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„Crying Freeman“ ist eine bildgewaltige Mangaverfilmung, in welcher der B-Film-erprobte Mark Dacascos („Drive“, „Sabotage – Dark Assassin“) seine erste A-Rolle bekam und Regisseur Christophe Gans („Pakt der Wölfe“ sein Langfilmdebüt gab.
Emu O’Hara (Julie Condra) beobachtet wie der Freeman (zu deutsch: Killer), der bis zu seiner Berufung als Auftragsmörder der Töpfer Yo (Mark Dacascos) war, den Sohn eines Triadenbosses ausradiert, als sie gerade beim Malen ist. Der Anfang ist filmisch sehr schön gemacht: Die nette Waldatmosphäre, das ruhige Flair (auch in der Jagd- und Mordsequenz liegt eine bizarre Ruhe) und die Brillanz der Bilder schaffen nicht nur einen fast elegischen Beginn für „Crying Freeman“, sondern stimmen auch auf die Mischung aus Action-Schauwerten und gleichzeitiger innerer Ruhe ein, die den Film auszeichnet. Hinzu kommen die einfühlsamen Details der Vorlage: Der Freeman vergießt z.B. für jedes erledigte Opfer eine Träne oder sagt Emu seinen Namen (was bedeutet, dass sie sein nächstes Opfer sein wird).
Emu soll von dem Freeman getötet werden, empfindet aber etwas für den Killer – ob es Liebe ist oder Todessehnsucht, da sie sich schuldig am Tod ihrer Eltern fühlt, scheint ihr selbst nicht klar zu sein. Auch Yo spürt seine Verbindung zu Emu, soll sie aber liquidieren. Doch zuerst steht der Triadenboss, dessen Sohn Yo bereits ermordet hat, auf der Abschussliste: Als Yo ihn erledigt, hetzt er sich allerdings den korrupten Detective Netah (Tcheky Karyo) auf den Hals. „Crying Freeman“ bleibt trotz seines Genres ein ruhigerer Film; die Ermordung des Triadenmannes wirkt wie ein kurzer Ausbruch. Hierbei ist die Action furios (akrobatische Sprünge, Zeitlupen etc.) und zeigt gleichzeitig die Prinzipien des Freeman auf. Herbeieilende Polizisten werden mit Schüssen in die Beine ruhig gestellt, während er kein Erbarmen mit dem Triadenchef und dessen Bodyguards hat.

Als Yo nun Emu ermorden will, passiert es: Die beiden verlieben sich und fliehen. Yo will seinen „Job“ an den Nagel hängen, doch seine Organisation, die Söhne des Drachen, will ihn nicht gehen lassen. Gleichzeitig versuchen die Triaden die Söhne des Drachen zu vernichten; Yo und Emu sind dabei Ziele und finden sich zwischen den Fronten wieder...
Christophe Gans, der zuvor die erste und beste Episode aus dem Episodenhorror „H.P. Lovecrafts Necronomicon“ drehte, wagte sich mit „Crying Freeman“ ins Actiongenre, auch wenn Horrorspezi Brian Yuzna den Film mit produzierte. Leichte Horrorelemente finden sich auch in der Darstellung der Söhne des Drachen, gerade in jenen Rückblenden, in denen Yo von der hexenartigen Chefin der Organisation vom Töpfer zum Killer gemacht wird. Besagte Rückblenden sehen famos aus, haben allerdings auch das Problem, dass sie den Film ausbremsen, da quasi zur Halbzeitmarke noch diverse Erklärungen zur Titelfigur nachgereicht werden. Vieles wird aber auch ohne Kenntnis der Mangavorlage von Kazuo Koike und Ryoichi Ikegami schon vorher klar (oder ist dem interessierten Zuschauer bereits bekannt), sodass manche der nachgereichten Erklärungen, gerade in dieser Ausführlichkeit, eher überflüssig wirken.
Allerdings ist „Crying Freeman“ auch kein Film mit allzu komplexem Plot, auch wenn nebenher ein paar Mauscheleien von korruptem Cop und Verbrecher stattfinden. Dies ist eine bewusste Entscheidung von Gans, der zusammen mit Thierry Cazals auch das Drehbuch schrieb. Seine entschleunigte Actionromanze setzt viel mehr auf Flair und Atmosphäre denn auf große Plotvolten – und das mit Erfolg. Die Bildkompositionen können begeistern, wirken teilweise fast schon wie gemalte Stilleben, etwa wenn der Freeman sich vor seinen Zielen oder seinen Gegnern versteckt, um das aus dem Hinterhalt aufzutauchen. Visuell beweist Gans und sein Kameramann Thomas Burstyn Ideenreichtum, etwa wenn Emu ein Gemälde des Freeman mit Sekt benetzt, um seine Tränen darzustellen. Dass viele der Figuren den schönen Künsten zugetan sind, sei es Malerei oder Töpfern, verweist noch einmal auf die Anlage von „Crying Freeman“ als poetischer Actionfilm.

Als solcher lässt er es in regelmäßigen Abständen ordentlich krachen, stilistisch inspiriert vom Hongkong-Kino. Die Action bietet vor allem Shoot-Outs, hin und wieder sind auch Nahkampfaktionen zu bewundern. Die Schießereien sind abwechslungsreich und bieten von Pistolen über Schrotflinten bis hin zu schwerem Kampfgerät wie M16s jede Menge verschiedene Waffen. Die ein wenig an John Woo erinnernde Choreographie der Shoot-Outs ist extrem dynamisch und packend, pointiert gesetzte Zeitlupen betonen besonders starke Momente, gerade um die Beweglichkeit von Dacasos auszustellen, der akrobatisch durch die Actionszenen kickt, springt und wirbelt. Neben Schusswechseln und unbewaffneten Nahkämpfen kommen auch einige furiose Einlagen mit Schwertern hinzu – der Finalkampf beispielsweise wird mit Klingen ausgetragen.
Neben den Actionszenen und der Bildsprache ist das Figureninventar ein Plus. Sicher sind viele Standards dabei, vom arroganten Yakuza-Emporkömmling über den Yos Sidekick und Helfer Koh (Bryon Mann) bis hin zur aufrechten Polizistin Forge (Rae Dawn Chong), die zwischen die Fronten zu geraten droht. Doch „Crying Freeman“ füllt diese Charaktere mit Leben, gerade im Falle von Netah, der auch zwischen Yakuza und Polizei navigiert, der Forge selbstlos schützen möchte, gleichzeitig aber auch seinen eigenen Trieben nachgibt – sei es Begierde im klassischen Sinne oder Rachsucht. Auch das Paar aus der todessehnsüchtigen Zeugin und dem Killer, der durch die Liebe in ein anderes Leben findet, stellt in seiner Stille und Entrücktheit einen Kontrast zu den heißblütigen Pärchen auf der Flucht dar.
Dass diese Figuren so gut rüberkommen, liegt natürlich auch den gut gecasteten Schauspielern. Mark Dacascos punktet als Killer mit Kodex und Gewissen, Julie Condra als graue Maus, die im Moment der Selbstaufgabe wieder neuen Lebensmut findet. Ebenfalls klasse ist Tcheky Karyo als ambivalenter Bösewicht; seine Rolle ist aber eher klein. Weitere Akzente setzen Byron Mann und Rae Dawn Chong, Mako ist kurz als altgedienter Gangsterboss dabei, während Masaya Katô und Yôko Shimada als gegensätzliches Yakuza-Paar die Fieslingsriege enorm bereichern.

„Crying Freeman“ ist ein furioser Actionthriller mit furiosen Kampfszenen und Shoot-Outs, einem starken Figureninventar und famosen Bildkompositionen, das westliche und östliche Actiontraditionen zu einem bildstarken wie poetischen Genrewerk vereint. Die Handlung ist sicherlich nicht die ausgefallenste, aber Stilwille und Actionhandwerk machen dies mehr als wett.

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