Die Quintessenz einer unbedingt künstlichen Gothic-Welt? Die ultimative Erfahrung eines Kunsteisnebels, mitten in einer 24-stündigen Nacht auf einem Friedhof? Die Erhöhung der kleinräumigen und boshaften Welt der klassischen Monsterfilme, in der nur der Tod das Leben noch lebenswert macht?
Wer nicht genau weiß, was das Adjektiv „bavaesk“ bedeuten mag, hier bekommt er es um die Ohren gehauen bis es in seinen Alpträumen auftaucht. Ein zutiefst artifizieller und gotischer Kosmos, voller Spinnweben und merkwürdiger Ausleuchtungen, in der Tod und Verderben, Fäulnis und Fluch hinter jeder Ecke lauern, jederzeit bereit, sich auf die arglosen Helden (und deren wunderschöne Liebschaften) zu stürzen. Dieses Mal ist es ein kleines Dorf im Nirgendwo, das seinen Besucher, den Gerichtsmediziner Esmai, bereits mit einer Gruppe Sargträger begrüßt, die es sehr eilig haben ihre Fracht unter die Erde zu bekommen. Dabei hatte der Kommissar es doch verboten die Leiche zu begraben, zuerst soll Esmai die Tote obduzieren. Eine haushohe Mauer von Aberglauben, Angst und Schrecken schlägt dem wissenschaftlich orientierten Esmai entgegen – Zum Beispiel findet er im Herzen der Leiche eine Münze, die ihr dorthin gelegt wurde um eine Wiederkehr zu verhindern.
Der konsternierte Mediziner findet heraus, dass die adelige Familie Graps, deren Villa am Ortsrand steht, ein gefürchtetes Geheimnis bewahrt, und dass die Tochter der Familie, die vor einigen Jahren durch einen Unfall ums Leben gekommen ist, jetzt Rache nimmt an allen, die ihr damals die Hilfe verweigert haben. Und das ist nunmal das komplette Dorf … Esmai ist überzeugt, dass sich alles mit wissenschaftlichen Methoden klären lässt, aber die soeben von der Universität ins das Dorf zurückgekehrte Monica hat da eine ganz andere Meinung, und auch Esmai muss nach und nach einsehen, dass es sich bei den Morden und den schrecklichen Erscheinungen tatsächlich um einen ausgesprochen rachsüchtigen Geist handeln könnte.
Das mag vielleicht so klingen, als ob ich mich über den Film lustig mache, aber dem ist nicht so! OPERAZIONE PAURA ist ein sehr ernster Gruselfilm altmodischer Provenienz, der mit seinem urgotischen Setting ein Gefühl der Verkommenheit auslöst wie ich es selten erlebt habe. Außer Esmai und vielleicht noch dem Kommissar dreht hier jede Figur am Rad, herrschen Wahnsinn und Aberglaube genauso stark wie in unserer grauen Welt heutzutage der Glaube an die Allmacht des Geldes. Ein Kosmos, der am Ende des Dorfes aufhört, und in dem alles, was innerhalb dieser eng gesteckten Grenzen passiert, mit bösem Argwohn und scheuer Angst beobachtet wird. Jemand fällt tot um? Das muss ein Fluch sein! Eine Hand am Fenster? Ein Geist, ein böser Geist, wir werden alle sterben!! Mit einfachsten Mitteln erzeugt Mario Bava eine Welt, in der niemand jemals wirklich leben möchte – Alle Häuser sind halbzerstört, genauso wie die Seelen der Menschen, und die Furcht umhüllt alles mit einem Nebel so dick wie die schwarze Nacht um die eigene Seele.
Das Problem dabei ist, dass Bava vielleicht ein klein wenig zu sehr auf die Tube drückt. Die Farbgebung ist eindrucksvoll, und gibt dem Setting gerade diese unglaubliche Künstlichkeit, aber ich persönlich(!) finde, dass es eben ein klein wenig zu artifiziell wird. Der dünne Faden, der eine klassisch-gotische Gruselumgebung eines Ambrose Bierce oder eines Arthur Machen mit der Wirklichkeit verbindet, ist hier zerschnitten worden und flattert im unheilvoll heulenden Wind, und fast vermisse ich ein klein wenig die trist-düstere Schwarzweißoptik von DIE STUNDE, WENN DRACULA KOMMT, die ihrer märchenhaften Romantik tatsächlich realistischer wirkt als OPERAZIONE PAURA. Aber dieses Fehlen stört wirklich nur klein wenig, denn die Geschichte selbst schauert vom Feinsten und steht altenglischer Schauerromantik oder neuenglischen Hammer-Filmen (den frühen) in Nichts nach. DIE TOTEN AUGEN DES DR. DRACULA ist altmodischer Grusel wie man ihn sich gerne vorstellt, gleich ob die Dorfhexe mit einem Exorzismus (und die Eltern mit einem Bußgürtel) den Dämon austreiben will, ob ein entferntes Kinderlachen oder eine sich bewegende Schaukel Gänsehaut erzeugen, oder ob der Held versucht seine Holde zu retten, und dabei immer und immer wieder durch das gleiche Zimmer rennt. Bis er den Flüchtenden einholt, ihn umdreht – Und sich selbst gegenüber steht ... Dazu passt auch die immerwährende Nacht – Zwar beginnt der Film bei Tag, aber es dämmert schnell und anhaltend. Erst gegen Ende des Films überlegt sich die Sonne, ob sie kurz noch einmal aufgehen soll, wirft einen Blick auf das Drama und entscheidet sich ganz schnell wieder zu verschwinden. Doch zu solchen Vorgängen passt dann diese künstliche Welt auch irgendwie wieder dazu …