Pubertät und Familienhorror bilden die Kernthemen in dem Debüt der finnischen Regisseurin Hanna Bergholm. Ihr Mystery Horror punktet vor allem in den ruhigen Momenten, bevor er in der zweiten Hälfte die eher konventionellen Flügel ausbreitet.
Die 12jährige Kunstturnerin Tinja (Siiri Solalinna) lebt in einer scheinbar harmonischen Familie, was die Mutter via Video-Blog in den Sozialen Medien zu verkaufen versucht.
Als das Mädchen eines Tages ein ominöses Ei im Wald findet, brütet sie es daheim aus, woraufhin ein vogelartiger Hybrid entschlüpft. Und der folgt nicht nur hehren Absichten…
Eine auffällige Besonderheit ist dieser Mischvogel, der via Animatronik und nicht etwa per CGI in Szene gesetzt ist. Er erinnert ein wenig an eine Mischung aus Muppets und den frühen Werken von Peter Jackson und wäre als Hauptbestandteil eines Kurzfilms wahrscheinlich schon zum Kult avanciert. Gerade die anfänglichen Begegnungen zwischen Tinja und der Kreatur beinhalten ein paar starke Momente, die zwischen Harmonie und Abscheu genau die richtige Balance aufweisen.
Die überdeutliche Kritik gegenüber der glatt gebügelten Fassade von Infaulenzern steckt indes voller Klischees und lässt erst gar keine ambivalenten Tendenzen zu. Die sterile Wohnungseinrichtung mit penetranten Blumentapeten zählt ebenso dazu wie der betont passiv eingestellte Vater, der nervige Bruder und die überehrgeizige Mutter, die als Hochleistungssportlerin einst scheiterte und ihre Ziele nun in Form ihrer Tochter noch zu erfüllen versucht. Kein Wunder, dass ein Kind in der Pubertät hier etwas auf psychologischer Ebene auszubrüten hat.
Dass Regisseurin Bergholm einige Szenen aus „Final Destination 5“ sehr genau studiert haben muss, ist bei der Inszenierung einiger akrobatischer Einlagen an Reck und Barren unübersehbar, denn man erwartet jederzeit so etwas wie einen Unfall oder zumindest einen missratenen Abgang, was die unheilvolle Atmosphäre für einige Zeit verstärkt.
Demgegenüber ist die Welt außerhalb der Sporthalle jedoch recht überschaubar ausgefallen und mal abgesehen von zwei weiteren Figuren aus Tinjas Umfeld ereignet sich über weite Strecken nicht allzu viel, zumal die bedrohlichen Aspekte für eine Weile in den Hintergrund geraten.
Neben einigen Momenten in Richtung Body Horror sind nicht allzu viele Gewalteinlagen mitzunehmen und auch direkte Konfrontationen werden mehrheitlich ausgeblendet. Zwar steigt die Spannungskurve während des Showdowns ein wenig an, doch aufgrund vorhersehbarer Ereignisse liefert das Finale nicht die eventuell zu erwartende Pointe.
Die soliden Mimen, allen voran Siiri Solalinna und das souveräne Handwerk täuschen insgesamt nicht darüber hinweg, dass dem Stoff spätestens ab der Mitte die Ideen ausgehen und nach überraschend gelungenen Ansätzen doch nur ein leicht überdurchschnittlicher, weil eigenwillig bizarrer Genrebeitrag übrig bleibt.
6 von 10