegers) durch tendenziöse Berichterstattung.
Seinen ersten Auftritt hat der westernerfahrene Hauptdarsteller Giuliano Gemma effektvoll bei Blitz, Donner und strömendem Regen. Der Zuschauer erfährt, dass er für die Nordstaaten kämpfte, während sein Vater auf Seiten der Südstaaten stand. Diese Konstellation verdeutlicht die innere Zerrissenheit der Nation, die sich in ihrer radikalsten Form im geplanten Attentat widerspiegelt. Nach ca. 45 Minuten konnte dieses dann auch erfolgreich durchgeführt und ausgerechnet dem armen, zuvor noch spektakulär aus seiner Gefängniszelle ausgebrochenen Afroamerikaner Jack Donovan (Ray Saunders, „Brutale Stadt“) in die Schuhe geschoben werden. Als Kopf der Verschwörung erweist sich der großbürgerliche Pinkerton (Fernando Rey, „Lasst uns töten, Companeros“), der zusammen mit dem texanischen Gouverneur (Julio Peña, „Mercenario - Der Gefürchtete“) den Vizepräsidenten (José Suárez, „Django, der Rächer“) zur Marionette seiner Interessen machen will. Dieser ist mittlerweile geläutert, doch wird er durch belastende Dokumente erpresst. Er offenbart sich dem Regierungsbeamten McDonald (Warren Vanders, „Heiße Schüsse, kalte Füße“), der ebenfalls ein undurchsichtiges Spiel spielt und von Pinkerton ebenso bestochen und erpresst wird. Seine verzichtbar gewordenen Gehilfen um Sheriff Jefferson (Benito Stefanelli, „Der Gehetzte der Sierra Madre“) werden zu Bauernopfern in Pinkertons Partie und mittendrin, zwischen Kneipenschlägereien mit Hilfssheriffs und prügelnden Politikern, ist immer noch unser Bill Willer.
Die Ereignisse überschlagen sich schließlich, die vielen Finten, Verrate und Schießereien überlebt kaum jemand. Mit seinen spannenden Duellen, Pathos und einer Revolverkugel-OP bedient sich „Blutiges Blei“ weiterer Genre-Charakteristika, wird bisweilen aber etwas dialoglastig und leicht an Charakteren überfrachtet – zumindest für einen Italo-Western. Nichtsdestotrotz ragt auch dieser Valerii-Western unübersehbar aus dem Genre-Durchschnitt heraus und bietet einen gelungenen Polit-Thriller im staubigen Western-Gewand, der begleitet von toller melancholischer Musik dahin zielt, wo es wehtut: in das kriegerische Herz Amerikas. Dafür übergebe ich 7,5 von 10 belastenden Dokumenten ungelesen an McDonald.