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Arboreten wurden vereinzelt bereits vor einigen Jahrhunderten angelegt. Es handelt sich hierbei um Baumparks mit teils exotischen Arten, um deren Wachstumsverhalten zu beobachten, was im Zuge des Klimawandels eine nicht zu unterschätzende Bedeutung erhält.
Als reine Metapher scheint der Titel des Regiedebütanten Julian Richberg vielleicht etwas zu weit hergeholt, doch anderweitig lassen sich überraschend gute Ansätze erkennen.

Ein Provinznest irgendwo in Thüringen um die Jahrtausendwende: Die Schüler Erik und Sebastian sind nicht nur Außenseiter und Mobbingopfer, auch in der hiesigen Jugendszene fühlen sie sich weder den Punks und erst recht nicht den Nazis zugehörig. Als Erik eine Beziehung mit der Punkerin Elli eingeht, scheint ein Waldwesen die düsteren Seiten des Schülers zu verstärken…

Der Stoff schwankt irgendwo zwischen Coming of Age, Sozialdrama, Donnie Darko und deprimierendem Heimatfilm. Die Ausstattung ist für einen Streifen in jener Preisklasse allerdings rundum gelungen. In dem Kaff scheint die Zeit seit Dekaden stehen geblieben zu sein, Dorffeste sind selbst im Vollrausch kaum zu ertragen und wenn man nicht gerade Prügelspiele zockt, muss man an jeder Ecke mit prügelnden Glatzen rechnen. Die Perspektivlosigkeit manifestiert sich folgerichtig an Hauptfigur Erik, der bereit ist, mit seinem Taschenmesser an einem toten Vogel herumzustochern, wenn er nicht gerade Flüsterstimmen aus dem Wald vernimmt.

Früh werden dem Drama übersinnlich anmutende Elemente beigemengt, die jedoch nie in überladener Form inszeniert sind. Selbst das gehörnte Waldmonster, welches unweigerlich an den Teufel erinnert, erscheint beinahe dezent im Hintergrund. Richberg weiß offenbar sehr genau um seine Mittel und neigt nicht zur Überschätzung, wogegen die Story phasenweise etwas zu sehr auf der Stelle tritt und anbei Themen anschneidet, die zu undenkbaren Zeitpunkten angeschnitten werden. So erzählt Eriks Vater von seinen traumatischen Erlebnissen als Grenzpolizist, - allerdings während just die aktuellen Bilder von 9/11 im Fernsehen laufen.

Mit dem überhastet anmutenden Finale tut sich die Geschichte ebenfalls keinen Gefallen, denn der anberaumte Schlag in die Magengegend verpufft weitgehend und verfehlt seine Wirkung, zumal sich jene Zuspitzung weit im Vorfeld ankündigte. Hierfür mangelt es jedoch an einer psychologisch nachvollziehbaren Grundlage, denn so wirklich nah kommt man keiner Figur innerhalb der knapp 79 Minuten.

Während die wenigen Gewalteinlagen problemlos mit einer FSK16 einhergehen, überraschen die mehrheitlich unerfahrenen Darsteller mit ordentlichen Leistungen. Zwar wirken einige Dialogpassagen etwas hölzern, doch mimisch fällt keiner durchs Raster. Ebenfalls gelungen ist der sauber abgestimmte Score, der vorherrschende Stimmungen adäquat untermauert und speziell die surrealen Momente sehr passend untermalt. Ein Manko ist hingegen die Handkamera, die besonders beim Finale einige Male etwas zu sehr wackelt, während ansonsten durchdachte Blickwinkel einen oftmals professionellen Eindruck vermitteln.

Letztlich ist die deutsche Genremischung zwar kein wirklicher Hoffnungsschimmer auf dem kleinen Feld des Independent-Terrains, doch der Stoff nimmt über weite Teile in Beschlag und punktet in erster Linie mit atmosphärischen Kulissen und einer leicht mystisch angehauchten Grundstimmung. Für ein Debüt ist das zumindest ansehnlicher als vieles, was ähnlich gesinnte Filmemacher nach einigen Jahren Erfahrung immer noch nicht hinbekommen.
6,5 von 10




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