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Ende des 19. Jahrhunderts, irgendwo in Mitteleuropa: Der Gerichtsmediziner Dr. Paul Eswai (Giacomo Rossi Stuart) wird von Inspektor Kroger (Piero Lulli) in ein kleines Dorf gerufen, um an einer Toten – scheinbar ein Selbstmordopfer - eine Autopsie durchzuführen, doch die abergläubischen Dorfbewohner sind davon alles andere als begeistert … Kurz nach dem Doktor trifft auch die junge Medizinstudentin Monica (Erika Blanc) in dem Dorf ein. Sie ist dort geboren worden, verließ es jedoch noch als kleines Kind und wuchs bei Pflegeeltern auf; an ihre leiblichen Eltern kann sie sich nicht mehr erinnern. Mit Monicas Hilfe findet Eswai schließlich heraus, dass das Dorf seit längerer Zeit von einer Serie obskurer Todesfälle heimgesucht wird – und allen Opfern erschien vor ihrem Tod die geisterhafte Gestalt eines ballspielenden kleinen Mädchens. Im Verlauf kommt es zu noch weiteren Toten, darunter auch Inspektor Kroger, und Monica wird von merkwürdigen Alpträumen heimgesucht. Die Spur führt Eswai in die Villa der alten halbverrückten Baronesse Graps (Giana Vivaldi), die sich letztendlich als Verantwortliche für den Spuk entpuppt. Es ist der Geist ihrer Tochter Melissa, der die Menschen heimsucht. Schließlich kommt es in dem labyrinthischen alten Haus zur Enthüllung eines schrecklichen Geheimnisses …

Der 1966 gedrehte Die toten Augen des Dr. Dracula (der deutsche Verleihtitel ist wohl ebenso blöd wie irreführend, darum sei hier auch auf den Originaltitel Operazione Paura, zu Deutsch: Operation Angst, verwiesen), ist einer schönsten und besten Filme im phantastischen Oeuvre des italienischen Horrorpioniers Mario Bava. Beispielhaft führt der maestro dell’orrore hier sein visuelles Talent vor Augen und entführt den Zuschauer in eine farbenprächtige Story aus bösem Geisterspuk und düsteren Familiengeheimnissen. Die toten Augen... ist typisch für die zwei Facetten, die Bavas Horrorfilme kennzeichnen. Vordergründig wird der Zuschauer von der ästhetisiert-verspielten optischen Inszenierung verzaubert; eine perfekt akzentuierte Ausleuchtung sowie ausgeklügelte Kamerafahrten und –perspektiven erschaffen hier eine nokturne Kunstwelt gotischen Horrors, in die man förmlich aufgesogen wird. Dahinter jedoch entwickelt sich jenes schleichende (und um so effektivere) Grauen, das den alltäglichsten Dingen eigen werden kann, löst man sie nur aus dem uns vertrauten Zusammenhang und lässt ihnen eine angemessene filmische Überbetonung zuteil werden: das Böse erscheint hier in nicht als zähnefletschendes Monster, sondern in der Gestalt eines kleinen Mädchens, das an den Dorfbewohnern Rache für ein nie gesühntes Verbrechen nimmt.
Das Lachen des Kindes, das Hüpfgeräusch eines Balls, das Quietschen einer Schaukel, zerbrochene Spielzeuge usw. werden hier der normalen Wahrnehmung enthoben und erlangen in den irrealen Kulissen eine neue, fremde und überaus beängstigende Bedeutung. Die toten Augen... ist klassisches handgemachtes Kino im besten Sinne und Bava gelang hier eine perfekte Symbiose aus atmosphärischem Horror und psychologischem Tiefgang, kurz und gut: ein Meisterwerk.

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