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Ben (Tony Leung), Frank (Jacky Cheung) und Paul (Waise Lee) sind die besten Freunde und halten in jeder Situation zusammen. Am Tage von Bens Heirat leiht Frank sich von seinem Boss Geld, um die Feierlichkeiten seines Freundes bezahlen zu können. Auf dem Weg zur Party wird er überfallen und kann sich nur knapp davon machen - zwar mit Geld, aber auch mit zerdeppertem Gesicht. Als Ben das herausbekommt, ist er zutiefst schockiert und beschließt, es den Verbrechern zusammen mit Frank heimzuzahlen. Doch leider wird der Bogen überspannt und Ben begeht einen Mord. Also flugs zu Paul und die Lage sondieren: Schnell wird klar, dass die drei in das vom Krieg gebeutelte Vietnam auswandern müssen, nicht nur weil sie so Ben vor der Anklage retten, sondern auch weil Paul im Chaos des Krieges Geld wittert. Die Kehrseite: Ben muss seine Geliebte zurücklassen, jedoch nicht ohne das Versprechen, zurückzukommen. In Vietnam lockt das schnelle Geld in die Kriminalität, was aber weiter nicht stört, da im Chaos tatsächlich alles untergeht. Die Bande trifft schon bald auf den Auftragskiller Luke (Simon Yam). Zusammen mit ihm planen sie einen großen Coup, in dem auch die einst geachtete, nun aber in die Drogenabhängigkeit und Prostitution getriebene Sängerin Sally Yen (Yolinda Yam) gerettet werden soll. Und danach ab nach HK. Doch leider kommt alles anders und vor allem Pauls Geldgier stellt die Freundschaft der Truppe auf ein üble Probe.

Der Film fängt arg naiv an, indem die heile Welt der drei Freunde gezeigt wird. Wie sie in doch schon ruppigen Konditionen zusammenhalten und das beste aus ihrer Lage machen. Selbstverständlich ist der Film hier kitschig, immerhin dröhnt aus den Boxen gute-Laune Musik par excellence (z.B. The Monkees), während Springseil gesprungen, mit Fahrrädern durch die Gegend geeiert odeer eben aber auch anderen aufs Maul gehauen wird. Der Kitsch schießt einem hier förmlich wie eine Kugel ins Gesicht. Nun ja - wie soll es anders sein, dieser Film benötigt eben genau diese Einleitung. Es ist nunmal typisch HK-Style, wenn nicht sogar Woo-Style, Emotionen derart zu überspitzen. Das zum einen. Zum anderen aber sollte jedem Genrekenner (in Bezug auf Drama, versteht sich) klar sein, welchen Nutzen der Regisseur aus einer solchen Einleitung zieht. Genau, die spätere Tragik muss gesteigert werden. Wen kümmert es den schon, wenn jemand dazu gezwungen wird, seinen Kumpel abzuknallen? Die ganze Dramatik würde doch verpuffen, wenn man nicht wüsste, wie nahe sich die beiden stehen. Somit könnte "Bullet in the Head" eigentlich gar keinen besseren Anfang finden (außer vielleicht mit einer Explosion, aber niemand ist perfekt...).

Der Film steigert sich bis zum Schluss immer weiter hinein und offenbart grundsätzlich einen interessanten Genremix. So dürfte man beim Namen "John Woo" fürs erste auf einen Actionfilm hoffen. Und ja, später bekommt man Action. Vielleicht nicht so überstylte Kost wie in "Hard-Boiled" oder "The Killer", aber gerade die Einlage beim Coup gegen den Arschlochfeind offenbart durch und durch Woos Tugenden. Zeitlupe gibt es zumindest genügend. Daneben darf man aber auch nicht die ganze Action des Krieges vergessen, die recht schnörkellos präsentiert wird. Irgendwie auf realistisch getrimmt, womit wir schon beim nächsten Genre sind: Antikriegsfilm. "Bullet in the Head" kann sich getrost mit zu diesem Lager zählen, weil er wie kein zweiter die Schrecken des Krieges und auch deren Konsequenzen ins Rampenlicht rückt. Als letztes Drittel ist der Film eigentlich hauptsächlich Drama. Von einer verkorksten Situation in die nächste wird die Lage immer beschissener und wenn man sich als Zuschauer richtig schön auf den Film eingependelt hat, werden die letzten Minuten dieses Epos wahrhaft unerträglich, so ergreifend ist das Ganze. Wie sehr fängt man doch an Paul zu hassen, da er seine besten Freunde auf Kosten seines eigenen Wohlergehens bzw. Vermögens im Stich lässt. Wie hart muss es doch für Ben sein, seinen Kumpel Frank wiederzutreffen, lange nach den Strapazen des Krieges, als gescheiterte Existenz, behindert, drogenabhängig und mit einer Kugel im Kopf. In dieser Hinsicht ist der Film einfach nur brillant.

Dass der Film so gut funktioniert, liegt nicht nur an Woos großangelegtem Aufbau, sondern eigentlich viel mehr an Tony Leungs Und Jacky Cheungs bahnbrechender, schauspielerischer Leistung. Obwohl es in deren Karrieren noch viele, andere exquisite Streifen gibt, würde ich mal behaupten, dass sie hier ihre beste Performance liefern. Mit welcher Leichtigkeit sie Emotionen auf ihr Gesicht zaubern, ist schlichtweg beeindruckend. Simon Yam, hier mal als cooler, abgebrühter Auftragskiller zu sehen, wirkt auch bestens besetzt. Unter den vielen namenlosen Schönheiten des Films sticht Fennie Yuen als Bens Freundin Jane besonders heraus. Yolinda Yam hingegen hat keine wirkliche Bandbreite an Gesichtsausdrücken; für die Rolle der gequälten Prostituierten passt ihre Visage allerdings perfekt. Den "Ich-hab-Schmerzen/Hentaimädel"-Gesichtsausdruck, auf den die Asiaten so stehen, beherrscht sie wie keine Zweite.

Bleibt eigentlich nur noch zu erwähnen, dass die deutsche Version (zumindest diejenige, welche mir zur Verfügung stand (John Woo Box)) beinahe grottig vertont wurde. Nicht, dass ich was gegen die Synchronsprecher hätte, die gehen eigentlich noch in Ordnung. Aber die gesamte Geräuschkulisse ist übelst stümperhaft. Da sieht man mal Mündungsfeuer, hört es aber nicht, dann ist es mal umgekehrt usw.; und auch das Bild sieht eher aus wie eine sechste VHS-Raubkopie. Man achte nur mal auf die Lettern im Abspann! Hier gibt es definitiv keine Steigerung des Filmvergnügens.

Derart technische Mängel kann ich aber keinesfalls in meine Bewertung einfließen lassen! Somit will ich nochmal feststellen, dass es sich hier um einen absoluten Ausnahmefilm handelt. Die Frage, ob es sich um den besten Woo-Film handelt, kann ich nur schwerlich beantworten, denn eigentlich erwartet man von Woo entweder knüppelharte Action oder aber höchstens Heroic Bloodshed. Dieser Film hier geht mit seiner emotionalen Bandbreite ein ganzes Stückchen weiter. Ironischerweise scheint Woo hier Tsui Hark zeigen zu wollen, wie er sich seinen "A Better Tomorrow 3" vorgestellt hat. Action, Tragik und überragede Schauspieler - was will man mehr? Und Explosionen gibts übrigens auch! Ein Spitzenfilm...

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