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Als am frühen Abend des 15. April 2019 Bilder der brennenden Kathedrale Notre-Dame kursierten, fühlten sich nicht wenige an den 11. September 2001 erinnert und wähnten zunächst einen Terroranschlag. Die genaue Brandursache ist bis heute nicht eindeutig geklärt, was Co-Autor und Regisseur Jean-Jacques Annaud („Der Name der Rose“) recht geschickt in seinen Katastrophenfilm einfließen lässt.

Als ein Wachmann an seinem ersten Arbeitstag einen Feueralarm im Dachstuhl von Notre-Dame meldet, wird dieser zunächst als Fehlalarm abgetan. Erst als Passanten eine halbe Stunde später Rauchsäulen wahrnehmen, wird die Feuerwehr alarmiert, welche abermals einige Zeit benötigt, sich durch den dichten Feierabendverkehr von Paris durchzukämpfen.
Der Dachstuhl und mit ihm ein schweres Baugerüst droht den Rest des Gebäudes unter sich zu begraben und schon bald wird es als einsturzgefährdet eingestuft…

Um beim Thema zu bleiben: Annaud fackelt nicht lange und zeigt nur kurz den Alltag von Notre-Dame mit Messe, zahlreichen Fremdenführungen und den Bauarbeiten auf dem Dach. Obgleich hier strenges Rauchverbot herrscht, landet eine Kippe an einer ungünstigen Stelle, während nahezu zeitgleich ein Kurzschluss in der veralteten Elektrik auszumachen ist, was offiziell als Ursache für den Brand angesehen wird.

Von da an geht alles rasend schnell und die überaus versierte Kamera folgt aus unterschiedlichen Perspektiven, wie sich der Brand verbreitet. Gedreht wurde an verschiedenen Drehorten wie Kirchen und Kathedralen, die der Architektur Notre-Dames ähneln, während Teile von Notre-Dame nachkonstruiert wurden. Nahezu sämtliche Szenen sind mit realem Feuer und unter hohen Sicherheitsbestimmungen gedreht worden, während einige Archivaufnahmen die Authentizität des Großbrandes untermauern. Hierfür hatte Annaud eigens für das Projekt eine Webseite einrichten lassen und zum Einsenden von Videomaterial aufgerufen.

Somit steht die Entwicklung des Brandes eine ganze Zeit im Fokus, doch bei alledem findet sich unter den zahlreichen Personen kein Hauptcharakter, ganz zu schweigen von einer Identifikationsfigur. Mal steht ein Team von Feuerwehrleuten im Mittelpunkt, dann folgt man einem Kurator, welcher schon fast als comichafte Figur durchgeht, es taktieren diverse Verantwortliche und per Footage mischt auch noch Präsident Macron mit.
Obgleich das Tempo konstant hoch bleibt und sich das Geschehen wie Echtzeit anfühlt, nimmt die Spannung innerhalb der zweiten Hälfte merklich ab, wohl auch, weil schließlich bekannt ist, wie sich die Sache entwickelte.

Ein weiteres kleines Manko sind einige pathetische als auch symbolträchtige Aufnahmen, die im Kontext mit dem überambitionierten Score zu effekthascherisch anmuten. Während der Einsatz von Split Screen in der Anfangsphase durchaus angemessen erscheint, werden im Verlauf einige Zeitlupenaufnahmen der Feuerwehrleute im Gebäude bemüht und wenn ein Tropfen Löschwasser wie eine Träne an einer Skulptur hinunter rinnt, wird der Bogen beinahe schon überspannt.

Anderweitig hält sich Annaud recht strikt an die Fakten, während die technische Umsetzung grundsolide ausgefallen ist. Innerhalb der 110 Minuten entstehen keine Längen, nur das Mitfiebern hält sich in der zweiten Hälfte eher in Grenzen. Schon aufgrund der überzeugenden Effekte gehen Fans von Katastrophenfilmen nicht leer aus, was einer Empfehlung mit Einschränkung gleichkommt.
6 von 10

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