Steve McQueen auf der Flucht – das gab es 1963 in „Gesprengte Ketten“ zu bestaunen und zehn Jahre später noch einmal in „Papillon“, einem Film, der ebenso zu einem Klassiker wurde wie „The Great Escape“. Basierend auf dem (teilweise) autobiographischen Roman des echten „Papillon“, Henri Charrière, folgt Franklin J. Schaffners Film der Leidensgeschichte Henris in der berüchtigten Gefängniskolonie auf Französisch-Guayana.
Wie der reale Henri Charrière, ist auch die Hauptfigur im Film keine Person, die sich mit ihrem Schicksal (lebenslange Zwangsarbeit) zufrieden gibt, sondern bereits während der Überschiffung auf die „Teufelsinsel“ unentwegt von Flucht und Freiheit träumt. Charakterlich stark und zudem charismatisch, weiß er dennoch, dass er dies nicht alleine verwirklichen kann und geht früh auf einen Handel mit dem Fälscher Louis Dega ein: Papillon beschützt den reichen und intelligenten, aber körperlich schwachen und schüchternen Mann vor Übergriffen anderer Häftlinge, dafür stellt ihm Dega die finanziellen Mittel zur Flucht zur Verfügung.
Steve McQueens Papillon passt zur Hauptperson eines Ausbrecherfilms wie die Faust aufs Auge, denn er bringt das nötige Maß an Ausstrahlung, physischer Präsenz und Charakterstärke mit, um den Zuschauer schnell auf seine Seite zu ziehen. Dabei ist es gar nicht so wichtig, ob Papillon zurecht wegen Mordes verurteilt wurde oder nicht. Seine menschliche Größe zeigt sich nämlich spätestens ab der Einzelhaft aufgrund eines gescheiterten Fluchtversuchs, wo er darauf verzichtet, seinen Kumpel Dega zu verpfeifen und damit die halbe Essensration und Dunkelhaft in Kauf nimmt. Für den körperlich ungleich schwächeren Dega hätten diese Haftzustände wohl unweigerlich zum Tode geführt, nicht so für Papillon, der anschließend zwar äußerlich völlig am Ende ist, den Gedanken an Flucht jedoch sofort wieder aufnimmt und letztendlich auch mit List, Geschick und der Hilfe anderer durchzieht.
Im Schlussdrittel werden die drei Ausbrecher schließlich getrennt, doch während man zunächst nicht weiß, was mit Dega und dem Arzt geschieht, begleitet man fortan Papillon auf seiner abenteuerlichen Flucht durch Sümpfe und Dschungel. Schlussendlich landet er doch wieder in Einzelhaft und bei seiner Entlassung zeigt sich endgültig die Unmenschlichkeit des Strafsystems: Nicht nur körperlich ist Papillon ausgemergelt, auch psychisch ist er nicht mehr auf der Höhe, genauso wenig wie sein alter Freund Louis, den er wieder trifft, als er auf eine andere Insel verlegt wird. Dort geht es sehr viel humaner zu, die Gefangenen dürfen in kleinen Hütten hausen, einen Garten pflegen und Haustiere halten. Aber ein Entkommen ist auch hier nicht möglich. Während Dega sich längst mit seinem Schicksal abgefunden hat, kann Papillon weiterhin nur an die Freiheit denken und wagt, geistig mittlerweile fast vollständig abwesend, einen letzten Fluchtversuch.
Papillon steht für unbändigen Freiheitsdrang, für Willensstärke und die Fähigkeit, sich einem unmenschlichen System auch nach Schicksalsschlägen und im Zustand größter körperlicher und seelischer Schmerzen nicht zu unterwerfen. Gleichzeitig ist Schaffners Film auch ein herausragendes Beispiel einer durch nichts zu brechenden Männerfreundschaft, die alleine aufgrund der Extremsituation auf Französisch-Guayana entsteht. Als Drama funktioniert der Film durch seine herausragenden Darsteller (McQueen agiert ungewohnt facettenreich, Hoffman passt schon rein äußerlich perfekt zum gebrechlichen, schüchternen Dega), als Abenteuer aufgrund seiner exotischen Schauplätze, die Schaffner so gekonnt einfängt, dass man in der Sequenz bei den Eingeborenen sogar liebend gerne mit Papillon tauschen würde. Und in Sachen Action muss sich „Papillon“ selbst vor heutigen Produktionen nicht verstecken, denn durch die schnellen Schnitte in den spärlich eingestreuten Verfolgungssequenzen wirkt der Film sehr modern für seine Zeit und mit Steve McQueen ist eh der Bruce Willis seiner Generation als Zugpferd mit dabei. Um sämtlichen Facetten der Story gleich viel Aufmerksamkeit zu schenken, hätte vielleicht eine zusätzliche halbe Stunde nicht geschadet, so wirkt „Papillon“ vor allem zum Ende hin manchmal recht gedrängt.
Nichtsdestotrotz hat Schaffner mit einigen Sequenzen Filmgeschichte geschrieben: Die Einzelhaft Papillons, die sich über quälende zwanzig Minuten hinzieht und einen McQueen in der Form seines Lebens präsentiert, wird man ebenso wenig vergessen wie die halsbrecherische Flucht aus dem Lager, manch einen Kameraschwenk über palmengesäumte Südseestrände und nicht zuletzt den finalen Sprung Papillons von der Klippe, dem eine denkwürdige Schlusseinstellung folgt. Mag die Spannungskurve anderer Fluchtklassiker konstanter und straffer sein, als menschliches Drama lässt „Papillon“ die meisten Genrevertreter alt aussehen und die visuellen Schmankerl sollten immer noch jeden von den Socken hauen!