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Wer sich mal ab und zu in Internetforen zum Thema "Film" herumtreibt oder mit Fans des asiatischen Kinos spricht, wird sicher schon des öfteren mit der Frage konfrontiert worden sein, was denn Hollywood nur aus John Woo gemacht hat. Dem John Woo, der mit dem Heroic-Bloodshed ein eigenes Subgenre kreierte und den seine Anhänger liebevoll "Mozart der Zerstörung" tauften. Wahr ist definitiv, dass der Filmemacher nach "Face/Off" nichts mehr zustande brachte, was der Rede wert wäre; und was den Punkt mit der Zerstörung angeht, da kennt er sich auch aus, was Werke wie "Hard-Boiled" oder "Blast Killer" eindrucksvoll beweisen. Das Dumme daran ist nur, dass Figurenzeichnung nie zu seinen Stärken gehörte und warum sollte das ausgerechnet bei diesem zweistündigen Kriegs-"Epos" (eher: Actionfilm im Rahmen eines Krieges) anders sein?

Sicher: Der Ruf von "Bullet in the Head" ist geradezu legendär, aber im Endeffekt ist dieser wieder einmal nur das Resultat aus wenigen Glanzlichtern (ästhetisierte Ballereien mit brachialer Härte), welche die holprige Inszenierung jedoch nur teilweise kaschieren können. Die Charakterisierung der Hauptprotagonisten kommt nur schleppend voran und muss immer wieder eingestreuten Gewaltexzessen weichen, welche die Fans natürlich sehen wollen und die dankbarerweise auch nicht mit Härte geizen, aber im Rahmen dieser spektakulären Gewaltoperetten verkommen die Figuren zu comichaften Abziehbildern. Bei anderen Woo-Filmen stört das weniger, steht doch da meist ein Gangstersyndikat im Vordergrund, wozu die Ästhetisierung von Gewaltszenen irgendwie passt. Wenn aber in einem Kriegsfilm die Protagonisten erst mit zwei Wummen in der Hand durch die Gegend springen und alles umnieten, was nicht niet- und nagelfest ist, nehme ich ihnen später den verzweifelten Gesichtsausdruck auf dem Schlachtfeld einfach nicht ab. Da können die Tötungsszenen noch so drastisch ausfallen, eine Dramatik wie bei dem ähnlich gelagerten "The Deer Hunter" kommt zu keinem Zeitpunkt auf, weil zumindest mir recht gleichgültig war, was mit den Figuren als nächstes passiert, eigentlich der Todesstoß für einen Kriegsfilm. Angenehm fällt dagegen das Fehlen jeglicher pathosgetränkten Szenen auf, eine Eigenschaft, die amerikanische Filme über Krieg im Allgemeinen und Vietnam im Speziellen oft missen lassen.

Der Bodycount ist erwartungsgemäß enorm, es wird wieder recht detailiert gestorben und das Feuerwerk hat sich Woo erneut für den Schluss aufgehoben, wo gleich reihenweise Fässer explodieren und Magazine leer geschossen werden. Leider findet das Ganze erneut fernab jeglicher Realität statt.
Dafür, dass die deutsche Synchronisation mal wieder an Vergewaltigung grenzt, kann man Woo natürlich keinen Vorwurf machen, aber alleine durch die gekünstelt klingenden Schreie während der Kämpfe wirkt manche Szene noch befremdlicher und der nötige Ernst geht schnell flöten. Um über die Leistung der Schauspieler urteilen zu können, sollte man deshalb dringend zum O-Ton greifen, mit deutscher Synchro ist das nur schwer ertragbar.

Aus technischer Sicht sieht das alles sauber aus, wenn auch Woo in dieser Hinsicht schon Spektakuläreres abgeliefert hat (später, mit mehr Budget). Leider krankt „Bullet in the Head“ derart an seinen – aus meiner Sicht – nicht vorhandenen Identifikationsmöglichkeiten, dass ich ihn als Kriegsfilm für gescheitert erklären muss. Ein Möchtegern-„Deer Hunter“ mit mehr Actioneinlagen macht eben noch kein gutes Kriegsdrama, sondern höchstens eines, das Woo-Puristen zwar für das Non-Plus-Ultra auf seinem Sektor halten mögen, aber in Wahrheit irgendwo zwischen den Prädikaten „durchschnittlich“ und „überschätzt“ herumdümpelt.

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