Wer den großen Bollywood-Hype in den 90ern verpasst hat, erhält nun dank Netflix nochmal eine niedrigschwellige Eintrittschance in dieses wundersamste aller Genres: RRR galt zahlreichen Kritikern als bester Actionfilm des Jahres 2022 und wurde nicht erst durch seinen oscarprämierten Titelsong (Premiere für einen indischen Film) zum weltweiten Phänomen.
Um den Film zu genießen, sollte man sich vorab unbedingt von seinen Vorstellungen bezüglich schlüssiger Handlung, Logik und Motivation verabschieden.
Regisseur Rajamouli, der schon den aberwitzigen EEGA (MAKKH) um eine reinkarnierte rachsüchtige Fliege inszenierte, überspannt den Bogen der Glaubwürdigkeit nämlich deutlich über die Belastungsgrenzen des gewöhnlichen (nichtindischen) Filmpublikums hinaus.
Allein die Einführung seiner beiden Helden ist prädestiniert, Actionfilmgeschichte zu schreiben: Während der eine sich nur mit einem Stock bewaffnet durch hunderte (!) Demonstranten kämpft, um einen (!) Mann festzunehmen, fängt der andere mal kurz einen Tiger mit bloßen Händen. Doch das setzt nur den Standard für eine ganze Reihe von Actionsequenzen, deren Einfallsreichtum und krasse Over-the-top-Chuzpe sowohl JOHN WICK als auch FAST & FURIOUS ganz schön alt aussehen lassen. Auch wenn deren CGI natürlich ein gutes Stück gelungener ist.
Dafür darf man nicht auf ausgewogene Charakterzeichnungen hoffen: Die Helden sind hier heldenhafter als das gesamte AVENGERS-Personal neben den abgrundtief bösen Engländern sähen selbst die übelsten Filmnazis noch wie Sympathieträger aus. Aber das ist eben Bollywood.
Eine Besonderheit im Genre ist neben den famosen Actionszenen und der für hiesige Verhältnisse ungewöhnlich plakativ geschilderten Bromance auch der Einsatz der Songs. Diese sind nämlich nicht wie oft üblich poppiges Beiwerk sondern maßgeblich zur Handlung bei und kommentieren diese.
Wer sich auf drei Stunden in einer völlig anderen Welt einlässt, wird also reich belohnt.