SPOILER enthalten.
Endlich mal wieder ein richtig guter Fantasy-Actionfilm!
In einer düsteren, futuristisch angehauchten Gothicwelt kämpfen die noblen Vampire den ewigen Krieg gegen die scheinbar primitiven Werwölfe der Unterwelt. Kaum einer weiß genau, warum der Krieg anfing, doch der Rassenkampf tobt schon Jahrhunderte. Doch die Vampire sind langsam in ihrer Überlegenheit dekadent geworden, sie sind es leid, die Werwölfe zu jagen. Celine ist eine der wenigen "Todeshändler" die dieser Tätigkeit noch nachgehen, bis sie eine Verschwörung aufdeckt: Der derzeitige vampirische Anführer Craven schloss einen Pakt mit den Werwölfen mit dem Ziel einer Rassenvermischung, die nur mit dem Blut eines bestimmten Menschen vollzogen werden kann. Celine findet diesen Menschen und sucht Rat bei dem großen vampirischen Ältesten Viktor.
In stark unterkühlt farblosen Bildern zeichnet der Film die finster-morbide Welt zwischen den dreckigen Kanalisationen der Unterwelt und den prunkvollen, hochtechnisierten Vampirvillen im Gothic-Look. Die Jagden und Kämpfe sind rasant geschnitten und finden immer im Halbdunkel bis Dunkel statt. Wiseman hat sie solide inszeniert, auch mit den derzeit üblichen Zeitlupeneffekten, und teils heftig blutig ausgeschmückt, sodass das Makabre am verarbeiteten Horrormythos nicht zu kurz kommt, zumal auf die meisten Vampir-Werwolf-Klischees wenig bis gar nicht zurückgegriffen wird. Die Menschheit spielt in dem Rassenkrieg nur eine untergeordnete Rolle, die typischen Blutsauger-Szenen bleiben uns erspart. Schließlich ernähren sich die Vampire gar von synthetischem Blut, um scheinbar so etwas wie ein natürliches Miteinander mit den Menschen zu ermöglichen.
Was den Film jedoch von anderen (modernen) Vertretern des Genres abhebt (namentlich "Blase 1,2" & co), ist die halbwegs intelligent eingebrachte inhaltliche Thematik des Blut- und Rassendenkens. Kann man Blade in seiner "fahrlässigen" stereotypen Darstellung des Themas (hier mit Vampiren und Menschen) nicht ganz unbegründet faschistoide Tendenzen vorwerfen (weil er sich selbst eben nicht hinterfragt), so sieht das bei "Underworld" anders aus. Als Celine sich nämlich gegen Ende entscheiden muss, auf welcher Seite sie eigentlich steht, weil sie erfährt, dass die Vampire unter ihrem Meister Viktor eigentlich den Krieg gegen ihre einstigen Sklaven, die Werwölfe, anfingen, aus Angst, ihr Blut könnte durch eine Vermischung verunreinigt werden, wirft der Film zentrale Fragen auf. Er hinterfragt das durchaus im Vampirmythos verankerte rassistische Gedankengut und nimmt es nicht einfach hin. Damit wirft er gleichzeitig das komplette stereotype Gut-Böse-Schema im Film über den Haufen, denn Celine steht ja, obwohl die ehrenhafte, "gute" Heldin des Films, eigentlich von Anfang an auf der Seite der überlegenen, unterdrückenden Rasse - alerdings unverschuldet, weil sie die wahren Hintergründe ihres Meisters Viktor nicht kennt. Auch der scheinbar "böse" Verräter Craven hilft anfangs durch die Verschwörung den wölfischen Widerstandskämpfern (sicherlich vor allem aus Eigennutz), steht aber am Ende gar zwischen den Fronten und wird von beiden Parteien gejagt. Die Story ist also weitaus komplexer und cleverer konstruiert, als man zunächst annimmt. Und es ist sowieso schon erstaunlich und lobenswert, dass ein Mainstreamprodukt dieser Art sich ernsthaft mit sich selbst auseinandersetzt. Es ist nun nicht so, dass der Film jetzt mit intellektuellen Abhandlungen der Rassenthematik versehen ist, aber er -als Unterhaltungsprodukt- wirft berechtigte und sinnvolle Fragen auf, über das, was er behandelt und über die man nachdenken kann.
Das stellt ihn höher als seine Genrekollegen, obwohl er trotzdem als stilvoller, düsterer Actionkracher bestens funktioniert. Beispielsweise ist der fulminant-brachiale Endkampf zwischen Viktor, Celine und dem neuen Mischlingswesen ein eindrucksvoller Höhepunkt, dessen Effekte qualitativ manch teurere Produktion locker übertreffen (unter anderem die meiner Meinung nach stumpfsinnigen Blade-Filme). Es kommt eben nicht nur auf die Effekte an sich, sondern auch auf die passende Inszenierung an. Ebenso erfreulich ist dabei auch der nötige Ernst, den "Underworld" mitbringt. Man verzichtet auf das Einbringen hohler Phrasen, markiger Sprüche und überzogenem Posieren von irgendwelchen auf cool gemachten Superhelden, was mir vor allem in "Blade 2" extrem auf die Nerven ging. Auch lässt man hier jegliche Selbstironie außen vor, man nimmt sich selbst ordentlich ernst. Das ist auch selten geworden im Mainstream - ein Indiz dafür, dass man in Hollywood selbst schon nicht mehr an die eigenen Stories glaubt.
Wer also Fantasyfilme mit gewisser Substanz, Ernsthaftigkeit, sowie inhaltlicher Komplexität und Eigenständigkeit seit langem vermisst, und den Neo-Gothic aus Alex Proyas' Filmen zu schätzen weiß, der ist hier richtig. "Underworld" ist natürlich immer noch Großformat-Unterhaltung, sticht aber eben heraus aus dem inhaltlich eher simpel gestrickten Brei von HdR, Bruckheimer, Blade und Konsorten. Dafür knappe aber verdiente 10/10.