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„Phase IV“ ist ein Science-Fiction/Tierhorror-Film von US-Regisseur Saul Bass aus dem Jahre 1974. Hervorgerufen durch astronomische Phänomene verbünden sich die Ameisenvölker in einem abgelegen Gebiet Arizonas gegen die menschliche Zivilisation und beweisen dabei eine höchst außergewöhnliche Intelligenz. Die Forscher Hubbs (Nigel Davenport, „Ein Mann zu jeder Jahreszeit“) und Lesko (Michael Murphy, „Batmans Rückkehr“) richten vor Ort ein Laboratorium ein, um die Ameisen zu beobachten. Sie werden Zeuge nicht für möglich gehaltener Evolutionssprünge und geraten schließlich selbst in Gefahr.

Saul Bass hat sich in erster Linie durch seine künstlerischen Vorspann-Arbeiten für Regisseure wie Alfred Hitchcock einen Namen gemacht und zu Lebzeiten zwischen drei Kurzfilmen lediglich diesen einen Spielfilm gedreht – leider, denn „Phase IV“ ist ein beklemmendes, klaustrophobisches Meisterwerk, das seinesgleichen sucht und recht einsam zwischen zahlreichen gängige Genreklischees bedienenden Tierhorrorfilmen dasteht. Mit beeindruckenden Kameratechniken und -tricks erschuf Bass ein einer ganz eigenen Ästhetik folgendes, abstraktes, apokalyptisches Spiel mit den in kleinsten Lebewesen verborgenen Naturgewalten, statt riesenhafte Ungetüme oder gar Außerirdische auf die Erde loszulassen, und negiert die Menschheit als Krone der Schöpfung. In zahlreichen Nahaufnahmen und Zeitlupeneinstellungen studiert Bass die Insekten und schärft den Blick des Zuschauers für Details, um ihn gleichzeitig mit ihnen zu erschrecken. Modernste Technik trifft auf archaische Überlebens- und Anpassungskunst der Natur, die sich gegen den Menschen wendet, der zu Statist und Erfüllungsgehilfe der neuen Macht degradiert wird und feststellen muss, auch mit wissenschaftlicher Nüchternheit nicht mehr viel ausrichten zu können.

Doch Bass war nicht nur ein genialer Ästhet und Techniker; er versteht es ebenso, eine Geschichte zu erzählen und sein Publikum für diese zu begeistern, ohne allzu viele Zugeständnisse an Sehgewohnheiten und Erwartungshaltung zu machen. Stattdessen verpflichtet er sich dem konstruktiv-experimentellen, innovativen Ethos vieler Beiträge des phantastischen Films der 1970er und wirkt seiner Zeit voraus, wenn er eine düstere, kalte und dabei faszinierende Atmosphäre erzeugt, der ein stetes Verlorenwirken der humanoiden Protagonisten innewohnt. Der dokumentarische Stil des Films in Zusammenhang mit seiner visionär eingesetzten Technik und seinen kreativen Bildern lässt einen dabei schon mal vergessen, wie arm die Handlung eigentlich an Hintergrundinformationen zu den Geschehnissen ist und wie übertrieben die Fähigkeiten der Ameisen ausgefallen sind, die es zu akzeptieren gilt. Glücklicherweise bleiben dem Zuschauer aber ellenlange pseudowissenschaftliche Monologe erspart, an deren Stelle ungefähr ab dem letzten Drittel eine aufgrund der mittlerweile fast vollständigen Entfremdung von der Umwelt (auch optisch durch widernatürliche Farbgebungen und an Raumanzüge erinnernde Kostüme der Schauspieler umgesetzt) zunehmend surreale Stimmung tritt, die in einem konsequenten, dem Film gerecht werdenden Finale mit halboffenem Ende mündet.

Aufgelockert wird die Handlung durch die Einführung der attraktiven Kendra Eldridge (Lynne Frederick, „Verdammt zu leben – verdammt zu sterben“), die zu den Männern stößt und für eine interessante Dreierkonstellation sorgt. Schauspielerisch gibt es nichts zu bemängeln; im Vordergrund steht jedoch die Fauna, die auch dann, wenn sie nicht im Bild ist, allgegenwärtig und präsenter als ihre menschlichen Gegenspieler wirkt.

Vielleicht einer der besten Tierhorrorfilme überhaupt, mit Sicherheit einer der interessantesten.

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