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Als Mario Monicelli sich 1958 den "I soliti ignoti" und damit den "üblicherweise Unbekannten" widmete, hatte er schon einige Jahre als Drehbuchautor und Regisseur hinter sich. Seine Anfänge lagen in den 30er Jahren, in denen er häufig als Regieassistent arbeitete, bevor er an Drehbüchern zu Filmen aus der Phase des Neorealismus wie "I bambini ci guardano" (1944) oder "Riso amaro" (Bitterer Reis, 1949) mitwirkte. Sein Hauptaugenmerk galt aber von Beginn an dem komödiantischen Film. Schon in "Totò cerca casa" (Totò sucht eine Wohnung, 1950), bei dem er wie in vielen seiner frühen Filme gemeinsam mit Steno Regie führte, arbeitete er nicht nur mit dem italienischen Volksschauspieler Totò zusammen, sondern entwickelte den filmischen Humor aus einem genauen Abbild der Realität.

In der ersten Hälfte der 50er Jahre folgten noch eine Vielzahl von Filmen mit Totò (darunter "Guardi e ladri" (Räuber und Gendarm, 1951) und "Totò e le donne" (Totò und die Frauen, 1954)), die schon auf "I soliti ignoti" hinweisen, auch wenn dieser heute als Beginn der "Commedia all'italiana" gilt, der mit „Divorzio all’italiana“ (Heiraten auf Italienisch, 1961) und „Il sorpasso“ (Verliebt in scharfe Kurven, 1962) weitere herausragende Vertreter nach sich zog. Ebenso bestand die Zusammenarbeit mit den Drehbuchautoren Agenore Incrocci (unter dem Kürzel "Age" bekannt) und Suso Cecchi D'Amico schon einige Jahre - "Age" hatte die Drehbücher bei fast allen "Totò"-Filmen mit verfasst, während D'Amico gemeinsam mit Monicelli das Drehbuch zu "Proibito" (Verboten, 1954) entworfen hatte.

In "I soliti ignoti" vereinten sich eine Vielzahl von Stilen und Genres, die in dieser Mischung zuvor noch nicht auf die Leinwand gebracht wurden. Neben den neorealistischen Wurzeln, die sich im Umfeld und der Lebenssituation der Protagonisten widerspiegeln (immer wieder wählte Monicelli die modernen, gleichförmigen Neubauten für den Hintergrund, womit er schon an seine Episode aus "Boccaccio '70" von 1962 erinnert), paaren sich der teilweise abstruse Alltags-Humor, Reminiszenzen an den Stummfilm mit Einblendungen von Texttafeln und Slapstick-Einlagen, sowie eine Parodie auf den französischen Film "Rififi" (1955), in dem auch hier eine Gruppe von Männern zusammenkommen, um "ein großes Ding zu drehen". Das gab Monicelli die Gelegenheit gleich mehrere Typen zu klassifizieren, die zwar leicht überhöht gestaltet sind, aus denen sich der Charakter der in einfachen Verhältnissen lebenden Menschen aber stimmig zusammensetzt.

Gleich zu Beginn wird Cosimo (Memmo Carotenuto) beim Autodiebstahl geschnappt und landet im Gefängnis. Der Ältere versteht sich als Anführer der Herumtreiber und Tagelöhner seines römischen Stadtteils, weshalb er hofft, bald wieder entlassen zu werden. Besonders nachdem er von einer angeblich leichten Gelegenheit erfahren hatte, an viel Geld zu kommen. Seine Freundin Norma (Rossana Rory) stellt den Kontakt her zu den anderen Kumpels, darunter Mario (Renato Salvatori), ein junger Mann der im Waisenhaus aufwuchs und sich mit Diebstählen durchschlägt, der Neapolitaner Michele (Tiberio Murgia), der notfalls mit dem Messer die Unschuld seiner Schwester Carmelina (Claudia Cardinale in einer ihrer ersten Rollen) und die Traditionen seiner Heimat verteidigt, der Fotograf Tiberio (Marcello Mastroianni), der alleine sein Baby versorgen muss, weil seine Frau für drei Monate im Gefängnis sitzt, und der kleine Caspanelle (Carlo Pisacane), der ständig auf der Suche nach etwas Essbarem ist.

Um Cosimo aus dem Gefängnis zu bekommen, wollen sie einen bisher nicht Vorbestraften mit Geld dazu überreden, den Autobruch zu gestehen. Dafür bietet sich der Boxer Peppe, genannt „di Pantera“ (Vittorio Gassman), an, der gerade wieder, trotz seines nicht unerheblichen Selbstbewusstseins, einen Kampf verloren hatte, bisher aber immer anständig blieb. Da er keine Lust hat, arbeiten zu gehen, nimmt er das Angebot an und stellt sich der Polizei. Doch diese fällt auf das leicht zu durchschauende Manöver nicht herein, sondern verknackt Peppe ebenfalls für drei Jahre. So behauptet dieser zumindest tieftraurig gegenüber Cosimo, bis er dem Boxer seinen Plan verrät. Tatsächlich hatte Peppe nur ein Jahr auf Bewährung bekommen, weshalb er mit dem Wissen triumphierend das Gefängnis verlässt. Draußen wollen ihm Cosimos Kameraden und Norma entsprechend an den Kragen, aber als sie erfahren, das er den Plan kennt, machen sie gemeinsame Sache mit ihm.

Ohne das Monicelli konkret auf ihre materielle Situation eingeht oder irgendwelche Kritik an realen Zuständen äußert, beschreibt er ein Leben, das alle Beteiligten dazu zwingt, jederzeit auf veränderte Situationen zu reagieren und immer den Moment nutzen zu müssen. Ihr Leben gibt ihnen keine Sicherheit. Feste Standpunkte einzunehmen oder langfristige Planungen sind ein Luxus, den sie sich nicht leisten können, weshalb der Versuch, einen Tresor mit einer aufwändigen Vorbereitung zu knacken, von vornherein zum Scheitern verurteilt ist. Entsprechend geht auch schief, was schief gehen kann, aber ihre gleichzeitige Fähigkeit zur Flexibilität und Improvisation, hilft ihnen selbst in ausweglos scheinenden Situationen weiter. So komisch die jeweiligen Wendungen sind, so ungeschickt sich die Protagonisten manchmal anstellen, so wenig ist „I soliti ignoti“ eine Persiflage auf einen „Heist-Coup“ oder gar eine „Loser-Komödie“, wie es der deutsche Titel „Diebe haben’s schwer“ vermittelt, auch wenn der Film das Genre in diese Richtung beeinflusste.

Bei Monicelli ist der geplante Einbruch ein Synonym für das Leben der Beteiligten, denen eindeutig seine Sympathie gehört. Keine kriminelle Energie, sondern nur die Aussicht auf ein Einkommen treibt sie in das Abenteuer, und das sie sich von Rückschlägen nicht verrückt machen lassen, liegt nur daran, das diese zu ihrem Leben gehören. Zur tragischsten Figur wird entsprechend Cosimo, der dank einer Amnestie doch wenig später frei kommt, denn er kann mit der veränderten Situation draußen nicht umgehen. Anstatt einfach mitzumachen, wie ihm seine Kameraden anbieten, will er sich an Peppe rächen und seine Position als Anführer zurück haben. Sein Versuch, sich alleine durchzuschlagen, wird von Monicelli mit dem gewohnten Humor geschildert, macht aber deutlich, wie nahe die Grenze zur Tragik liegt. Erwartungsgemäß scheitert Cosimo bei einem Handtaschenraub, da es ihm nicht gelingt der älteren Dame diese von seinem Fahrrad aus zu entreißen. Als er fliehen will, wird er von einer Straßenbahn tödlich erfasst. Letztlich war es seine mangelnde Bereitschaft zur Flexibilität, die ihn scheitern ließ.

Noch einige weitere Figuren gesellen sich mit der Zeit hinzu, wie der alte Tresorknacker Dante Cruciani (Totò), der den Beteiligten Tipps gibt, selbst aber nicht mitmachen kann, da er unter polizeilicher Beobachtung steht. Neben solchen von Totò souverän gespielten komischen Episoden fällt auf, das der sonstige Stil von „I soliti ignoti“ eher nüchtern ist, keinen Moment in Sentimentalitäten verfällt, auch nicht in den Beziehungen zu den Frauen. Schon die Begegnung von Norma und Cosimo, als diese ihn im Gefängnis besucht, deutet an, das sie schon lange darauf wartet, geheiratet zu werden, und als Tiberio am Tag des Einbruchs seiner Frau das Baby für einen Tag ins Gefängnis bringt, reagiert diese nur mit Unwillen – auch Beziehungen zwischen Mann und Frau unterliegen den Gesetzen des Pragmatismus. Das gilt sogar für Peppe und die sehr hübsche, neckische Nicoletta (Carla Gravina), zwischen denen sich etwas anzubahnen scheint. Peppe verhält sich ihr gegenüber auch sehr anständig, aber für Romantik bleibt beim täglichen Überlebenskampf kein Raum. Nur Mario kann trotz ihres strengen Bruders das Herz von Carmelina gewinnen, aber bevor daraus etwas werden kann, muss er sich erst einmal eines anständigen Lebenswandels befleißigen (im Hintergrund seiner Arbeitsstelle, einem Kino, ist das Plakat von "Kean" (1956) zu sehen, einer Regie-Zusammenarbeit von Vittorio Gassman und Francesco Rosi).

Die Leichtigkeit, die Improvisationskunst und der Witz, mit denen „I soliti ignoti“ bestens unterhält, und damit für viele „Gaunerkomödien“ zum Vorbild wurde, spiegeln nicht nur den Charakter der Protagonisten wider, sondern lassen gleichzeitig an der Härte der Realität keinen Zweifel. Ohne diese Eigenschaften wären sie nicht in der Lage mit ein wenig Selbstachtung zu überleben.(9/10)

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