*** SPOILERWARNUNG ***
So richtig gerecht wird der Film dem Titel nicht. Wobei das natürlich auch mit der Erwartungshaltung zusammenhängt. Aber da man schon das Multiversum in den Ring wirft, hätte man gerne noch ein paar mehr zeigen dürfen. Der halbminütige Schnelldurchlauf entschädigt da nicht für alles, am Ende sind's effektiv nur ein paar wenige. Trotzdem wird natürlich ein bisschen durch verschiedene Inkarnationen der Welten gesprungen.
Verursacht wird dies durch America Chavez, die Portale zwischen den Universen öffnen kann und irgendwann auf der Suche nach einem magischen Buch im uns bekannten landet. Hier trifft sie auf den hiesigen Dr. Strange, der ihr zwar helfen will, sich aber vorher Rat bei Wanda Maximoff abholen will. Doch die reagiert anders als von ihm erhofft.
Scott Derricksen, der den Vorgänger inszenierte, verließ das Projekt wegen der schon oft beschworenen kreativen Differenzen. Man holte Sam Raimi, der neben seinen Spider-Man-Filmen mit Tobey Maguire vor allem für seine früheren Horrorklassiker bekannt ist. Das ließ auch deshalb aufhorchen, weil das Studio einen Film versprach, der mehr in Richtung Horrorgenre gehen sollte. Bekommen hat man das hier trotz manch blutiger Einlage nicht wirklich, denn schließlich muss man sich doch zu vieler Konventionen des MCU unterwerfen.
Raimis Handschrift ist aber immer wieder sichtbar. Wäre schön gewesen, wenn man ihn mehr von der Leine gelassen hätte. Aber auch so erkennt man aufgrund mancher Einfälle und Kameraeinstellungen seine Trademarks. Und gerade die Sequenzen, die nach ihm aussehen, sind auch mit die gelungensten. Es geht für MCU-Verhältnisse auch rabiater zu, diverse Charaktere sterben hier keinen angenehmen Tod (sofern es dann denn überhaupt gibt).
So ziemlich in der Mitte gibt’s dann eine Cameo-Parade, was sich aufgrund der Multiversums-Thematik ja auch anbietet. Die Sequenz war in der Länge nicht unbedingt nötig, trotzdem bin ich da vollkommen fein mit. Zwar wird hier auch ein bisschen darüber referiert, welche Gefahr denn von Strange selbst und der ihm innewohnenden Macht ausgeht, letztlich sind die präsentierten Figuren aber überwiegend schnuppe und geben effektvoll den Löffel ab. Das wiederum hat Raimi dann schön in Szene gesetzt, wenn auch durch die angestrebte Altersfreigabe beschränkt.
Insgesamt ist die Story aber nicht so recht ausbalanciert, mitunter wirkt Dr. Strange eher wie eine Nebenfigur. Auf emotionaler Ebene liegt hier die Gewichtung bei Wanda. Wobei es hier definitiv hilfreich ist, wenn man die Serie „WandaVision“ gesehen hat, wirkt der Film doch bisweilen wie deren Verlängerung. Zwar ist ihre Motivation schnell ausformuliert, aber ist es eben etwas, in das man sich reinfühlen kann. Ihre konsequente Vorgehensweise macht sie da auch zu einer der interessanteren Antagonisten des MCU.
Die neue Figur der America Chavez, gespielt von Xochitl Gomez, hat zwar zentrale Bedeutung, bleibt als Figur aber ziemlich leer. Eine Szene mit etwas Hintergrund, das war's. Da entwickelt sich auch keine Beziehung zu Strange und überhaupt passiert zwischen den Figuren auf emotionaler Ebene nicht viel, das berührt. Gekriegt hat mich da eher der Auftritt von Raimi-Spezi Bruce Campbell.
Benedict Cumberbatch als Titelheld macht das wie im Vorgänger gut, darf hier in verschiedenen Versionen auch mal etwas andere Nuancen reinbringen.
Was die visuelle Präsentation angeht, ist das hier erwartbar effektlastig ausgefallen. Das bringt manch künstlich wirkende Umwelt und Figur auf die Leinwand, ist insgesamt aber doch gelungen (für die Menge). Man sollte sich von der Auftaktsequenz jedenfalls nicht abschrecken lassen. Zwar bekommt man immer mal wieder diese Videospielästhetik präsentiert, dafür gibt es aber auch einige sehr gelungene Bilder (schwebende Trümmer) und Ideen (Noten).
Auf die Ohren gibt es diesmal was von Danny Elfman, der mal von Michael Giacchino aus dem Vorgänger zitiert, mal klassische Kompositionen einarbeitet und natürlich auch eigenes Material beisteuert. Hängen geblieben ist davon allerdings nichts.
Ein "Multiverse of Madness" habe ich hier nicht gesehen, dafür ging mir das nicht weit genug. Gesehen habe ich aber einen unterhaltsamen Beitrag zum MCU. Unter Raimis Einfluss, von dem ich gerne mehr drin gehabt hätte, entstand ein kurzweiliger, visuell gelungener, auf emotionaler Ebene aber nicht mitreißender Film.