Frei nach dem Motto "Es wird gegessen, was auf den Tisch kommt", setzt uns Jerry Bruckheimer 2003 die neueste Genre-Reaktivierung vor, und wir alle müssen jubeln. Nach Ridley Scotts "Gladiator", dem man zunächst nachsagte, er würde Wellen von "Spartakus"-ähnlichen Sandalenfilmen nach sich folgen lassen, ist es nun der Piratenfilm, nahe dem Kostümfilm, der für ein Eventmovie mit viel "Krawumms" und "Booms" herhalten muss. Gore Verbinski, der bekannt durch seine überdrehte "Mäusejagd" wurde, drehte also "Fluch der Karibik".
Für alle Autorenfilmer-Puristen gleich vorweg: "Fluch der Karibik" ist wohl das Höchstmaß an Kino-Verwertbarkeit. Nach dem der Roman oder das Sachbuch durchaus etablierte Quellen für Skriptvorschläge sind, umso mehr ist es verschrien, Filme nach trivialen Vorlagen, wie zum Beispiel, Videospiele zu drehen. "Fluch der Karibik" nun basiert auf der Disneyland-Fahrgelegenheit "Pirates of the Caribbean", und besitzt somit nicht gerade die inhaltliche Tiefe des Ozeans, sondern eher die, eines halbgefüllten Waschbeckens. Doch der Film funktioniert ähnlich wie die Themenparkattraktion. Hinsetzen, Maul halten, unterhalten werden, nicht nachdenken, aussteigen, und sich darüber freuen. Danach noch vielleicht ins Fast-Food-Restaurant - mehr ist dann aber auch nicht drin.
In "Fluch der Karibik" geht es um das gefürchtete Piratenschiff "Black Pearl", das von Hafen zu Hafen steuert, um die Goldschätze zu plündern. Was niemand ahnt: Der Haufen grobschlächtige Piraten ist eigentlich eine illustre Ansammlung fröhlicher Zombies, die durch einen unangenehmen Fluch tagsüber wie halbwegs normale Piraten aussehen, im Mondschein allerdings eher wie die "Armee der Finsternis" aussehen, also nur noch ihr Skelett mit sich herumtragen. Um diesen lästigen Fluch loszuwerden, müssen sie einen Goldschatz und das Blut von William Turner zusammenbringen - warum gerade der, das verrät uns das schludrige Drehbuch nicht. William Turner ist zufälligerweise tot, jedoch ist sein Sohn, der ebenfalls das erlösende Blut in sich trägt, gerade zusammen mit dem Piraten-Unikat Captain Jack Sparrow unterwegs, um seine Herzallerliebste, die fälschlicherweise gekidnappte Elizabeth von den untoten Piraten zu befreien. Säbelrasseln und Kanonenschläge inklusive.
Der Film beginnt und endet wie ein direktes, romantisches Piratenabenteuer, die 100 Minuten dazwischen ist "Fluch der Karibik" zwar hin und wieder unterhaltsam, jedoch sind die Schwertkämpfe und der gesamte Untotenplot derart hanebüchen, oft unlogisch oder inkonsequent dargestellt. Der Film weiß genau, wo seine Stärke liegt, und die haben wir in Johnny Depp. Seine überkandidelte, ansatzweise tuntige Darstellung des Piratenpfaus ist oft spaßig, immer gut gespielt und bei Laune haltend. Auch wenn das Drehbuch ihn fortwährend von einer misslichen Lage in die nächste schickt, aus denen er jeweils nur per Zufall oder durch eigene Tollpatschigkeit entkommt.
Depp ist der Kasper in einem schwimmenden Kasperletheater, das dabei ist zu sinken. Und das, obwohl Geoffrey Rush eine beachtlich gute Leistung erbringt, Keira Knightley wie der perfekte Winona Ryder-Ersatz aussieht und Orlando Bloom keine holprige, schwere Rolle auszufüllen hat. Jedoch keiner dieser Schauspieler vermag das Storykonstrukt zu tragen - dafür sind ihre Darstellungen zu ernst, zu trocken. Johnny Depps Überdrehtheit passt zu einem Piratenfilm, in dem es mehr Untote und mehr Referenzen an eine Disney-Fahrattraktion gibt, als Referenzen an den "Roten Korsar".
Und während die wenig karibische Musik von Klaus Badelt den üblichen Hans-Zimmer-Tonbrei zusammenzimmert und wir Zeuge hübscher Piratentraditionen á la "Über die Planke gehen lassen" oder "Sauflieder singen" werden, gehen 143 Minuten Film vorbei. Für diesen Sommer sind wir unterhalten. Jedoch sind wir auch bereit diese Mainstreamgewässer sofort per "Hart Backbord"-Ruf an den Steuermann zu verlassen, und auf ewig zu vergessen, um uns zurückzulehnen und auf den Blockbuster nächsten Jahres zu warten. Und dazwischen schauen wir uns dann gute Filme an.