„Blonde“ basiert auf dem gleichnamigen Roman von Joyce Carol Oates und diese stellte schon selbst klar, dass es sich bei ihrem Buch nicht um eine Biographie handelt. Denn Oates' Vorlage ist Fiktion, die Vorlage somit spekulativ und fühlt sich dabei trotzdem nicht zwingend wie aus der Luft gegriffen an. Doch sind es Vermutungen, die viel auffüllen.
Adaptiert und inszeniert von Andrew Dominik bleibt dieser seinem Stil treu und liefert eine nicht leicht zu konsumierende Reise dieser Figur, die alle kennen und die doch keiner kennt, deckt dabei nahezu die gesamte Lebenszeit der Norma Jeane Baker ab. Dies geschieht über mehrere Stationen, die unter Angabe von Jahreszahlen einzuordnen sind und bei der Orientierung helfen. Und bei all den Spielereien wie dem Wechsel von Schwarzweiß und Farbe, verschiedenen Bildformaten und dem Ineinandergreifen manch (alb)traumhafter Montage kann man sich über jeden Anker freuen.
Auffallend ist der wiederkehrende Rückgriff auf das Rund, die Kameralinse, das Auge, den Fotoblitz – allgegenwärtig bis in den OP. Es ist der permanente Blick auf eine Figur, der hier im Mittelpunkt steht und es dauert nicht allzu lange, bis man sich als Zuschauer mitschuldig macht. Es gilt, alles zu sehen, durchschauen zu wollen, um das Konsumieren. Von einer Figur, die sich selbst aufgespalten hat, von Fleisch, das geliefert wird und die Metzgerei heißt Hollywood. Show must go on und Material ist zum Verbrauchen da. Macht Dominik das allerdings nicht auch selbst, wenn er hier über zweieinhalb Stunden auf das von Beginn an als solches konzipierte Leiden blickt?
Das Leben der hier abgebildeten Baker / Monroe, die Trennung von Figur und Person, eine Selbst(er)findung mit einem tiefsitzenden Trauma. Die den Film durchziehende Suche nach der Vaterfigur, die sich auch auf ungesunde Weise in den Beziehungen zu anderen Männern zeigt, ist da nur ein Baustein der labilen Persönlichkeit, für die schon in der Kindheit der Grundstein gelegt wurde. Verstärkt durch spätere Übergriffigkeiten und das Zermahlenwerden in der männergeführten Filmindustrie.
Und so ist Dominiks Werk weder Hommage, noch Zelebrierung einer Schauspielerin oder eines Menschen. Er zeigt die Werdung zum Objekt, zur Ware im Eigentum aller (so nehmen sie an), in Zeitlupen und mit Verfremdungseffekten bis hin zu der direkt ans Publikum gestellten und berechtigten Frage, was uns das alles denn überhaupt angeht.
Chayse Irvins Kamera liefert hierbei gelungene Bilder und der Score von Nick Cave sowie Warren Ellis erinnert zeitweise an „Twin Peaks“ und nicht nur das bringt inszenatorisch Gedanken an David Lynch auf.
Ana de Armas in der Hauptrolle spielt überzeugend, muss sich aber der Einseitigkeit der Betrachtungsweise unterwerfen. Generell ist das Ensemble gut gewählt, steht aber immer hinter der zentralen Figur zurück.
„Blonde“ hinterfragt ikonische Bilder, von denen her man Monroe kennt. Ist das nur Fiktion oder auch Anklage per se, gerichtet an ein System und auch an ein Publikum?
Keine Biographie, sondern eine vorgeführte Abwärtsspirale, eine Annäherung an das Leiden einer sich zu wehren versuchenden Figur. Die Vorlage ist schon Fiktion, andererseits kommen dann doch viele reale Ereignisse und Personen vor. So wirkt das alles manchmal wie ein Freifahrtschein, ohne dass man sich entscheiden müsste, was das denn hier nun sein soll. Eine Antwort gibt es hierfür nicht, dazu gefällt sich der teils langatmige Bilderbogen in der Opferrolle letztlich auch zu gut.
Dominiks Film ist unangenehm, dabei in seinem transportierten Text nicht sonderlich subtil. Das gehört aber zum Konzept, so völlig unglamourös und unromantisch. Er liefert mariniertes Fleisch, das zur Herstellung durch viele Hände ging und zur Unterhaltung vor den Augen des Beifall klatschenden Publikums in Stücke geschnitten wird. Nichts anderes macht Dominik aber hier auch selbst, beleuchtet seine Figur einseitig und ist von Anfang an nur auf Pein gebürstet, wenn auch in manch ansprechenden Bildern und lässt mich unentschlossen zurück.