Die im späten Frühjahr 2022 von Bruce Willis bzw. seiner Familie veröffentlichte Bekanntgabe der Beendigung der filmischen Laufbahn aus Krankheitsgründen hat unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen, meist positive in Hinsicht einer Anteilnahme, eines Andenken auch, einer Würdigung der Karriere, die in den letzten Jahren zunehmend kleiner wurde und entlegener. Und teilweise auch viel Häme und Buhrufe ausgesetzt. Im Nachhinein kann, muss man die vor im On Demand - Sektor hergestellten Werke erst aus der Manufaktur von EFO, dann zunehmend von 308 Entertainment nicht unbedingt anders betrachten und anders bewerten, für die 'danach' herausgebrachten, d.h. bereits abgedrehten oder gar fertiggestellten (immerhin 8) Filme ist die Unparteilichkeit oder Unabhängigkeit von Emotionen möglicherweise schon wieder schwieriger. Abseits der von der Familie als Aphasie klar umrissenen Diagnose stehen noch weitere, schwerer wiegende gesundheitliche, speziell neurologische Ausfälle von Willis im Raum, was unweigerlich von den Rollen in den Filmen ablenken und den letzten Actionhelden ungewohnt verletzlich, geradezu schützenswert in und außerhalb des filmischen Umfeldes erscheinen lassen kann:
Nachdemr den Mörder seiner Tochter umgebracht hat, landet Walter Anthony Locke [ Dan Payne ], Spitzname 'Payback', im Hochsicherheitsgefängnis San Tiburon, "in the world's first prison for the super-powered", mit eiserner Hand geführt von Walton Devlin [ Michael Rooker ]. 'Payback' bekommt schnell Ärger mit dem Bandenchef Diamond Jim [ Daniel Cudmore ], der ihn auf der Abschussliste hat, allerdings sind auch die Wachen um Captain Brody [ Kevin Zegers ], Officer Morales [ Kat Ruston ] und Officer Danny Breeze [ Matthew Kevin Anderson ] nicht zu verachten. Währenddessen freundet sich der ebenfalls eingelieferte Diego Diaz [ Brennan Mejia ], ein Empathiker, mit dem als 'The Conductor' bekannten Gordon Tweedy [ Tom Cavanagh ] an, und wird gegen seinen Willen vom Gedankenbeeinflusser Julius Loeb aka The Lobe [ Bruce Willis ] für dessen Zwecke eingespannt.
Willis hier auch außerhalb seiner üblichen Komfortzone, Corrective Measures als a) Bearbeitung einer von Arcana Comics distribuierten Graphic Novel (Autor Grant Chastain, Illustration Fran Moyano), die b) neben dem Genre Crime auch 'Superhero' streift bzw. explizit für seine Figuren verwendet, und c) sich als Produktion eines werbefinanzierten Streaming-Dienstes der Fox Corporation, als 'Tubi Movie' präsentiert. Außerdem ist Willis d) einer von vielen, er wird frühzeitig erwähnt, aber er stellt nicht wie üblich den Rahmen des Ganzen und er kommt auch erst später ins Bild. Angepeilt wird auch eher ein jüngeres Publikum als üblich, die Zuschauer von The Boys oder Doom Patrol vielleicht, grobschlächtige Gewalt gepaart mit unterschiedlichen Facetten von Humor, mal zynisch, mal sarkastisch, mal befreiend, wobei die Eröffnung (Jemand wird im Parkhaus durch Messerstiche, Kopfschüsse und Knochenbrüche von einem bis dato unbekannten Mann, einer Art Punisher, aus den Fängen von 'Gaunern' befreit, und dann selber von diesem getötet) auch Serien anleiern und in den fliegenden Start bringen könnte und sich als Appetizer und Einleitung der eigentlichen Handlung ergibt.
Die Welt hier ist gleichzeitig noch so, wie man sie zu kennen glaubt, und überzeichnet, eher die negativen Faktoren hochgetrieben, das Groteske in vielen Bereichen, Umweltschäden en masse, das Verbrechen hochgetrieben, außerdem ist das Klima am Ende, was auch ganze Kontinente schon ausgelöscht hat und dennoch nur eine Meldung von vielen in den Nachrichten ist. Eine Art rüdes X-Men, konzentriert auf einen festen Punkt, dem Schauplatz eines Gefängnisses, dem Oz - Hölle hinter Gittern, dazu die begleitende Berichterstattung wie beim RoboCop – als einziger Blick aus der Anstalt hinaus –, was die Geschichte und die ersten Personen vorstellt und die allgemeinen und speziellen Umstände des Szenarios, einen zukünftigen und auch einen zünftigen Prison Flick vorstellt. Die Gegebenheiten standardmäßig, die Ankunft vom 'Frischfleisch', die Begutachtung durch die Wachen, die die Regeln auf- und ihren Claim abstecken, die ersten Drangsalierungen und Komplikationen, alles wie gehabt und alles wie gewohnt, könnte man meinen. Nur die Insassen sind anders, "you got your mutates, your cyborgs, your masterminds…", was die eigentliche Crux darstellt und die Perspektive verrenkt, verdreht und rotiert. "So welcome to San Tiburon, cocksuckers. Sure you've heard of this place. It's a fucking shithole. Probably dyin' here, which is a sad thing."
So gibt es schnell die erste Kloppe im Innenhof, das Blut spritzt quer durch die Gegend und feuchtfröhlich ins Bild, gefilmt ist der Reigen von Sean Patrick O'Reilly als kenntnisreiches Live-Action Debüt; O'Reilly ist seit 2004 CEO und Gründer von Arcana, hat selber als Karikaturist kreiert und ab 2012 animierte Features gehandhabt, und O'Reilly dies als einzige Querverbindung zu Willis – war die letzten wenigen Jahre als Executive Producer bei dessen Arbeiten für die ebenfalls kanadischstämmige 308 Entertainment aktiv. Hier der Übergang vom Comic-Layout in ein Storyboard und die 'Realität', der Übertrag von einem (fremden) Format in ein anderes eigenes, das Probieren und Studieren in einer anderen Sparte und die Abhängigkeit von mehr Geld und einem erweiterten Team. Eine Unsicherheit ist dabei nicht bemerkbar, Veränderungen zum Bildband gerade in kleineren Details (Ankunft per Bus statt per Hubschrauber, das Ubermax ist auch nicht auf einer Insel vor der Küste Floridas, sondern auf festen Boden, der Anstaltsleiter hat keinerlei Ähnlichkeit mit dem hier verschroben herausgeputzten Rooker etc.) schon, aber nicht unbedingt störend, ansonsten weist man mehr Aufwand, mehr Präzision, mehr Sorgfalt auf als die letzten Tätigkeiten vom Willis, und bemüht sich, die (überschaubaren, da eben auch blockierten) Extravaganzen von Bewohnern und Technologie der 'Parallelwelt' hier vor der Kamera und dies tatsächlich bodenständig einzufangen, dabei Ruhe und dennoch Fokus zu bewahren und nicht selber krampfhaft in die schlingernde Inszenierung zu gehen. (Einzig die kommentierende Musikauswahl ist auf Dauer lästig, und die "PulseWatch" Sendung als außenstehender Begleiter scheint auch unnötig.)
Zudem hat man aufgrund der Vorlage eine anything goes - Formel vorzuweisen und benutzt diese auch, Stimmungen können sich ändern oder gar schlagartig umkippen, viele Macht- und Grabenkämpfe, Bedrohungen von jetzt auf gleich, auch die Sympathien oder Identifikation sind nicht vorhersehbar und die Perspektiven ändern sich, was der ganzen Geschichte trotz (scheinbar) bekannter Zutaten regelmäßig eine neue Komponente beifügt und so trotz oder eher auch mit der Dialogarbeit auf Zug und Spannung hält. Ein Schachspiel, bei dem viele Figuren bereits in Gang gesetzt wurden und/oder verschiedene Seiten die nächsten Züge planen und die Antwort der Gegenüber erwarten, und bei dem auch alle Figuren wichtig und entscheidend für den Gesamtsieg sind. Dass man sich Gedanken bei der Besetzung gemacht hat und die Darsteller diese Erwartungen auch bedienen: hilft. Dass man sich klein hält, reduziert, und als Art semi-futuristischer Knuckledust, indem manche mit den Fäusten vorangehen, andere mit dem Hirn, die Regie beide Varianten betreibt: ebenso gewinnbringend.