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In seine zweite Regiearbeit,für die er nebenbei auch noch das Drehbuch verfasste und mitproduzierte, steckte Hollywood-Außenseiter Sean Penn seine ganze Energie und lieferte ein glänzendes, schwer zu verarbeitendes Drama, in dem die Stars in Haupt- und Nebenrollen Schlange stehen, um sich gegenseitig in ihren Leistungen zu überbieten.

Es geht, wie es uns die Exposition kurz und bündig klar macht um eine Vater, eine Frau und einen Inhaftierten, der 5 Jahre, nachdem er volltrunken am Steuer ein Mädchen überfuhr. Freddy Gale (Jack Nicholson) konnte den Tod seines Sprösslings nie verkraften, seine Ehe geht in die Brüche, er hat nichts mehr für was es sich zu Leben lohnt. Einzig beseelt von seiner simplen Sucht nach Rache für den verhinderbaren Unfall. Dieser Tag soll kommen, als John Booth (David Morse) endlich entlassen wird, seine Tat aber selbst nicht verarbeitet hat.

Bevor ihm Gale aber diesen tödlichen Besuch abstattet, ersucht er um Absolution bei seiner geschiedenen Frau, die selbst an der seelischen Krise ihres Mannes zerbrach, inzwischen aber wieder geheiratet hat und die beiden gemeinsamen Söhne groß zieht. Das Gespräch soll sich aber nicht so entwickeln, wie er es plante, so dass er, sie von seinem Plan unterrichtend, abzieht, um seiner Pein ein Ende zu bereiten. Doch vor dessen Bett stehend und abdrückend, bemerkt er, dass er die Munition vergessen hat und räumt Booth eine Gnadenfrist von 72 Stunden ein. Viel mehr will dieser, von seiner Schuld zerfressene, gesellschaftlich abgekoppelte Mann auch nicht, um zumindest in dieser ihm verbliebenen Zeit noch einmal ein normales Leben zu führen.

In Folge zeigt Penn parallel was die beiden tun und planen, bis es zur erneuten Konfrontation kommt und stellt dabei klar, dass sich beide gar nicht so unähnlich sind. Gale befindet sich schon seit geraumer Zeit in einem Labyrinth seiner Gefühle. Ohne Ziel, auf der Suche nach Zuneigung vögelt er zum Alibi Nutten, erliegt seiner Alkoholsucht und treibt sich vorwiegend mit Scheinfreunden in Nacktbars herum, während Booth zunächst nur die Zeit absitzen will, aber dank der Künstlerin Jojo (Robin Wright Penn, damals noch nicht mit Sean verheiratet) wieder Lebens -freude und –sinn zurückgewinnt, die ihn sogar an das Grab des toten Kindes führen. Sie bringt ihm das Verständnis entgegen, dass seine Eltern ihm nicht geben können, soll aber schließlich die Beziehung, aufgrund seiner schweren Last, abbrechen. Insbesondere der dabei auftretende Dialog, in dem der Unfall geschildert wird, dürfte jeden Zuschauer berühren. Schließlich kommt es zur erneuten Konfrontation, in der Booth seinen Jäger erst überrascht, um ihn schließlich zum Ort seiner Qualen zu führen. Dem Grab seiner Tochter.

„Crossing Guard“ ist in seiner düsteren, pessimistischen Inszenierung und den gefühlsbetonten und schwierig zu verdauenden Dialogen ein erstklassiges Drama, das allerdings auch von den grandiosen Leistungen seiner Hauptprotagonisten lebt. Jack Nicholson verfällt hier mal nicht in eine Fratzenorgie, sondern überzeugt in der Rolle des gebrochenen, von Rache besessenen Mannes, dem längst jede Lebensfreude geraubt wurde und den Bezug zur Gesellschaft verloren hat. Während ich Angelica Huston in einer Nebenrolle gern noch öfter gesehen hätte und Robin Wright Penn gefühlvoll, aber auch routiniert agiert, überzeugt hier einmal mehr David Morse, der zu oft leider nur in Nebenrollen zu sehen ist, doch durchaus das Zeug für eine tragende Rolle hat, wie er hier unter Beweis stellt. Nicht nur aufgrund seines eindrucksvollen Körperbaus überragend, sondern auch in seiner schwermütigen, depressiven Spielweise brillierend.

Fazit:
Sean Penns ambitioniertes Werk „Crossing Guard“ ist ein eindrucksvolles Psychogramm zweier Personen, jenseits ihres ursprünglichen Lebens, in ihrem Innersten aber gar nicht so unähnlich. Auch dank der musikalischen Begleitung, der düsteren, pessimistischen Bildmontagen und vor allem der eindrucksvollen Spielweise aller Schauspieler wurde hier ein Kleinod geschaffen, dass unter dem hollywoodschen Effektzauber viel zu wenig Beachtung geschenkt wird. Ausgefeilt bis in den letzten Dialog wurde hier ganz großes Kino geschaffen.

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