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Seitdem das DC Universe auf einen einheitlichen Ton und allzu große Verbindungen zwischen den Einzelfilmen verzichtet, ist dort für eine kindgerechte Bodyswitch-Geschichte wie „Shazam“ ebenso Platz wie für eine splattrige Gaudi wie „The Suicide Squad“ oder den Scorsese-artigen „Joker“. Mit „The Batman“ reinkarniert der Konzern den Fledermausmann in seiner bisher grimmigsten Leinwandversion.
Wo selbst Christopher-Nolan-Trilogie noch leichte Ansätze von Phantastik zeigte, ist diese Version unter der Regie von Matt Reeves quasi eine reine Crime-und-Psychopathen-Geschichte. So ist der Riddler hier kein irrer Spaßmacher, sondern ein Serienkiller, der manchmal an Gestalten wie Jigsaw aus „Saw“-Reihe oder John Doe aus „Sieben“ erinnert. Sein erstes Opfer wird der langjährige Bürgermeister von Gotham City, Don Mitchell jr. (Rupert Penry-Jones), der gerade um seine Wiederwahl gegen die junge Bella Reál (Jayme Lawson) kämpft. Die hat allerdings gute Argumente: Trotz eines erfolgreichen Schlags gegen einen Mafia-Drogenbaron sind Verbrechen und Sucht immer noch an der Tagesordnung im düsteren Gotham City, die Lage alles andere als rosig.
Auch Batman (Robert Pattinson) kann daran nur bedingt etwas ändern. Das Bat-Signal am Himmel ist weniger ein Hilferuf als eine Drohung an die Kriminellen, da der Fledermausmann nicht überall sein kann. In dieser Inkarnation ist Batman allerdings ein von Rache zerfressenes Arbeitstier, das wenig schläft und wenn, dann nur tagsüber. Akribisch bereitet er seine Vigilantenaktionen vor und nach, führt Tagebuch darüber und haut dafür das Vermögen seiner Familie auf den Kopf, während seine Zivilexistenz Bruce Wayne sich wenig um das Geschäft oder öffentliche Auftritte sorgt, obwohl die Pleite droht, wie ihm sein Butler Alfred Pennyworth (Andy Serkis) zu verstehen gibt.

Der leitende Ermittler James Gordon (Jeffrey Wright) zieht Batman bei dem Fall des ermordeten Bürgermeisters hinzu, zumal der Riddler auch eine Nachricht für den Maskierten am Tatort hinterlassen hat. Die Hinweise führen der dunklen Ritter zu einem Mafianachtclub, der von Oswald Cobblepot (Colin Farrell) alias der Pinguin verwaltet wird. Schnell merkt Batman, dass der Bürgermeister kein Saubermann war und dass der Riddler nicht bloß Morde begehen, sondern Geheimnisse ans Licht zerren will…
„The Batman“ inszeniert seine Geschichte als düsteres Crime-Epos, das von Verlusten geprägt ist: Gleich mehrere Hauptfiguren sind durch abwesende und/oder ermordete Eltern fürs Leben gezeichnet. Aus Bruce Wayne wird hier kein zurückgezogener, aber souveräner Playboy, sondern ein emotionales Wrack, das nur noch für den Kampf gegen das Verbrechen lebt. In manchen Momenten erinnert dieser Batman an Protagonisten wie Martin Riggs aus „Lethal Weapon“ oder Nathan Algren aus „Last Samurai“: Ein Krieger, der sich stets in die Schlacht stürzt, aber dabei von einer Todessehnsucht motiviert scheint. Dieser Batman weicht in den Fights und Shoot-Outs nicht groß aus, sondern steckt in seinem gepanzerten Anzug die Kugeln und Schläge einfach ein, ohne sich dabei zu schonen. Während das Batmobil in dieser Inkarnation zumindest etwas weniger klobig als in den Filmen mit Christian Bale und Ben Affleck ist, erscheint Batman hier selbst wie ein Panzer, der seine Gegner einfach niederwalzt.
Etwas mehr Beweglichkeit beweist Batman dann beim Kräftemessen mit der eleganten Selina Kyle (Zoe Kravitz) alias Catwoman. Diese ist allgemein für die spektakuläreren Fights zuständig. Allerdings ist „The Batman“ nicht allzu sehr auf Action ausgelegt, setzt eher gelegentliche Akzente damit, etwa wenn Batman den Pinguin nach einer Verfolgungsjagd stellt oder es zum Showdown kommt. Da keiner der Beteiligten Superkräfte hat und sich der Film insgesamt recht geerdet gibt, ist die Action kleiner skaliert, größtenteils handgemacht und weitestgehend CGI-frei – nur ein großer Crash am Ende der erwähnten Autojagd fällt da durch Bombast aus dem Rechenknecht etwas aus dem Raster. Dabei inszenieren Reeves und sein Stunt Coordinator Steve Griffin das Ganze erfreulich übersichtlich und roh.

Jedoch ist „The Batman“ ein Film, der seinen Helden gewissermaßen zu den Ursprüngen führt – immerhin steht DC ja eigentlich für Detective Comics. So hat Batman hier zwar alle möglichen technischen Spielereien, darunter Kamera-Kontaktlinsen, zur Verfügung, ist aber in erster Linie ein Ermittler, der die Morde des Riddlers aufklären will und dabei in klassischer Hard-Boiled- bzw. Noir-Tradition auf die schmutzigen Geheimnisse in der Stadtgeschichte Gothams gestoßen wird. Hier sind Würdenträger der Stadt in Gesellschaft von Mafiabossen wie Carmine Falcone (John Turturro) beheimatet, während „The Batman“ am Mythos seines Ursprungsmaterials rüttelt und selbst früheren Lichtgestalten des Batman-Kosmos schmutzige Flecken auf die weiße Weste pinselt. Dabei verwebt der von Regisseur Matt Reeves und Peter Craig geschriebene Filme recht geschickt die verschiedenen Plotstränge und Figuren, sodass „The Batman“ trotz mehrerer Schurken nicht überladen oder willkürlich wirkt – alles ist miteinander verbunden.
Ob dafür epische drei Stunden Laufzeit nötig waren, steht freilich auf einem anderen Blatt – man hätte „The Batman“ sicher mit 30 Minuten weniger auf der Uhr erzählen können. Dass „The Batman“ dabei von klassischen dramaturgischen Konzeptionen abweicht, ist dagegen eher ein Plus. So überrascht der Film beispielsweise damit, dass er noch eine ganze Weile läuft, nach einem Punkt, an dem man vermutet, dass er eigentlich gleich vorbei sein müsste. Allerdings ist auch „The Batman“ in vielerlei Hinsicht ein klassischer Blockbuster: So taucht hier gegen Ende bereits der Joker auf, den man zwar nicht wirklich sieht, der aber schon einmal als Gegenspieler für mögliche Sequels in Stellung gebracht wird.

Dabei gefällt „The Batman“ auch mit seinem düsteren Style, der an die Grenzen seiner PG-13-Freigabe geht, gerade wenn der Riddler seine Opfer auf eine Weise zurichtet oder der Öffentlichkeit präsentiert, die an Serienkillerfilme wie „Saw“ oder „Untraceable“ erinnert. Die Bilderwelten von David Fincher oder James Wan drängen sich beim Anblick der düsteren, oft verregneten Metropole Gotham City auf, obwohl die Stadt immer noch etwas glanzvoller und weniger gritty als in Todd Phillips‘ Seventies-Hommage „Joker“ erscheint. Gleichzeitig gibt es Szenen, die ikonische Momente der amerikanischen Geschichte oder Kunst zitieren, etwa die Erschießung Lee Harvey Oswalds durch Jack Ruby oder eine Einstellung, die leichte Erinnerungen an Edward Hoopers Gemälde „Nighthawks“ aufkommen lässt.
Problematisch wird es allerdings im letzten Drittel, wenn Reeves und Craig auf aktuelle Ereignisse, vor allem den QAnon-Verschwörungskult und Selbstjustizmilizen, Bezug nehmen. *SPOILER* Denn wenn der Riddler die Enttäuschten und Frustrierten für seine Zwecke einspannt, dann hat das wenig von den Occupy-Parallelen in „The Dark Knight Rises“, sondern mehr von Q-Anhängern – ein User nennt sich sogar HoldTheLine81 mit Bezug auf eine Phrase, die unter den Q-Kultisten sehr beliebt ist. Zwar stellt „The Batman“ diese Leute als verblendet, gefährlich und mörderisch dar, zumal das Finale Erinnerungen an die Erstürmung des Kapitols weckt. Zudem präsentiert er Bella Reál als tatsächlich integre Politikerin, die als Erneuerin auftritt. Jedoch hakt die Parallele an einer Stelle: Die Miliz-Fanatiker haben zu einem gewissen Grad Recht, da die frühere Elite Gothams tatsächlich durch und durch korrupt war oder nur Puppen, die von einem Mafiaboss als Quasi-Deep-State gelenkt wurden. Das war sicherlich nicht intendiert, aber damit begibt sich „The Batman“ auf dünnes Eis. *SPOILER ENDE* Wesentlich durchdachter ist ein anderer Gedankenkomplex: Batman muss sich fragen, ob er als Vigilante nicht vielleicht Gestalten wie den Riddler inspiriert hat. Schon in „The Dark Knight“ fragte der Joker ja, ob Batman und er nicht bloß beide kostümierte Freaks seien, während der Film mit mit den Konzepten von Held und Schurke spielte. Reeves‘ Neuauflage nimmt diesen Gedanken auf und variiert ihn.
Die spannende Frage war natürlich: Wie macht sich Robert Pattinson in der Hauptrolle? Er macht seine Sache besser als Val Kilmer oder George Clooney, aber schlechter als Michael Keaton, Christian Bale oder Ben Affleck. Das kleine Problem an seiner Darbietung ist die Tatsache, dass Batman und Bruce Wayne nicht ganz zusammenpassen wollen: Der Millionär sieht stets aus, als hätte er drei Tage nicht geschlafen und sei ausgezehrt, Batman dagegen ist innerlich verhärtet, aber sonst ein menschlicher Panzer. Zoe Kravitz schlägt sich gut als Inkarnation von Catwoman, auch stark ist Colin Farrell, den man unter viel Make-Up allerdings kaum wiedererkennt. Auch die namhaften Nebendarsteller, darunter Paul Dano, Jeffrey Wright, John Turturro, Andy Serkis und Peter Sarsgaard legen allesamt gute, wenn auch nicht herausragende Performances hin.

Gut, aber nicht herausragend ist auch eine gute Umschreibung für „The Batman“: Der Film hat Stil, einen einnehmenden Ansatz als Crime-Thriller mit Superhelden und -schurken und erweist sich als meist gut durchdachte Parabel über Schuld, Sühne und Verwandtschaft, der allerdings im Endspurt etwas die Zügel entgleiten. Bisweilen geht „The Batman“ die Sache allerdings etwas langatmig an und verlässt sich bisweilen zu sehr auf den Appel, dass er die Geschichte des Fledermausmannes noch geerderter und realistischer als Christopher Nolan angeht.

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