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Nur zurecht kletterte der südkoreanische Kriminalfilm "Memories of Murder" im Jahr 2003 an die Spitze des heimischen Boxoffices. Der Erfolg des Streifens ist sicher auch darauf zurückzuführen, dass er den ersten authentischen Serienmörderfall Südkoreas aus den 80er Jahren verarbeitet.
Handlungsort ist ein kleines Dorf in der Nähe von Seoul im Jahre 1986. Das Land steht unter Militärdiktatur und ein perverser Serienmörder hat nichts besseres zu tun, als in dem idyllischen Nestchen Frauen zu vergewaltigen und sie danach umzubringen. Die etwas unbeholfenen Polizisten vom Lande tappen bei ihren Ermittlungen komplett im Dunkeln. Aus Frust nehmen der zynische Detective Park (Kang-ho Song) und sein aggressiver Partner Jo (Roe-ha Kim) willkürlich Leute fest, um aus ihnen ein Geständnis herrauszuprügeln - egal ob sie nun die Mörder sind oder nicht... Doch auch das scheint den Fall kein bißchen voranzutreiben, und erst als ein Detective aus Seoul (Kim Sang-kyung) den beiden unter die Arme greift, kommt das Team dem Mörder etwas näher.
Was Regisseur Bong Joon-ho mit "Memories of Murder" inszeniert hat, ist ein durchwegs realistischer, authenischer und spannender Polizeifilm, der gleichzeitig unterhält und anklagt. Die üblichen Schießereien und die Haudrauf-Action moderner Copstreifen werden keine Minute lang vermisst - vielmehr schafft es das Werk auf "gewöhnliche" Art und Weise einen spannenden und nie langatmig wirkenden Fall zu erzählen, der zu bewegen weiß. Dabei fukusiert sich die Story auch auf die Persönlichkeiten der eigensinnigen Provinzbullen Park und Jo, die mit allen legalen und besonders illegalen Mitteln die Aufklärung des Falles erreichen wollen. Die Charaktere entfalten sich während des Spiels prima, man fühlt förmlich deren Verquertheit und Aggressivität, die Banalität und Rohheit. Krasser Gegensatz dazu ist der friedfertige und rational denkende Detective Seo aus Seoul, der dem Papier mehr Glauben schenkt, als den Geschehnissen, die er mit seinen eigenen Augen wahrnimmt. Mit der Kälte der Gerechtigkeit werden sie am Ende des Films allerdings alle gleich konfrontiert. Der Streifen gibt sich viel Mühe, die Arbeit der südkoreanischen Polizei in den 80ern authentisch in Szene zu setzen. Komplett verzichtet wird dabei auf Klischees aller Art, billige Special Effects oder wirre Drehbuchhirngespinste. Menschlich erzählt der Film nicht nur einen Serienmörderfall, sondern auch die Geschichte von drei Polizeibeamten und einem kleinen Dorf, die allesamt keine Ahnung haben, mit was sie da überhaupt konfrontiert werden.
Immer wieder scheint der Zuschauer den Mörder, der seine weiblichen Opfer auf das Schlimmste quält, fesselt, abartig misshandelt und dann tötet, bereits nach wenigen Minuten erkannt zu haben. Doch genau dann macht der Film eine 180°-Kehrtwendung und schlägt eine komplett andere Richtung ein, was die Spannung am Leben erhält. Die Erzählweise ist schlicht, dennoch nicht langweilig; und der Plot, sowie auch die Figuren wirken nie gekünstelt oder an den Haaren herbeigezogen. Im Mittelpunkt stehen Menschen wie du und ich, gebeutelt von ihren Problemen und Ängsten, und kämpfend mit ihren besonderen Eigenarten. Wohl genau deshalb kann auch der subtile und markante Humor des Werkes überzeugen. Immer wieder regen einige Szenen zum Schmunzeln an, stören dabei aber nie den Handlungsablauf oder machen die ernste Geschichte lächerlich. Die Dosierung passt genau...
Zu überraschen weiß zuguterletzt das offene Ende, denn auch wie damals in der Wirklichkeit wird kein konkreter Mörder dingfest gemacht. Das mag einige vielleicht nach zwei Stunden intensiven Rätselratens etwas ärgern, dennoch hat diese Lösung durchaus ihre eigene Attraktivität und setzt einen durchaus vorzeigbaren Schlußstrich.
Die Schauspieler sind allesamt brilliant. Vorallem der außergewöhnliche Kang-ho Song, bekannt aus "Shiri", spielt seinen Part mehr als überzeugend und schafft es, seinen Charakter so realistisch wie nur überhaupt möglich an den Mann zu bringen. Ein wahres Talent ist auch dessen Kollege Kim Sang-kyung, der bereits in seinem Debütfilm "On the Occasion of Remembering the Turning Gate" mit der selben phlegmatischen und zurückhaltenden Art sein Publikum beeindruckt hat. Auch technisch findet sich der Streifen mit seinen atemberaubenden Kamerafahrten und -perspektiven auf höchstem Niveau wieder. Das Regiewerk und die umwerfende Bildkomposition lassen absolut keinen Ansatz zur Kritik. Subtile aber dennoch effektive Stilmittel würzen die prima Story ebenso gekonnt wie der fabelhafte Score des Japaners Taro Iwashiro. Abgerundet wird dies dann alles noch durch fehlerfreie und gut verständliche englische Untertitel von Darcy Paquet.
Somit ist "Memories of Murder" ein Film wie kein zweiter in den letzten Jahren. Eine äußerst fähige Crew schaffte es, ein brilliantes Drehbuch auf eine dermaßend verblüffende Art und Weise umzusetzen, dass man am Ende eigentlich nur noch Staunen kann. Technisch perfekt und schauspielerisch auf höchstem Niveau erzählt der Streifen nicht nur die Geschichte eines perversen Serienmörderfalles, sondern kümmert sich auch um die menschliche Aspekte, indem er die beinahe schon animalischen, aber dennoch sympathischen Dorfcops genauer analysiert. Ein ganz besonderer Flair und der Sinn für Feinheiten sorgen dafür, dass "Memories of Murder" einer der anspruchsvollsten und künstlerisch ansprechendsten Filme seit langer Zeit ist. Ohne Klischees und plumpe Gewaltorgien wird hier eine authentische, realistische und ungewöhnliche Geschichte aus dem wahren Leben nacherzählt, die nie langweilig erscheint und gleichzeitig unterhält, belehrt, politisch und sozial anklagt und an den Zuschauer appelliert. Einer der besten Filme des Jahres 2003...und wieder einmal ein Beweis dafür, dass Südkorea ein Händchen für zeitloses und perfektes Kino besitzt.

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