Wolfgang Büld, in Subkulturkreisen bekannt durch und respektiert für seine Dokumentarfilme „Punk in London“ und „Punk in England“, drehte 1978 dieses im Rhein/Ruhr-Gebiet spielende Szene-Filmchen fürs TV um die Deutschland-Tour der ADVERTS, dessen Rahmenhandlung von einem jugendlichen Pärchen (sie Friseuse, er arbeitslos) erzählt, das den Weg der Band kreuzt.
Die Handlung im Groben: Die ADVERTS kommen auf Tour, das Pärchen ist gelangweilt (sie von ihm, er von seinem Leben), man besucht ein ADVERTS-Konzert, lernt die Band samt Anhang persönlich kennen, er ist scharf auf Bassistin Gaye, sie bumst den Roadie.
Klar, dass es sich hier um einen absoluten B-Movie handelt, dessen Akteure mit Schauspielerei nicht viel am Hut haben. So hat die Hauptdarstellerin („Karin“) das Temperament einer Schlaftablette und scheint permanent auf Valium zu sein. Der Rolle des „Peter“ bläute man vermutlich ein, er solle stets so gelangweilt wie möglich tun, wodurch er eine völlig aufgesetzt wirkende, affektiert-nölige Sprechweise an den Tag legt, die stellenweise wirkt, als karikiere er einen Homosexuellen. Allgemein strotzt der Film nur so vor unfreiwilliger Komik – z.B. wenn Prinzessin Valium an Gayes Bass herumzupft und „Looking Through The Gary Gilmore’s Eyes“ vor sich hin „singt“; ganz zu schweigen vom Anfang mit dem Hippie und dem rowdyhaften Verhalten des Schnauzbartträgers – Trash-Alarm!
Aber kommen wir zu den positiven Seiten des Films: Die ADVERTS verleihen dem Ganzen eine Menge (und nötigen) Pepp und die zahlreichen Live-Aufnahmen sind über jeden Zweifel erhaben. Deren (deutsch untertitelte) Dialoge sind bestimmt von britischem Humor und Spitzen gegen Deutschland („better luck for the next war“) und wirken weitaus weniger gekünstelt – was wahrscheinlich daran liegt, dass man der Band Gratis-Bier und Raum und zur Improvisation gab. Ebenfalls überaus gelungen ist die realitätsgetreue Darstellung deutscher Beamter (Zoll und „Freunde und Helfer“), die, anstatt in Notsituationen zu helfen, auf Paragraphen herumreiten und den ADVERTS Steine in den Weg legen. Witzige Einfälle beweist der Film außerdem bei schrägen Charakteren wie dem Lokaljournalisten mit seinem dummen Fragen und vor allem seiner oscarreifen Tanzeinlage, dem Promoter, der Schwierigkeiten hat, ein Hotel für die Band zu finden oder der Tussi, die nicht zum Konzert mitkommt, ohne sich vorher so richtig aufzudonnern, allerdings keinen Schimmer hat, wer überhaupt die ADVERTS sind.
Schwächen weist der Film hingegen eindeutig bei der Handlung auf: Angedachte Handlungsstränge werden nicht fortgeführt (wohl auch auf Wirken der Band hin, s. Interview im Booklet) und man vermisst so etwas wie eine Schlusspointe. [Achtung, Spoiler!] Nachdem Karin sich vom Roadie vernaschen ließ, finden sie und Peter am Ende des Films wieder zusammen, als ob nichts vorgefallen wäre… ja ja, die wilden Siebziger, oder was? Da hätte ich dann schon etwas mehr erwartet. Letztendlich bleibt ein halbdokumentarisches, sympathisches Zeitdokument mit viel Zeitkolorit, authentischen Aufnahmen einer ‘77er-Punkband, Komik und Charme, das mir viel Spaß bereitete.
Nachdem der Film lange Zeit nicht erhältlich war (nie auf VHS erschienen), nahm sich Sunny Bastards seiner an, restaurierte das Material, drehte eigenes Bonusmaterial in Form ausführlicher Interviews mit Regisseur Büld und bannte es zusammen mit Trailern und Bildern vom Set auf DVD, die außerdem ein zwölfseitiges Booklet mit ADVERTS-Historie und Interview mit Sänger TV SMITH enthält. Also wieder eine äußerst liebevolle Veröffentlichung des sympathischen Labels. Ironischerweise stellte sich das ZDF jahrelang bzgl. der Bereitstellung des Materials quer, um es kurz vor Veröffentlichung der DVD zum ersten Mal seit Jahren wieder auszustrahlen. Ein weiterer guter Grund, seine Glotze bei der GEZ abzumelden...
7/10 Punkten inkl. Charme- und Punk-Bonus.