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Den nervenaufreibenden Klinikalltag kennt Krankenpflegerin Amy Loughren (Jessica Chastain) nur allzugut, muß die alleinerziehende Mutter zweier Töchter doch Nachtschichten einlegen, um halbwegs über die Runden zu kommen. Dabei sollte sie sich bezüglich ihres angegriffenen Herzens eigentlich schonen, doch der ärztlich angeratene Krankenstand kommt für sie nicht infrage, da sie keine Krankenversicherung hat. In den Genuss Letzterer kommt sie erst in einem halben Jahr, und solange muß Amy wohl oder übel durchhalten am Parkfield Memorial Hospital in New Jersey.

Immerhin kann ihre Chefin ihr eine sehr willkommene Verstärkung ankündigen, da sich ein Pfleger gerade beworben hat und auch gleich anfängt: Charles Cullen (Eddie Redmayne) heißt der Neue, der sich auch gleich erfreulich tatkräftig präsentiert. Auch Cullen hat zwei Kinder, die er nach der Scheidung allerdings nicht mehr sehr oft sieht, ähnlich wie Amy, die für ihre Töchter oftmals ein Kindermädchen bestellen muß. Solchermaßen eine Art Schicksalsgemeinschaft bildend, quatschen Amy und ihr neuer Kollege zunehmend auch über private Dinge und es entwickelt sich bald eine (platonische) Freundschaft zwischen den beiden Pflegekräften.

Als eine Patientin in der Nachtschicht überraschend verstirbt, taucht auch die Polizei im Spital auf, um die Pfleger zu befragen. Trotzdem seither bereits 7 Wochen vergangen sind und die Patientin mittlerweile eingeäschert wurde, erinnert sich Amy noch genau, daß bei der älteren Dame Insulin im Blut gefunden wurde, was sie als krasse Fehlmedikation deutet. Sie selbst war in jener Nacht dienstfrei, Cullen ebenfalls - hat eine andere Pflegekraft einen Fehler gemacht oder lag es am Hersteller der Kochsalzlösungen?

Die Beamten Danny Baldwin (Nnamdi Asomugha) und Tim Braun (Noah Emmerich), die in so einem Fall prinzipiell ermitteln, finden keine Erklärung dafür. Bei der Routinekontrolle der Personalien aller Pfleger stoßen sie allerdings auf einen älteren Eintrag betreffend Charles Cullen, der vor Jahren einer Kollegin die Autoreifen zerstochen hatte. Der dazu befragte seinerzeitige Dienstgeber jedoch hüllt sich über Cullen komplett in Schweigen. Die Ermittler forschen weiter und bekommen heraus, daß Charles Cullen in insgesamt 9 Krankenhäusern als Pfleger gearbeitet hatte, aber die betreffenden Personalabteilungen mauern jedesmal, wenn der Name Cullen fällt. Selbst bei einem persönlichen Termin in der Chefetage des Parkfield Memorial läßt die Stationsleiterin die Polizei eiskalt abblitzen. Als eine weitere, wesentlich jüngere Patientin überraschend stirbt, haben die Beamten schon einen Verdacht, wer dahinter stecken könnte, können jedoch nichts beweisen. Die erneut befragte Amy will von diesem Verdacht aber nichts wissen. Das ändert sich erst, als sie sich mit einer früheren Bekannten trifft, einer Pflegerin, die eine zeitlang mit Cullen zusammengearbeitet hatte...


The Good Nurse ist die True-Crime-Geschichte um einen mörderischen Pfleger betitelt, die unter der Regie von Tobias Lindholm entstand. Dabei legt das Drehbuch vor allem Wert auf das Erleben der mysteriösen Todesfälle aus Sicht der titelgebenden 'good nurse' Amy, die erst langsam begreift, welch mörderischem Kollegen sie da in Freundschaft verbunden ist.

Jessica Chastain gelingt es dabei, ihre Rolle als überforderte Mutter, die sich im Dienst ihrer dankbaren Patienten mehr oder weniger aufopfert, sehr authentisch darzustellen - von den ersten leisen Zweifeln bis hin zu einer Art Kronzeugin der Polizei, die ohne ihre Hilfe nicht weiterkommt. Auch Eddie Redmayne in der Rolle des nach außen hin harmlos wirkenden Täters weiß zu überzeugen, gleichwohl er wesentlich weniger im Fokus steht. Der Film weist an mehreren Stellen überdeutlich auf die Mitverantwortung der Klinikleitungen hin, die bei Aufkommen eines Verdachts angesichts sich häufender Todesfälle überall dort, wo Cullen arbeitete, diesen nur entließen, jedoch niemals Anzeige erstatteten und dessen Personalakte auch nachträglich unter Verschluß hielten.


Tatsächlich hatte der 2003 verhaftete Charles Cullen in den 16 Jahren seiner Tätigkeit zwischen 1988 und 2003 möglicherweise bis zu 400 Menschen ermordet. 45 davon gab er zu, was ihm zwar die Todesstrafe ersparte, ihn jedoch insgesamt mit 18 Mal lebenslänglich wortwörtlich lebenslang hinter Gitter brachte, wo er heute noch sitzt. Über seine Motive allerdings schwieg er sich stets aus. Interessant ist jedoch, daß Cullen einen von ihm selbst entdeckten Bug am computergestützten Medikamentenausgabesystem nutzte, indem er die Bestellung des angeforderten Insulins bzw. Digoxins im letzten Moment abbrach, das Medikament aber trotzdem erhielt. Der Computer jedoch protokollierte nur Stornierungen, womit Cullen nicht nachzuweisen war, daß er die Mittel tatsächlich erhalten hatte. Für die tödliche Anwendungen spritzte er die durchsichtigen Flüssigkeiten in Kochsalzlösungsbeutel, die überall häufig verwendet wurden. Jedesmal wenn eine ahnungslose Pflegekraft einen solchen Kochsalzlösungsbeutel mit der äußerlich nicht erkennbaren Verunreinigung anhängte, wurden die Patienten dadurch langsam vergiftet - ein teuflischer Plan, der lange Zeit unbemerkt blieb.

Dem europäischen Zuschauer dieses feinfühlig inszenierten Krimidramas mag vielleicht weniger die monströse Anzahl von bis zu 400 Ermordeten im Gedächtnis bleiben - schließlich gab es im deutschsprachigen Raum ähnliche Fälle wie z.B. einen Oldenburger Pfleger oder die Lainzer Todesengel aus Wien - als vielmehr der Umstand, daß eine in einem Vollzeitjob hart arbeitende US-Amerikanerin Anfang Vierzig nicht automatisch krankenversichert ist.

Trotz der mangelnden Spannung anhand des seinerzeit weltweit Schlagzeilen machenden, bekannten Falls ist The Good Nurse dank seiner nuanciert auftretenden Hauptdarstellerin ein durchaus sehenswerter Film - 7 Punkte.


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