Meta ist mega. Zumindest mega-in. Ob in Büchern, Comics, Games, TV-Serien oder Filmen, der selbstreferentielle Ansatz springt einen geradezu an. Längst ist das weit mehr als nur eine Spielwiese für Nerds und Popkultur-Junkies. Im Kino wird dieses Zeitgeistphänomen besonders gern und ausgiebig zelebriert. Vor allem im angesagtesten Genre unserer Zeit, dem Superheldenfilm. Hier lässt sich aber auch so richtig auf die Meta-Pauke hauen, denn erstens hatte es der zugrundeliegende Comic-Kanon schon vorexerziert, zweitens bietet dieser einen schier unerschöpflichen Referenzrahmen und Fundus und drittens hat man höchst persönlich durch zahllose Reboots, Spin-Offs, Sequels und das so populäre Universe-Building geradezu ideale Vorraussetzungen geschaffen.
Platzhirsch Marvel hat auch da wieder das deutlichste Ausrufezeichen gesetzt. Im Mega-meta-MCU-Finale AVENGERS: ENDGAME packte man nicht nur unzählige Personen, Anekdoten und Zitate aus über 20 Vorgängerfilmen, sondern polierte auch das im Fantasy-Genre immer gern genommene Zeitreise-Tool auf Hochglanz, um die Helden in ihre eigenen Filme zurückkehren zu lassen. Mehr meta geht nicht, oder doch? Der enorm getypte Trailer zum krönenden Spiderman-Finale Tom Hollands schien jedenfalls die wildesten Fanträume zu beflügeln. Denn dort schlug sich der aktuelle Spinnenmann mit den Schurken seiner zwei unmittelbaren Spidey-Vorgänger herum. Und damit nicht genug. Sämtliche Darsteller kehrten dafür in ihre alten Rollen zurück und sorgten damit für ein noch deutlich intensiveres Deja-Vu.
Vielleicht dient das als Erklärung, warum SPIDER-MAN - NO WAY HOME aktuell das pandemiegeschüttelte Kino aufmischt und weltweit Box-Office-Rekorde einreißt. Nach Sam Raimis enorm erfolgreicher Spider-Man-Trilogie (2002-2007) mit Tobey Maguire wurde schon der erste Reboot vergleichsweise reserviert aufgenommen ob seiner offenkundig rein wirtschaftlichen Motivation. Schließlich waren gerade mal 5 Jahre vergangen. Der neue Darsteller Andrew Garfield brachte es dann auch nur auf zwei Abenteuer (2012, 2014), denn trotz ebenfalls satter Gewinne musste er auf dem so wichtigen Heimatboden ordentlich Spinnenfäden lassen. Und so steckte man für das im Bau befindliche MCU den dritten Darsteller binnen 15 Jahren ins hautenge Spinnenkostüm. Immerhin eroberte Tom Holland insbesondere den heimischen Markt wieder eindrucksvoll zurück, aber die Sphären des doppelten Avengers-Finales waren dennoch recht weit weg. Für den Trilogie-Abschluss NO WAY HOME war also kaum die doppelte Milliarde zu erwarten, zumal bei sehr fragilen Auswertungslage.
Aber diese Rechnung wurde offenbar ohne den Meta-Multiplikator gemacht. Die Idee, die drei jüngsten Spider-Man-Universen zu verknüpfen klingt so gewagt wie genial. Natürlich kann eine solche Mixtur in eine abstruse Nummernrevue abschmieren, bei der außer ein paar abgedrehten Spider-Freaks niemand mehr durchblickt und hilflos im klebrigen Netz aus Querverweisen, Überbevölkerung und spinnendem Narzissmus zappelt. Zum Glück spinnt Marvel-Mastermind Kevin Feige die Fäden und dessen Netze sind wahre Kunstwerke. Auf den ersten Blick sind die zahllosen Verzweigungen, Querverbindungen und Überschneidungen völlig verwirrend, aber einmal darin gefangen, findet man sich mit erstaunlicher Leichtigkeit zurecht. Marvel soll ja eigens Personal beschäftigen, dessen einzige Aufgabe es ist, die Filme daraufhin abzuklopfen, ob auch wirklich alles zueinander passt und werkimmanent einer Logikprüfung standhält.
NO WAY HOME funktioniert aber nicht einmal deshalb so gut, weil die früheren Spider-Man-Filme detailliert studiert wurden. Das Auftauchen des Schurken Quintetts Green Goblin (Willem Dafoe), Doc Ock (Alfred Molina), Electro (Jamie Foxx), Lizard (Rhys Ifans) und Sandmann (Thoma Hayden Church) fügt sich nahtlos in die Handlung um Spiderman Wunsch die Offenlegung seiner wahren Identität wieder rückgängig zu machen. Sein Avengers-Kollege Dr. Strange (Benedict Cumberbatch) soll dieses Problem durch eine Zauber lösen, aber durch Peters ständiges Intervenieren wird der Zauber gestört ruft aus dem Multiversum alle möglichen Personen herbei, die Peters Identität kennen. Und die sind teilweise so gar nicht gut auf ihn zu sprechen.
Die Bedrohung wird damit sehr geschickt mit dem Problem (und Cliffhanger) des Vorgängerfilms und dem Auftauchen eines der verbliebenen Avengers verknüpft. Gleichzeitig spielt sie so ganz nebenbei die Multiverse- und damit natürlich auch die Meta-Karte. Und schließlich konfrontiert sie Peter Parker mit seiner bis dato größten Herausforderung, denn immerhin hatte er (bzw. seine Multiverse-Kollegen) schon enorme Schwierigkeiten mit nur einem oder zwei der neuen/alten Feinde. Doch damit nicht genug. Peter will die fünf Schurken nicht einfach nur bekämpfen, er will sie heilen und mit einer Aussicht auf eine neue Chance in ihre jeweiligen Welten zurück schicken. Trotz Stark-Technologie und der tatkräftigen Unterstützung seiner besten Freunde MJ und Ned eine Herkulesaufgabe, zumal die „Patienten“ wenig Neigung zeigen, sich kurieren zu lassen. Gut, dass Dr. Stranges Zauber noch eine weitere Meta-Überraschung bereit hält, die hier nicht verraten werden soll, aber ohne jeden Zweifel den Film auf eine andere Ebene bugsiert und ganz entscheidend den enormen Spaßfaktor von NO WAY HOME bedient.
Aber es ist nicht ausschließlich dieser perfekt arrangierte Meta-Spaß, der Tom Hollands Finale in olympische Box Office Höhen treibt. Wie bei den beiden Vorgängern bilden auch Chemie, Pacing und Schauwerte eine bestens geölte Einheit und sorgen für die Spiderman-typische Funride-Atmosphäre. So inszeniert Jon Watts seinen dritten Tom Holland-Film mit gewohnt leichter Hand und jongliert erneut gekonnt zwischen Teenager-Screwball, Schicksals-Drama und Action-Parkours. Das Helden-Trio Tom Holland (Spiderman), Zendaya (MJ) und Jacob Bataillon (Ned) harmoniert prächtig und rangiert auf einem ähnlichen Level wie ihre Trendsetter-Vorbilder aus Star Wars und Harry Potter. Witze, Sprüche und Situationskomik sind auf den Punkt und lockern die teilweise etwas zu sehr ausgewalzte Pathetik immer wieder erfrischend auf. Und auf dem Action-Rummelplatz des familientauglichen Fantasy-Kinos ist Marvel längst das Maß aller Dinge, so dass auch hier keine Wünsche offen bleiben. Außer vielleicht die nach einer erneuten Rückkehr Tom Hollands. Dafür bräuchte es nicht mal das Multiverse, denn am Ende wurde sein urgeigens Universum quasi wieder auf Anfang gestellt. Auch wieder irgendwie meta, für viele aber sicher vor allem mega.