Review

Pirates of the Caribbean: The Curse of the Black Pearl (2003, Gore Verbinski)

„I'm sorry. It's just... it's such a pretty boat... ähm, ship!”

Romane und Kurzgeschichten, Lyrik und Prosa, Theater und Comics, Mythen, Sagen und Legenden. Es gibt keine einzige erzählende Kunstform, die nicht für hunderte und tausende von Filmen als Inspirationsquelle oder Grundlage gedient hat, und wir leben in einem Zeitalter, in dem es gefühlt jeder Stoff schon mindestens einmal auf die grosse Leinwand geschafft hat. Aber wenn wir zwölf Jahre zurückdenken, dann fällt uns unweigerlich ein Fall ein, der auf den ersten Blick absurder erscheint, als jede filmische Adaption vorher oder nachher: Disneys Entschluss, eine ihrer Parkattraktionen, eine Themenfahrt aus dem Disneyland, zu einem riesigen Blockbuster zu verarbeiten. Sobald diese merkwürdige Ausgangssituation festgelegt war, durfte sich dann auch sogleich das ungleiche Paar aus dem Popcorn-Zaren Jerry Bruckheimer und Genre-Regisseur Gore Verbinski ordentlich am Projekt austoben. Und wie durch pure Disney-Magie entstand dabei ein Film, der in seinem Kielwasser sowohl eine gigantische Fangemeinde als auch ein Massenkult der besonderen Art mit sich führte.

Verbinski gönnt in Curse of the Black Pearl in allererster Linie dem klassischen Piratenfilm nach jahrzehntelanger Abstinenz ein grossangelegtes Revival, und untermauert es mit diversen Elementen aus Mantel-und-Degen-Film, rassigem Actionabenteuer und stimmungsvollem Gruselfilm. Die Handlung ist dabei sehr einfach gestrickt, aber stimmig und solide und vor allem bietet sie in ihrer Simplizität stets genau die richtigen Aufhänger für Schauwerte und Spektakel. Verbinski erzählt das an dramaturgischen Archetypen wie Rache und Liebe ausgerichtete Piratenmärchen mit dermassen viel Charme und Esprit in einer rasanten Rotation aus Action, Grusel, Romantik und exotischem Abenteuer, und lässt dabei immer wieder eine grosse Portion Witz und Selbstironie mit einfliessen, dass es eine wahre Freude ist. Dabei ist es schlicht spektakulär, wie elegant und wendungsreich der Film es schafft die verschiedenen Genre-Elemente rundum zu bedienen und zu erfüllen, ohne dabei zur Gruselkomödie oder zum Actionklamauk zu verkommen. Vielmehr schafft er sich aus der Zusammenführung der unterschiedlichen Zutaten beinahe schon ein eigenes Genre, eine wahnsinnig launige Symbiose.

Tricktechnisch und visuell macht Disneys Piratenfluch eine besonders gute Figur. Gerade die koordinierte Verwendung von praktischen Spezialeffekten wie den Schiffsmodellen, Setbauten und Verkleidungen und digitalen Tricks bei der Umsetzung der Piratenzombies ist eine Herangehensweise, die Curse of the Black Pearl effekttechnisch einen überzeugenden und authentischen Charakter verleiht, den ich mir bei modernen Blockbustern häufiger wünschen würde. Ganz gleich ob idyllische Hafenstadt auf Jamaika, wildes und lärmiges Piratennest auf Tortuga, traumhafte Inselstrände, vor Piratenschätzen überquellende Geisterhöhle oder die hohe See, sämtliche Schauplätze versprühen einen romantischen und abenteuerlichen Charakter und sind von Verbinski würdig in Szene gesetzt. Genau wie bei den praktischen Effekten zeigt sich auch hier wieder der enorme Vorteil, dass zum Beispiel mit dem Bau aufwändiger Hafenkulissen und Bühnenbildern auf St. Vincent quasi „vor Ort“ gedreht wurde, statt sich die Drehorte in Bluescreen und Computer generieren zu lassen. Die unglaubliche Handarbeit und der enorme Einfallsreichtum zeigen sich in den aberhunderten von liebevollen Details in den Kostümen, Maskeraden, Kulissen und Effekten und als Zuschauer sieht und merkt man vom Anfang bis zum Ende, dass es sich bei Curse of the Black Pearl um eine Produktion handelt, an der unzählige Arbeiter und Künstler aus allen Berufsgattungen mit Herz, Seele und Ideenreichtum mitgearbeitet haben.

Das fertige Produkt dieser Arbeit manifestiert sich aber nicht bloss in den Schauplätzen und anderen Details, sondern erreicht in der Umsetzung der bombastischen Actionsequenzen seinen absoluten Höhepunkt. Feinsinnig choreographierte Degengefechte wechseln sich mit titanischen Seeschlachten ab, hin und wieder kommt auch mal beides zusammen, und allen gemein ist sowohl das starke Tempo und die Dynamik in der filmischen Gestaltung als auch die fantasievollen Einfälle im Ablauf, besonders in Bezug auf die gelungenen humoristischen Elemente, welche die Actionszenen immer wieder gekonnt auflockern. Untermalt wird das Gesamtpaket von einem unverschämt fetzigen und temporeichen Soundtrack aus der Feder des Komponisten Klaus Badelt, einem Soundtrack der mit seinem hohen Wiedererkennungswert die Dynamik und das Abenteuerfeeling der Bilder brillant akzentuiert. Badelts Arbeit passt perfekt zu diesem Film und zählt für mich nicht nur typmässig sondern auch qualitativ zur gleichen Liga wie die musikalischen Werke von John Williams.

Wer an die Piratensaga von Disney denkt, denkt in erster Linie an Johnny Depp. Und das ganz und gar nicht zu unrecht. Depp, vollkommen gegen den Strich gebürstet, macht wohl alles anders als es jeder andere Schauspieler in der Rolle gemacht hätte. Mit jeder Facette seiner Darstellung formt und definiert er diesen exzentrischen und undurchschaubaren Antihelden Jack Sparrow, den er irgendwo zwischen Piratenkarikatur, Keith Richards und abgehalftertem Lebenskünstler ansiedelt. Allein sein allererster Auftritt im Film, wenn er zu Badelts Titelmelodie auf einem sinkenden Kanu majestätisch und würdevoll in den Hafen von Port Royal einfährt, ist ikonographisch und denkwürdig ohne Ende. Sparrow gegenüber steht Geoffrey Rush als sinisterer und durchtriebener Piratenkapitän Hector Barbossa, eine Rolle die der australische Charakterkopf mit so viel Charisma und unterschwelliger Selbstironie verkörpert, dass man ihn einfach lieben muss. Die Szenen zwischen Sparrow und Barbossa gehören zu den Sternstunden des Films, denn Depp und Rush verpassen der Beziehung dieser beiden Erzfeinde ein gewisses Etwas, das an ein streitendes altes Ehepaar erinnert, ohne dabei unpassend albern zu wirken. Man sollte eigentlich meinen, dass neben diesen Figuren jeder Nebendarsteller zum Scheitern verurteilt ist. Dem ist zum Glück nicht so, da auch die übrigen Rollen sich meist ausreichend zu profilieren wissen. Keira Knightley als „Disney-Prinzessin“ Elizabeth Swann überzeugt durch ihre starke, und für eine Schauspielerin ihres jungen Alters beachtlich reife Ausstrahlung und funktioniert als „Leading Lady“ des Piratenspektakels absolut goldig. Kevin McNally gibt den alten, Anekdoten erzählenden Seebären herrlich jovial und mit rustikalem Charme. Jonathan Pryce als feiger und doch irgendwie herzlicher Gouverneur ist einer der ganz geheimen Stars und interagiert auch sehr schön mit Jack Davenports blasiertem, kleinkarierten Flottenadmiral James Norrington. Einzig und allein Orlando Bloom, der den typischen Helden des Films darstellt, ist etwas zu brav und bieder für das ansonsten so herrlich schillernde Spektakel, macht seine Sache als todesmutiger Schwertschmied aber eigentlich auch ganz solide.

The Curse of the Black Pearl sollte jedem Sommerblockbuster als Vorbild dienen. Mit nichts weiter als einer Parkattraktion aus dem Disneyland als Ideengrundlage schuf Gore Verbinski einen gleichermassen temporeichen und über alle Massen unterhaltsamen Abenteuerfilm, der das Exotische, das Actionreiche, das Gruslige sowie das Witzige und Selbstironische gekonnt und gelungen zu einer Symbiose verschmelzen lässt. Mit bestechender Ausstattung, Trickeffekten und Schauplätzen, dynamischen Kampfsequenzen, Charme und Stil ohne Ende, einem fantastischen Soundtrack, Charakteren für die Ewigkeit und zu guter Letzt einer gehörigen Portion Humor begeistert die Saga rund um Piraten, Schätze und Flüche von der allerersten bis zur allerletzten Minute, und wenn zu Badelts explosiver Abenteuermusik der Abspann über den Bildschirm donnert, erwacht in einem der Unweigerliche Wunsch nach einem Repeat-Button auf der Fernbedienung.

Wertung: 9,5 / 10

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