Mit „Blade Runner“ und „Hitcher“ hatte sich Rutger Hauer als gute Fieslingswahl erwiesen, worauf Geoff Murphy dann auch der HBO-Produktion „Blind Side“ baute.
Doug (Ron Silver) und Lynn Kaines (Rebecca DeMornay), ein erfolgreiches Unternehmerehepaar im Bereich der Innenausstattung, cruisen nach Mexiko, um sich einen Standort für eine neue Fabrik zu inspizieren und nebenbei Urlaub zu machen. Auf dem Rückweg fahren sie allerdings bei Nacht einen Cop über den Haufen und kratzen in einem Anfall von Panik die Kurve. „Blind Side“ spielt mit der Angst der Protagonisten, z.B. wenn sie an der Grenze kontrolliert werden, doch die Spielchen kennt man ja zur Genüge.
Insofern wird es erst wirklich unangenehm als sich Jake Shell (Rutger Hauer) bei dem Ehepaar meldet. Er will einen Job von ihnen und lässt durchblicken, dass er von dem Unfall weiß. Schnell wird klar, dass der Psychopath sich nicht so einfach von seinem Vorhaben abbringen lässt...
Ende der 80er und Anfang der 90er waren Thriller über Psychos, die sich ins Leben irgendwelcher Spießerpaare einnisten, gerade in, man denke an „Fatale Begierde“, „Fremde Schatten“ und dergleichen, DeMornay hatte mit „Die Hand an der Wiege“ auch einen derartigen Film auf dem Kerbholz. Insofern sollte man bei „Blind Side“ nicht zuviel erwarten, denn trotz der sauberen Regiearbeit Geoff Murphys handelt es sich hierbei auch bloß um einen fürs Pay-TV produzierten Nachzügler.
Mit Rückendeckung des risikofreudigen Senders HBO darf sich „Blind Side“ dann auch mehr erlauben als manch andere TV-Produktion, wenngleich man keinen allzu herben Film erwarten sollte. Schauwerte sind dabei auch eher dünn gesät, erst im schweißtreibenden Finale geht es dann ordentlich zur Sache; schließlich weiß man aus artverwandten Werken, dass die Psychopathenentsorgung selten einfach vonstatten geht und auch Jake Shell steckt erst mal so einiges ein, ehe Schicht im Schacht ist.
Der Weg dahin ist Routine, aber immerhin gut umgesetzte Routine. Shell widersetzt sich jeder Form des Rauswurfs, von freundlicher Abweisung über Drohungen bis hin zu Bestechung – alles nutzt nichts. Stattdessen lebt der Psycho sein exzessives Leben auf Kosten des Paares, wobei die parallel montierten Sexszenen in der Filmmitte eine nett erdachte Gegenüberstellung von gesunder Bürgerlichkeit und krankhafter Experimentierfreude sind. Allerdings fehlt es „Blind Side“ dann an wirklich packenden Spannungsmomenten, um mehr als nur ein ganz netter Thriller zu werden – wenngleich immerhin gegen Ende das Potential mehr ausgeschöpft wird und Adrenalinpegel nach getrieben.
Über den Durchschnitt wird „Blind Side“ vor allem durch die Darstellerleistungen gehievt. Gerade Rutger Hauer als Vorzeigepsycho ist echt töfte auf seine Art, bleibt er doch beinahe immer ruhig und freundlich, egal wie unverschämt er gerade ist und egal wie wütend sein Gegenüber wird. Ron Silver und Rebecca DeMornay spielen dagegen das bürgerliche Paar, das an immer drastischere Lösungen denkt, und sind dabei auch ziemlich überzeugend, doch die dankbarere Rolle ist klar die der Widerlings.
Man sollte bei „Blind Side“ keine Neuerfindung des Rades erwarten, dafür kann die HBO-Produktion ihrem Genre nicht genug Neues hinzufügen und läuft etwas zu ruhig an. Gut gespielt ist die Angelegenheit allerdings, inszenatorisch ist der Film rund, sodass man immerhin überdurchschnittliche Thrillerkost serviert bekommt, wenngleich Filme wie „Eine verhängnisvolle Affäre“, „The Stepfather“ oder „Die Hand an der Wiege“ da mehr hermachten.